#NOlympia in Hamburg

Am kommenden Sonntag werden in Hamburg Stimmen gezählt. Stimmen für oder gegen die Ausrichtung der Olympischen Sommerspiele 2024 in der Stadt.

Ich werde mit „NEIN“ stimmen – und hier kurz begründen, warum.

Sehr viele Argumente sind bereits zwischen BefürworterInnen und GegnerInnen ausgetauscht worden: Hohe vs. realistische Kosten, Chancen und Risiken für die Stadtentwicklung, IOC korrupt, Nachhaltigkeit vs. Gigantismus, Negativbeispiele Elbphilharmonie und BER.

Merkwürdig finde ich allerdings ein Argument der pro-Fraktion: Wenn wir das nicht hinkriegen, würden ansonsten nur noch Diktaturen bzw. undemokratische Staaten den Zuschlag erhalten. Die Konkurrenzstädte jedoch sind Rom, Paris, Budapest und L.A. – worauf zielt also das Argument?

Ich lehne die Bewerbung aus einem andern Grund ab: Sagen die HamburgerInnen am Sonntag „JA“ zur Bewerbung, werden wir in der Stadt 18 Monate Bewerbungshysterie haben. Niemand wird sich dann mehr dem medialen Dauerfeuer, den Aktionen, den Events, der aufgeregten Umtriebigkeit entziehen können, die während der Bewerbungsphase die Stadt für sich einnehmen werden.

Ich kann nur hoffen, dass dann die Bewerbung nicht erfolgreich sein wird.

Denn ich stelle mir vor, wie es dann die folgenden Jahre weiterginge: Ein 2000+ Tage währender Countdown hin zur Eröffnungsfeier im Sommer 2024 mit noch mehr Events, Aktionen, Umtriebigkeit, besinnungsloser Vorfreude – und vielen, vielen Baustellen. Ich sehe vorher, wie sich nach einer erfolgreichen Bewerbung alles in der Stadt diesem einen großen Ziel unterzuordnen hätte. Alles wäre darauf ausgerichtet, den kollektiven Olympia-Wahn zu bedienen – und das über sieben (7!) lange Jahre. Ich kann mir diese Totalität nicht als etwas Gutes vorstellen.

Ich hätte nichts gegen vier Wochen sportliches Großereignis im Jahr 2024 – aber ich sage „NEIN“, weil ich in den Jahren davor in einer anderen Stadt leben würde, die dann nicht mehr wirklich meine wäre.

#LampedusaHH – und wieder setzt die SPD (die falschen) Zeichen

Die SPD Hamburg hat Vorwürfe zurückgewiesen, der Senat, Innenminister Neumann und Bürgermeister Scholz agierten rassistisch. Dem Abendblatt sagte SPD-Innenexperte Müller, die Menschen würden nicht wegen ihrer Hautfarbe kontrolliert, sondern wegen des Strattatsverdachts, sie würden sich illegal in der Stadt aufhalten.

Hintergrund ist die Aufforderung der Innenbehörde an 300 afrikanische Flüchtlinge, sich bei der Behörde zu melden, um ein rechtsstaatliches Verfahren einzuleiten, das ihren Status klärt – und das im Zweifelsfall darin mündet, dass sie wieder nach Italien abgeschoben werden. Weil die Afrikaner der Aufforderung mehrheitlich und aus Selbstschutz nicht nachkamen, verfügte die Behörde eine Art flächendeckendes Ausweis-Screening bei allen Menschen, die irgendwie afrikanisch aussehen. Genau wegen dieser Maßnahme wird der Behörde und dem Senat nun rassistisches Verhalten vorgeworfen.

So weit, so nachvollziehbar.

Dabei scheint die SPD Hamburg eines noch nicht verstanden zu haben: Ihre Haltung befördert genau jene Ressentiments, von denen sie sich in ihren Sonntagsreden gerne distanziert. Es mag ja alles ganz im Sinne von Recht und Gesetz sein, wie die Innenbehörde vorgeht. Aber ist es deswegen menschlich? Ist es politisch sinnvoll? Warum sieht sich der Hamburger Senat nicht in der Lage, ein positives Zeichen zu setzen? Warum scheut die SPD die Auseinandersetzung mit Innenminister Friedrich? Alles schon großkoalitionäre Verständigung, um ja die zukünftige, gemeinsame Zusammenarbeit nicht zu gefährden?

Hoch und runter heucheln die politisch Verantwortlichen (außer CSU-Friedrich) in Deutschland und Europa Betroffenheit über das Schicksal der afrikanischen Bootsflüchtlinge, aber keiner bricht aus dem Abschottungswahn aus. Kein Verantwortlicher schert aus dem unmenschlichen Konsens aus und sagt, wenn wir uns in Afrika (Libyen) einmischen, müssen wir auch dafür sorgen, die Konsequenzen für die betroffenen Menschen lindern zu helfen.

