Ungerechtigkeiten zwischen den Geschlechtern

Tipps: Dem Neid mit Gelassenheit begegnen
Tipps: Mehr Gelassenheit mit Wünschen und Bedürfnissen
Exkurs: Neid im Tierreich – Ein Versuch mit Kapuziner-Affen von Frans de Waal
Teil 19: Anlässe für Neid in Liebesbeziehungen
Teil 20: Beinflussbare und nicht-beeinflussbare Neidanlässe
Exkurs: Neid und Eifersucht – nahe Verwandte
Teil 21: Wie kommt der Neid in die Liebesbeziehung?

Vor zweihundert Jahren gibt es Konflikte wie den zwischen Mandy und Mike noch nicht. Nicht nur, dass Frauen gar nicht studieren dürfen – in der Welt der bürgerlichen Ehe, die sich damals gerade als gesellschaftliches Modell zu etablieren beginnt, werden beiden Geschlechtern auch sonst streng getrennte Aufgabenbereiche zugewiesen: Sie organisiert den Haushalt und stellt dort Produkte des täglichen Bedarfs her. Er kümmert sich um sein Geschäft, ein Handwerk, ein Handelsunternehmen oder verdingt sich als Lohnarbeiter. Sie lebt eher zurückgezogen, er sorgt für die Außenkontakte. Bis zu diesem Zeitpunkt ist Konkurrenz zwischen den Geschlechtern für die allermeisten Menschen unerhört und jenseits dessen, was sie sich vorstellen können. Als zu verschieden gelten Frau und Mann. Die Unterordnung der Frau unter den Mann wird als völlig natürlich und naturgegeben betrachtet.

Wie die Frauenforscherin Florence Hervé in ihrer Geschichte der deutschen Frauenbewegung schreibt, ändert erst die industrielle Revolution etwas an dieser strikten Aufteilung. Bisher im Haushalt (von den Frauen) produzierte Dinge des täglichen Bedarfs (z.B. Seife, Bier, Kleider, Kerzen) werden nun industriell gefertigt. Die Hausarbeit wird dadurch eingeschränkt. Aber die neuen Industrien brauchen viele Arbeitskräfte, deswegen werden Frauen und auch Kinder in die Fabriken geholt. Die Industrialisierung der Gesellschaft bricht traditionelle Zuschreibungen auf, ohne allerdings die grundlegende, diskriminierende Bewertung des weiblichen Daseins als minderwertig und nachrangig schon in Frage zu stellen.

Einzelne Frauen beginnen, die obrigkeitsstaatlich und religiös abgesegnete Ungleichheit zwischen den Geschlechtern zu kritisieren. Sie setzen sich mit der Verteilung von Macht, Gütern, Bildungschancen und ihrer eigenen Rechtlosigkeit auseinander. Sie vergleichen ihr Leben und ihre Möglichkeiten mit denen der Männer – und kommen zu dem Schluss, die Benachteiligung müsse aufhören. Die privilegierte Stellung des Mannes in der Öffentlichkeit und im gesellschaftlichen Leben, in Ehe und Familie sowie die Ausübung von politischer Macht gerade auch über Frauen stellt eine so massive Herabsetzung dar, dass manche Frauen sich schon wegen des eigenen Selbstwertgefühls gegen die Ungleichheiten wehren müssen. In der Konsequenz bekämpfen sie die strukturelle Ungerechtigkeit, der Frauen über Jahrhunderte ausgeliefert sind:

  • keine Teilhabe an der Macht, obwohl Frauen immer schon die Hälfte der Bevölkerung stellen;
  • kein Wahlrecht;
  • beschränkter Zugang zu Bildung;
  • keine volle Anerkennung als rechtsfähige Subjekte in der bürgerlichen Gesellschaft;
  • weniger Lohn für die gleiche Arbeit.

