Marc Buhl: Das Billardzimmer

Ein jüdisches Paar versucht im Jahr 1941 über die deutsch-schweizerische Grenze der Vernichtung zu entfliehen. Nach tagelanger, ergebnisloser Irrfahrt in der Grenzregion wird Ihnen als letztes Hilfsangebot ein Name zugeflüstert: Gero von Nohlen. 60 Jahre später sitzt der gleichnamige Enkel in der Redaktion der ortsansässigen Tageszeitung und leidet erbärmlich unter der Last der eigenen Familiengeschichte. Immerhin weiß er, dass er der Vergangenheit nicht entkommen kann. So entschließt er sich, einen Rechercheauftrag hinein in die Abgründe der Familie anzunehmen.

Dieser Gero von Nohlen ist getrieben von den Dämonen der Vergangenheit, die ihn hin und her schieben zwischen Be- und Entlastung, je nachdem, welche neue Erkenntnis gerade ans Tageslicht kommt. Für ihn schreibt sich die Schuld fort und überträgt sich in die Jetzt-Zeit, auch wenn er sich nicht durch eigene Handlungen schuldig gemacht hat. Immerhin profitiert er bis heute – auch wenn er das finanzielle Erbe bereits weitgehend durchgebracht hat.

Der Roman ist großartig komponiert, in seiner Handlung am Ende leider etwas überdehnt. Insgesamt jedoch flüssig geschrieben und spannend erzählt, fein austariert über die verschiedenen Ebenen. Zugleich mitreißend und bewegend. Bei aller Beklemmung, die der Stoff erzeugt: Ein großes Lesevergnügen.

Ulrich Clement: Guter Sex trotz Liebe

Nach allen Büchern, die uns erzählen, welche technischen Tricks wir anwenden könnten, um das Sexleben aufzupeppen, hilft dieser Ratgeber uns, den eigenen Partner wieder frisch zu entdecken. Dazu braucht es Mut, Selbstironie und einen langen Atem. Aber anfangen damit können wir sofort… Die wichtigste Voraussetzung für guten Sex ist nämlich, überhaupt Sex zu haben.

Ulrich Clements vier zentralen Botschaften:

1. Erotik braucht Entscheidungen. Gerade in längeren Beziehungen ergeben sich erotische Momente kaum spontan. Vielmehr entscheiden sich die Partner, wie aktiv sie ihre Erotik gestalten wollen.

2. Zwei Partner bringen zwei unterschiedliche erotische Profile in die Beziehung ein. Die Lust an diesem Unterschied erzeugt erotische Spannung.

3. Neugier trotz Bekanntheit. Zu gutem Sex gehört der Mut zum Spiel und eine Haltung der Neugier: Es gibt beim Anderen immer noch etwas Neues zu entdecken.

4. Jede Veränderung hat ihren Preis. Erotische Entwicklungen in einer Partnerschaft sind mit Risiken verbunden. Allerdings kann es sich lohnen, diese Risiken einzugehen.

Das Buch hält einen Fundus von mehr als 30 Übungen und Tests bereit. Wer sich darauf einlässt, verändert zumindest mal die eigene Denke über Sex – und kann sich mal humorvoll, mal ernsthaft von manch lieb gewonnener Ansicht über die eigene und die Sexualität des Partners verabschieden.

Linx zum Thema:

‚Guter Sex trotz Liebe‘ bei Amazon
STERN-Titelgeschichte 39/2006
Homepage Ulrich Clement

Gelber Curry und das Gedächtnis

Im American Journal of Epidemiology erschien im November 2006 ein bemerkenswerter Aufsatz einer Forschergruppe aus Singapur: Curry Consumption and Cognitive Function in the Elderly: Die Autoren meinen nachgewiesen zu haben, dass der häufige Verzehr von gelbem Curry zu einer besseren Gedächtnisleistung, gemessen im Mini-Mental-State-Test, führt.