Es ist verantwortungslos und feige, an der Lampedusa-Gruppe in Hamburg ein Exempel zu statuieren, sie den halbgaren, abschiebeorientierten und widersprüchlichen Regelungen der europäischen Flüchtlingspolitik auszusetzen. Die SPD zerstört endgültig den alten Mythos, Hamburg sei eine weltoffene, liberale Stadt, die Menschen in Not beisteht – zumal wenn deren Schicksal von den Geschehnissen globaler Politik durcheinander geWirbelt wird.

Ich schäme mich für die Verantwortlichen meiner Stadt, diesen Senat und seine Politik-Vollstrecker. Sicherlich, der alte SPD-Bluthund Noske hat noch keinen Wiedergänger gefunden. Aber die Denke ist geblieben.

Warum ich gegen den Rückkauf der Netze stimme

Ich bin ein Linker – und alle Linken (Grüne, Die Linke, Piraten und ein paar Versprengte – die SPD ist sowieso nicht links) wollen im Augenblick die Hamburger Versorgungsnetze (Gas, Wasser, Energie inkl. Fernwärme) zurückkaufen.

Ich bin dagegen.

Warum?

Es gibt einen Grund, am kommenden Sonntag „Nein“ zum Volksentscheid zu sagen: Wir wissen nicht, was wir kaufen. Wir wissen allenfalls, dass Vattenfall gute Gewinne mit den Netzen erzielt.

Alle entscheiden nach Gefühl: Romantisch, durchaus einer Idee folgend, dass diese Gas-, Wasser- und Stromnetze in Volkes Hand gehören, die einen. Und die anderen, die den Staat eher als Begleiter und Rahmenbedingungssetzer haben wollen, stimmen gegen den vollständigen Rückkauf. Zumal ja der SPD mit dem Kauf von 25,1% ein Coup gelungen ist, der die Strategie der Netzrückkäufer ziemlich durcheinandergebracht haben dürfte.

Die Informationen, die wir in den letzten Wochen bekommen haben, erscheinen gefärbt und wenig transparent in die eine oder die andere Richtung.

Ich stimme am 22.09. mit Nein, weil ich erst alle Fakten kennen wollen würde. Wie viel kostet ein Kilometer abgeschriebenes Rohr, ein Kilometer Starkstrom- oder Niederstromkabel, auch schon abgeschrieben, ein Kilometer Gasleitung oder Fernwärme? Was kostet ein Umspannwerk, das seit 20 Jahren seinen Dienst tut und immer nur ein wenig gewartet werden muss? Und wie viel gibt es davon in HH?

Erst unter einer solchen Voraussetzung könnte das Volk aus meiner Sicht zu einer qualifizierten Entscheidung kommen. Direkte Demokratie ist etwas zweifelhaft, wenn die Abstimmungsgrundlage so wenig transparent gemacht wird. Dafür kann die Initiative für den Netzrückkauf nichts. Die wollte ja eine Veröffentlichung der Gutachten erzwingen, aber Vattenfall verschanzt sich hinter dem Geschäftsgeheimnis.

Vielleicht hätte es mir geholfen, eine Preisformel in der Frage zum Volksentscheid festzulegen: Wollen Sie die Versorgungsnetze für den Verkaufspreis Ende der 1990er Jahre +Wertsteigerung (Investition) -Abschreibung =Kaufsumme zurückhaben?

Sei’s drum, geht der Volksentscheid schief und verkauft Vattenfall in ein paar Jahren an jemand anderen als die Stadt, dann enteignen wir eben.

SolidarIstDa.

Schulreform in Hamburg – was bleibt?

Ein bisschen wehmütig bin ich doch wegen der verpassten Chance für mehr Gemeinsamkeit in den ersten sechs Schuljahren. Auch wenn ich darüber in meiner ersten Reaktion am Sonntag hinweg gegangen bin.

Und mein Kopfschütteln über die tief verwurzelten und weit verbreiteten Ängste der Eltern aus den Gut- bis Bestensverdienermilieus hält an: Angst vor Abstieg der eigenen Kinder, Angst vor Veränderung, Angst vor Entwicklung, Angst vor Konkurrenz, wenn Bedürftige besser gefördert werden.