Noch immer sind nicht alle Punkte, die vor 100 Jahren im Mittelpunkt standen, zur Zufriedenheit des weiblichen Teils der Bevölkerung gelöst. So schreibt das Statistische Bundesamt 2012 in einer Pressemitteilung: Frauen ver­dien­ten 2010 in Füh­rungs­positio­nen 30 % weni­ger als Män­ner. Im Schnitt beläuft sich die Lohnlücke über alle Berufsgruppen auf 22%. EU-weit kamen die Statistiker 2011 auf einen Unterschied von 16,2%, „definiert als der relative Unterschied bei den durchschnittlichen Bruttostundenlöhnen von Frauen und Männern in der gesamten Volkswirtschaft“.

Wie es zu dieser Lohnlücke kommt (Frauen haben unterschiedliche Zugangschancen zum Arbeitsmarkt, Frauen steigen seltener in Führungspositionen auf, Beruf in denen überwiegend Frauen arbeiten, werden traditionell schlechter bezahlt), wird ausführlich dargestellt von Martin Beck, leitender Regierungsdirektor beim Stat. Bundesamt, der auf dem Forum „Equal Pay Day 2011“ den verlinkten Vortrag hielt. Weitere Informationen gibt es bei der Equal-Pay-Day-Kampagne.

Es vergehen insgesamt viele Jahrzehnte, bis es den Frauen gelingt, gleiche Rechte durchzusetzen, sich den Zugang zu Bildung und Hochschule zu erkämpfen, ihr Wahlrecht ausüben zu können und grundsätzlich als gleichwertige Mitmenschen in der Gesellschaft anerkannt zu werden. Heute ist es selbstverständlich, dass Männer und Frauen ein und dasselbe Studienfach wählen können – auch wenn es noch immer eher frauenspezifische und eher männerspezifische Fächerwahlen gibt. Selbst der am längsten exklusiv den Männern vorbehaltene Militärdienst steht heute Frauen offen.

Dabei geht es den Frauen wohl von Anfang nicht darum, genauso zu sein oder so zu werden wie Männer. Auf diese Idee kommen jene neidischen Männer, denen gegen die Angst vor dem Verlust der eigenen Privilegien nichts anderes einfällt, als die Strategie der Frauen abzuwerten: „Ihr wollt ja nur so sein wie wir!“ Diese Männer sind neidisch auf den Aufstieg jener Frauen, die den Abstand zu ihnen verkleinern wollen.

Literatur:
Hervé, F. (Hrsg.): Geschichte der deutschen Frauenbewegung, Köln: Papy-Rossa 1995

Teil 23: So haben sich Liebesbeziehungen gewandelt
Teil 24: Frauen haben ein neues Rollenverständnis in der Liebesbeziehung

Neid in Partnerschaften: Literatur

Wie kommt der Neid in die Liebesbeziehung?

Tipps: Dem Neid mit Gelassenheit begegnen
Tipps: Mehr Gelassenheit mit Wünschen und Bedürfnissen
Exkurs: Neid im Tierreich – Ein Versuch mit Kapuziner-Affen von Frans de Waal
Teil 19: Anlässe für Neid in Liebesbeziehungen
Teil 20: Beinflussbare und nicht-beeinflussbare Neidanlässe
Exkurs: Neid und Eifersucht – nahe Verwandte

Neben den hauptsächlich negativen Eigenschaften des Neids steht auch das romantische Liebesideal dagegen, über den Neid ins Gespräch zu kommen. Als das romantische Beziehungskonzept entstand, waren konkurrierende Interessen zwischen den Liebespartnern undenkbar. Doch auch seitdem wir untereinander verschiedene Interessen ausgleichen müssen und auf denselben Gebieten miteinander wetteifern, hat sich an der harmonischen Idealvorstellung wenig verändert: Liebende ergänzen und unterstützen sich, aber sie konkurrieren nicht miteinander. Die Geschichte von Mandy und Mike, zwei Architekturstudenten, illustriert, wie dieses Ideal auch heutige Beziehungen beeinflusst.