Die Substanz, die im Mittelpunkt steht: Curcumin, vom Curry-Gewürz Turmeric, seine anti-oxydativen und entzündungshemmenden Wirkungen. In tierexperimentellen Studien reduzierte Curcumin beta-amyloid, jene Ablagerungen, die eng in Zusammenhang mit der Alzheimer-Erkrankung stehen. In dieser epidemiologischen Studie kontrollierten die Autoren für insgesamt 21 konfundierende Variablen: Alter, Geschlecht, diverse Erkrankungen, den Genuss von scharfen Chilischoten und eine Reihe anderer Größen.

Ergebnisse des Vergleichs zwischen den drei Bevölkerungsgruppen (Chinesen, Malayen, Inder):

Viel Curry-Konsum (also mindestens wöchentlich bis täglich) ist mit einer (adjustiert) besseren Leistung im MMS verbunden. Jene Gruppen mit wenig oder gar keinem Curry-Verzehr (einmal im halben Jahr oder seltener) schneiden im MMSE im Schnitt um einen Punkt schlechter ab. Bei all dem überlappen die Vertrauensbereiche.

Mir stellen sich die Ergebnisse so dar: Wie viel Curry die Inder auch essen, die Chinesen haben immer die bessere Leistung im MMSE. Das schreiben allerdings die Autoren nicht. Trotz Kontrolle für Bildung, gibt es weiterhin einen heftigen Bildungseffekt. Also, wer lange zur Schule geht, oder gar studiert, hat als gesunder Mensch auch ohne Curry-Konsum gute Chancen im Leistungstest gut abzuschneiden.

jonathan safran foer: extrem laut & unglaublich nah

ein 9-jähriger junge verliert am 09.11.2001 seinen vater – und versucht einen umgang damit zu finden: exzentrisch, extrem intelligent, gewitzt, voller trauer und selbstanklagen, sich seines status als opfer der umstände meist sehr bewusst. die therapie besucht er widerwillig, seiner mutter geht er eher aus dem weg. zuflucht findet er allenfalls bei seiner oma.

als das kind in der hinterlassenschaft des vaters einen schlüssel entdeckt, macht es sich auf die suche nach dem besitzer des schlosses. da er so ziemlich alles mit bedeutung auflädt, was mit seinem vater zusammen hängt, versteift er sich auf die fixe idee, sein vater habe ihm genau diese aufgabe gestellt. während sich dieser rote faden entrollt, erzählt uns safran foer die erweiterte familiengeschichte: von einem unbekannten untermieter, den die oma beherbergt, von briefen, die sich in schubladen türmen, von liebenden und großer trauer. immer einfühlsam, immer überraschend, sehr verspielt im umgang mit drucktechnischen stilmitteln.

ein buch, extrem gut & unglaublich bewegend.

meine lieblingsschimpfkanonade: „schwanzlutsch doch deinen cockerspaniel, du stinkender, tieflöchriger haufen scheibenkleister.“

jana hensel: zonenkinder

etwas klagsam, aber doch mit großer leidenschaft beschreibt jana hensel die situation ihrer „generation“ zu zeiten des mauerfalls und danach: kinder, die 1989 teenies waren. pubertierende, nicht reif genug, um die neue zeit sofort mit offenen armen begrüßen zu können. eher irritiert vom verlust dessen, was bisher als selbstverständlich galt.
gleichzeitig waren diese kids schon zu alt, um die plötzlich verschwundene DDR schnell abzustreifen wie ein altes, abgetragenes hemd, das man nur trug, weil es kein besseres gab, nicht weil man es lieb gewonnen hatte. die jana hensels dieser zeit hatten dieses seltsame land bereits lieb gewonnen…

ich bin etwa 10 jahre früher in diese zone hineingeboren worden. mir ist die ambivalenz sehr vertraut, die viele menschen mit diesem teil deutschlands verbunden hat. einerseits war dieses land einem ein jahrelanger, ausrechenbarer, irgendwie auch vertrauter weggefährte, der zwar ein bisschen meschugge daher kam, aber im grunde seines herzens ganz ok war und gutes wollte. andererseits hasste man es für all die uneingelösten hohen ansprüche, insbesondere die moralische überheblichkeit, mit der sich das gebilde zur größten DDR der welt aufschwang.