Ungerechtigkeiten zwischen den Geschlechtern

Tipps: Dem Neid mit Gelassenheit begegnen
Tipps: Mehr Gelassenheit mit Wünschen und Bedürfnissen
Exkurs: Neid im Tierreich – Ein Versuch mit Kapuziner-Affen von Frans de Waal
Teil 19: Anlässe für Neid in Liebesbeziehungen
Teil 20: Beinflussbare und nicht-beeinflussbare Neidanlässe
Exkurs: Neid und Eifersucht – nahe Verwandte
Teil 21: Wie kommt der Neid in die Liebesbeziehung?

Vor zweihundert Jahren gibt es Konflikte wie den zwischen Mandy und Mike noch nicht. Nicht nur, dass Frauen gar nicht studieren dürfen – in der Welt der bürgerlichen Ehe, die sich damals gerade als gesellschaftliches Modell zu etablieren beginnt, werden beiden Geschlechtern auch sonst streng getrennte Aufgabenbereiche zugewiesen: Sie organisiert den Haushalt und stellt dort Produkte des täglichen Bedarfs her. Er kümmert sich um sein Geschäft, ein Handwerk, ein Handelsunternehmen oder verdingt sich als Lohnarbeiter. Sie lebt eher zurückgezogen, er sorgt für die Außenkontakte. Bis zu diesem Zeitpunkt ist Konkurrenz zwischen den Geschlechtern für die allermeisten Menschen unerhört und jenseits dessen, was sie sich vorstellen können. Als zu verschieden gelten Frau und Mann. Die Unterordnung der Frau unter den Mann wird als völlig natürlich und naturgegeben betrachtet.

Wie die Frauenforscherin Florence Hervé in ihrer Geschichte der deutschen Frauenbewegung schreibt, ändert erst die industrielle Revolution etwas an dieser strikten Aufteilung. Bisher im Haushalt (von den Frauen) produzierte Dinge des täglichen Bedarfs (z.B. Seife, Bier, Kleider, Kerzen) werden nun industriell gefertigt. Die Hausarbeit wird dadurch eingeschränkt. Aber die neuen Industrien brauchen viele Arbeitskräfte, deswegen werden Frauen und auch Kinder in die Fabriken geholt. Die Industrialisierung der Gesellschaft bricht traditionelle Zuschreibungen auf, ohne allerdings die grundlegende, diskriminierende Bewertung des weiblichen Daseins als minderwertig und nachrangig schon in Frage zu stellen.

Einzelne Frauen beginnen, die obrigkeitsstaatlich und religiös abgesegnete Ungleichheit zwischen den Geschlechtern zu kritisieren. Sie setzen sich mit der Verteilung von Macht, Gütern, Bildungschancen und ihrer eigenen Rechtlosigkeit auseinander. Sie vergleichen ihr Leben und ihre Möglichkeiten mit denen der Männer – und kommen zu dem Schluss, die Benachteiligung müsse aufhören. Die privilegierte Stellung des Mannes in der Öffentlichkeit und im gesellschaftlichen Leben, in Ehe und Familie sowie die Ausübung von politischer Macht gerade auch über Frauen stellt eine so massive Herabsetzung dar, dass manche Frauen sich schon wegen des eigenen Selbstwertgefühls gegen die Ungleichheiten wehren müssen. In der Konsequenz bekämpfen sie die strukturelle Ungerechtigkeit, der Frauen über Jahrhunderte ausgeliefert sind:

  • keine Teilhabe an der Macht, obwohl Frauen immer schon die Hälfte der Bevölkerung stellen;
  • kein Wahlrecht;
  • beschränkter Zugang zu Bildung;
  • keine volle Anerkennung als rechtsfähige Subjekte in der bürgerlichen Gesellschaft;
  • weniger Lohn für die gleiche Arbeit.

Noch immer sind nicht alle Punkte, die vor 100 Jahren im Mittelpunkt standen, zur Zufriedenheit des weiblichen Teils der Bevölkerung gelöst. So schreibt das Statistische Bundesamt 2012 in einer Pressemitteilung: Frauen ver­dien­ten 2010 in Füh­rungs­positio­nen 30 % weni­ger als Män­ner. Im Schnitt beläuft sich die Lohnlücke über alle Berufsgruppen auf 22%. EU-weit kamen die Statistiker 2011 auf einen Unterschied von 16,2%, „definiert als der relative Unterschied bei den durchschnittlichen Bruttostundenlöhnen von Frauen und Männern in der gesamten Volkswirtschaft“.

Wie es zu dieser Lohnlücke kommt (Frauen haben unterschiedliche Zugangschancen zum Arbeitsmarkt, Frauen steigen seltener in Führungspositionen auf, Beruf in denen überwiegend Frauen arbeiten, werden traditionell schlechter bezahlt), wird ausführlich dargestellt von Martin Beck, leitender Regierungsdirektor beim Stat. Bundesamt, der auf dem Forum „Equal Pay Day 2011“ den verlinkten Vortrag hielt. Weitere Informationen gibt es bei der Equal-Pay-Day-Kampagne.

Es vergehen insgesamt viele Jahrzehnte, bis es den Frauen gelingt, gleiche Rechte durchzusetzen, sich den Zugang zu Bildung und Hochschule zu erkämpfen, ihr Wahlrecht ausüben zu können und grundsätzlich als gleichwertige Mitmenschen in der Gesellschaft anerkannt zu werden. Heute ist es selbstverständlich, dass Männer und Frauen ein und dasselbe Studienfach wählen können – auch wenn es noch immer eher frauenspezifische und eher männerspezifische Fächerwahlen gibt. Selbst der am längsten exklusiv den Männern vorbehaltene Militärdienst steht heute Frauen offen.

Dabei geht es den Frauen wohl von Anfang nicht darum, genauso zu sein oder so zu werden wie Männer. Auf diese Idee kommen jene neidischen Männer, denen gegen die Angst vor dem Verlust der eigenen Privilegien nichts anderes einfällt, als die Strategie der Frauen abzuwerten: „Ihr wollt ja nur so sein wie wir!“ Diese Männer sind neidisch auf den Aufstieg jener Frauen, die den Abstand zu ihnen verkleinern wollen.

Literatur:
Hervé, F. (Hrsg.): Geschichte der deutschen Frauenbewegung, Köln: Papy-Rossa 1995

Teil 23: So haben sich Liebesbeziehungen gewandelt
Teil 24: Frauen haben ein neues Rollenverständnis in der Liebesbeziehung

Neid in Partnerschaften: Literatur