Mandy und Mike

Mandy und Mike beschließen, zum Studium gemeinsam in eine andere Stadt zu ziehen. Sie haben sich während der Abiturvorbereitungen ineinander verliebt. Sie schätzen es, miteinander zu lernen, voneinander zu profitieren und bei Prüfungen füreinander die Daumen zu drücken. Sie bewerben sich für den Studiengang Architektur und brechen auf in die gemeinsame studentische Zukunft – euphorisch, beflügelt von der Liebe und dem Vertrauen zueinander.

Zum Konzept ihrer Liebe zählt auch, keinerlei Geheimnisse voreinander zu haben – und alles miteinander zu teilen, auch Kenntnisse und Fähigkeiten. Mandy hat früher mit Mike Vokabeln gebüffelt. Mike hat gemeinsam mit ihr mathematische Formeln auseinander genommen. Das Konzept allerdings erfährt erste Brüche, als sie mit der Wirklichkeit des Architekturstudiums konfrontiert werden: Es stellt sich schnell heraus, dass es Mike deutlich leichter fällt, die allgemeinen Anforderungen zu erfüllen. Er tut sich leichter mit Computern und den 3D-Programmen, die für die Gestaltung von Entwürfen unabdingbar sind.

Mandy erwartet nun gemäß ihrer Vorstellung von Partnerschaft, dass Mike ihr die Hilfe gibt, die sie braucht, im Studium genauso gut zu sein wie er. Mike versucht tatsächlich, Mandy nach Kräften in Computer- und Softwarefragen zu unterstützen. Allerdings stellt er fest, dass sich damit seine Gesamtarbeitszeit deutlich verlängert – und er quasi stellvertretend einen Teil von Mandys Studium absolviert. Sosehr er sie liebt, diese Situation führt zwangsläufig zu einem heftigen Konflikt zwischen beiden.

Mandy wirft ihrem Freund vor, sie im Stich zu lassen und sie abhängen zu wollen, um ohne sie in der neuen Stadt Fuß zu fassen. Er wiederum fragt nach, ob es denn tatsächlich ihr Herzenswunsch sei, Architektur zu studieren – und ob nicht vielleicht ein anderes Studium ihr besser täte. Das bringt Mandy erst recht auf die Palme und spornt sie an, alle Anstrengungen zu unternehmen, um ohne Mikes Hilfe durch das Studium zu kommen. Zwar müssen beide auf diese Weise schmerzvoll von den eigenen Beziehungsvorstellungen Abschied nehmen, aber die neue Unabhängigkeit führt auch zu weniger Frust in der gemeinsam verbrachten Zeit.

Allerdings eskaliert der Konflikt zwischen beiden immer wieder dann, wenn eine Projektarbeit abzugeben ist. Während Mike entspannt am Rechner sitzt und seine Entwürfe entwickelt, ohne sich aus der Ruhe bringen zu lassen, reagiert Mandy noch immer panisch auf die Herausforderung, schläft schlecht und ist dauernd unzufrieden mit sich und ihrer Arbeit. Da das Paar mittlerweile nicht mehr gemeinsam an den Rechnern sitzt, macht sie sich ab und an auf den Weg zu seinem Arbeitsplatz, um zu sehen, wie weit er gekommen ist. Er macht sich umgekehrt nie auf den Weg zu ihr.

Kurz vor dem letzten Abgabetermin wirft sie dann noch einmal einen schiefen Blick auf seinen Entwurf, rennt stumm aus dem Zimmer und beginnt erst draußen zu schluchzen: Voller Neid muss sie anerkennen, dass sein Entwurf der bessere ist – und dass sie bei all dem Aufwand, den sie betreibt, nicht die Qualität seiner Arbeiten erreichen wird. Doch sie lässt sich dadurch nicht etwa entmutigen, sondern macht sich für eine weitere Nachtschicht an die Arbeit, den eigenen Entwurf zu verbessern – nicht um so gut zu sein wie Mike, sondern um vor sich selbst mit gutem Gewissen sagen zu können, sie habe nichts unversucht gelassen.