Dennoch bleiben vom neuen Schulgesetz ein paar wichtige Neuerungen. Und die haben es nicht minder in sich, wenn Sie gut umgesetzt werden – und könnten dem Hamburger Schulwesen durchaus ein neues Gesicht verpassen, auch ohne das Aushängeschild Primarschule und dem längeren gemeinsamen Lernen. Wir werden sehen, ob die Reformbefürworter, die es ja in den gut situierteren Stadtteilen auch gab, nun ihre Kinder auf den Stadtteilschulen Abitur machen lassen…

Was also bleibt (laut Massnahmenkatalog der Schulbehörde)?

– Haupt-, Real- und Gesamtschulen werden zu Stadtteilschulen zusammengeführt
– kleinere Klassen (maximal 23 Köpfe, in manchen Stadtteilen nur 19)
– mehr Lehrkräfte werden eingestellt
– Lehrkräfte sollen verstärkt in Teams arbeiten
– ein Lehrerfortbildungsprogramm soll die Lehrkräfte besser befähigen, Unterrichtsmethoden wie Gruppenarbeit, Lernwerkstätten, Wochenpläne anwenden zu können
– ein verbindliches Gespräch in jedem Schulhalbjahr über den Leistungsstand der Kinder, das alle drei Seiten (Lehrkräfte, Eltern, Kinder) einbezieht
– keine Wiederholung von Klassen
– Kinder mit Behinderungen können eine allgemeine Schule besuchen

Wenn all die Maßnahmen umgesetzt werden und fruchten, besteht durchaus Hoffnung, dass meine Kinder (im Moment erst 2 und 4 Jahre alt) von einem verbesserten Schulsystem profitieren. Und wie gesagt: In den Stadtteilschulen können die Schülerinnen und Schüler, wenn es denn sein soll, 13 Jahre gemeinsam lernen!

Wie die Schulbehörde Ihrer eigene Kampagne vertreten sehen will, ist in diesem Ausschreibungstext (PDF) nachzulesen, der ebenfalls noch einmal die Eckpunkte und Ziele der Reform zusammenfasst.

Schulreform in Hamburg gescheitert

Leider ist der Versuch gescheitert, in Hamburg eine sechsjährige, gemeinsame Grundschule einzuführen. Die Initiative gegen die Schulreform „Wir wollen lernen“ hat sich durchgesetzt und das nötige Quorum von mindestens 247000 Stimmen erreicht.

Gratulation!

Ich habe mich zwar für die Primarschule ausgesprochen, aber ich nehme das Ergebnis sportlich. Es gibt so oder so ziemlich viel zu tun, die Qualität der Hamburger Schulen zu verbessern, egal ob mit einer vier- oder einer sechsjährigen Grundschule. Ich glaube schon gar nicht, wohl und wehe unserer Kinder hinge von der Schulstruktur ab. Viel wichtiger sind die Lehrerinnen und Lehrer – und was die daraus machen. Leider scheinen nur deren wenige den Schülerinnen und Schülern, so wie sie nun mal sind, dauerhaft gerecht zu werden. Deswegen: Das Defizit liegt nicht so sehr in der Struktur als vielmehr in der Ausbildung der Lehrkräfte.

Die Bezahlung tut noch das Übrige: Je jünger die Kinder, desto schlechter die Gehälter. Am miesesten werden die Leute in der Krippe vergütet, obwohl wir hier in Hamburg schon heute 400 Euro für einen Krippenplatz bezahlen. Dann kommen die schlecht bezahlten Grundschullehrerinnen, dann die privilegierten Gymnasialkräfte. Kein Wunder, dass sich jene Männer und Frauen, die eine Chance für sich sehen, in die höheren Gehaltsklassen zu kommen, die Krippen, Kitas und Grundschulen links liegen lassen und eben ans Gymnasium gehen. Für die Allerkleinsten bleiben all die anderen, denen der Zugang zu höherer (Aus)-Bildung verschlossen ist.

So finanz- und ausbildungshierarchisch aufgestellt ist das deutsche Bildungssystem – und daran hätte auch eine Primarschule nullkommanix geändert. Also: So richtig gibt es keinen Grund, ihr eine Träne nachzuweinen.

Pro Schulreform Hamburg

Bei allen Schwierigkeiten, die uns Eltern mit der Schulreform in Zukunft erwarten, bei all der organisatorisch-logistischen Herausforderung, die damit verbunden ist: Eine Weiterentwicklung des Schulsystems ist dringend geboten, inkl. des längeren gemeinsamen Lernens.

Heute in zwei Monaten ist der Tag der Entscheidung!

Hier ein paar Links zu den Pro-Schulreform-Kampagnen:

Behörde für Schule und Berufsbildung
PRO Schulreform Hamburg e.V.
Chancen für alle – Hamburger Allianz für Bildung e. V. – Die Schulverbesserer