Teil 22: Die neue Konkurrenz zwischen den Geschlechtern
Teil 23: So haben sich Liebesbeziehungen gewandelt
Teil 24: Frauen haben ein neues Rollenverständnis in der Liebesbeziehung

Neid in Partnerschaften: Literatur

Exkurs: Neid und Eifersucht – nahe Verwandte

Teil 1: Neid und Konkurrenz bei Paaren

Tipps: Dem Neid mit Gelassenheit begegnen
Tipps: Mehr Gelassenheit mit Wünschen und Bedürfnissen
Exkurs: Neid im Tierreich – Ein Versuch mit Kapuziner-Affen von Frans de Waal
Teil 19: Anlässe für Neid in Liebesbeziehungen
Teil 20: Beinflussbare und nicht-beeinflussbare Neidanlässe

Um die psychologischen Grundlagen des Neids zu bestimmen, ist es auch notwendig, über Eifersucht zu sprechen. Neid und Eifersucht sind Gefühls-Geschwister, die sich in ihrer Leidenschaftlichkeit nichts nehmen. Zudem treten sie häufig Arm in Arm innerhalb derselben Konfliktlage auf.

Eine klassische Umbruchsituation innerhalb einer Liebesbeziehung ist die Geburt eines Kindes. Die Mutter stillt, ist dem Kind näher, verbringt mehr Zeit mit ihm, das Kind lässt sich eher von ihr beruhigen. Währenddessen entwickelt der Vater eventuell neidische Gefühle auf das Baby. Gleichzeitig spürt der Vater womöglich auch Eifersucht: Das Kind entzieht ihm die Frau, nimmt deren Aufmerksamkeit fast komplett in Anspruch und besetzt zudem mit der Brust eine Körperregion, die für ihn von erotischer Symbolkraft ist.

Die emotionalen Aufwallungen ereignen sich mit einer gewissen Zwangsläufigkeit. Es gibt kaum Väter, die zwischendurch nicht einmal eifersüchtig auf ihre Kinder wären und neidisch auf die Mütter. Die Gefühle sind normal, denn aus der Zweierkonstellation entsteht plötzlich eine Dreierbeziehung, in der sich alle neu positionieren müssen. Basiert die Beziehung zwischen Vater und Mutter auf einem stabilen Fundament, so sind sowohl die neidischen als auch die eifersüchtigen Anwandlungen nur von vorübergehender Natur.

Das Beispiel illustriert, wie sich Eifersucht ganz pragmatisch von Neid abgrenzen lässt: Zum Neid gehören zwei. Zur Eifersucht gehören drei. Der auf die Mutter neidische Vater sehnt sich danach, sein Kind genauso versorgen zu können wie die Mutter, um damit ein ähnliches intensives Verhältnis zu ihm zu bekommen. Der eifersüchtige Mann im Vater ereifert sich über den „Verlust“ der Frau an das Kind. Eifersüchtig sucht er seinen „Besitz“, die exklusive Beziehung zu seiner Geliebten, zu verteidigen. Ohnmächtig muss er allerdings sehen, wie unmöglich das zunächst ist – und wie bedrohlich ihm die Ungewissheit erscheint, ob er seine Frau jemals zurückgewinnen wird. Während Eifersucht also eher Angst davor offenbart, etwas zu verlieren, weist uns der Neid auf die Dinge hin, nach denen wir uns sehnen.

Viele Autoren weisen darauf hin, wie leicht im Alltagsgebrauch die Grenzen zwischen Neid und Eifersucht verschwimmen. Allerdings kann dabei nur Eifersucht für Neid stehen, Neid nicht umgekehrt für Eifersucht. Die Abgrenzung zwischen beiden Phänomenen ist uns also im alltäglichen Gebrauch durchaus bekannt. Der Einsatz des einen Begriffs für den anderen dient deswegen einem bestimmten Ziel.

Die Eifersucht übernimmt häufig die Rolle, stellvertretend für den Neid die heftig aufwallenden Gefühle begründen zu müssen. Außerdem erlaubt das Wort Eifersucht, ein Ventil zu öffnen, das wir im Namen des Neids nicht öffnen dürften. Es ist gesellschaftlich eher erlaubt, dass „jemandem die Pferde durchgehen“, weil er eifersüchtig zu sein vorgibt. Weitaus weniger tolerant reagiert die Öffentlichkeit indes, wenn sich derselbe Mensch auf seinen Neid beruft, um zu begründen, warum er außer Kontrolle geraten ist.

Neid gilt als unschicklich, während der Eifersüchtige durchaus auf Verständnis durch seine Umwelt rechnen darf. Obwohl es sich dabei um eine nicht minder eruptive Leidenschaft handelt, erfährt die Eifersucht weniger gesellschaftliche Ablehnung als der Neid. Insbesondere in so genannten „Eifersuchtsdramen“, über welche die Boulevardpresse gern informiert, dient die Eifersucht häufig als eine Art Tarn-Emotion, um das böse N-Wort nicht in den Mittelpunkt zu rücken.

Wie in der Liebesbeziehung erzeugt die Bedrohung durch Neid und Neider also scheinbar auch im öffentlichen Raum Berührungsängste, so dass der Neid selbst nicht direkt thematisiert wird.

Teil 21: Wie kommt der Neid in die Liebesbeziehung?
Teil 22: Die neue Konkurrenz zwischen den Geschlechtern
Teil 23: So haben sich Liebesbeziehungen gewandelt
Teil 24: Frauen haben ein neues Rollenverständnis in der Liebesbeziehung

Neid in Partnerschaften – Literaturangaben

Beinflussbare und nicht beeinflussbare Neidanlässe

Teil 1: Neid und Konkurrenz bei Paaren

Tipps: Dem Neid mit Gelassenheit begegnen
Tipps: Mehr Gelassenheit mit Wünschen und Bedürfnissen
Exkurs: Neid im Tierreich – Ein Versuch mit Kapuziner-Affen von Frans de Waal
Teil 19: Anlässe für Neid in Liebesbeziehungen

Auch wenn es nun kaum Güter gibt, die wir nicht begehren könnten, beschränken sich die möglichen Anlässe für Neid in Partnerschaften allein aufgrund der Art der Beziehung zwischen den Partnern. Während Frauen oder Männer untereinander durchaus auf bestimmte körperliche Merkmale neidisch sein können, spielt dieser Neidanlass zumindest in heterosexuellen Beziehungen eher keine Rolle.

Die folgende Tabelle fasst mögliche Neidanlässe in einer Liebesbeziehung zusammen, natürlich ohne dabei einen Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben. Die Anlässe unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Beeinflussbarkeit. Diese Unterscheidung ist für die weitere Auseinandersetzung mit dem eigenen Neid oder dem des Partners oder der Partnerin von großer Bedeutung. Ob es nämlich überhaupt möglich ist, in den Besitz eines begehrten Gutes zu gelangen, bestimmt ganz wesentlich, ob wir an unserem Neid festhalten wollen oder ob wir auch ganz gut ohne ihn leben können. Beharren wir darauf, etwas zu begehren, das wir sowieso nicht erlangen können, so muss sich früher oder später die Frage stellen, welche Funktion es für die Beziehung hat, den Neid weiter aufrechtzuerhalten.

Eventuell beeinflussbar Nicht beeinflussbar
Bildung Schönheit/Attraktivität
materieller Besitz Talente, natürliche Begabungen
Zielstrebigkeit Geschlecht
Soziale Fähigkeiten, Fertigkeiten Vorerfahrungen in der Liebe
eine große Familie spezielle berufliche Karriere
Umgang mit den Kindern spezielle Freundschaftsbeziehungen
berufliche Erfüllung spezielle berufliche Fördersituationen
soziales Netz Urvertrauen
Kochen, Feiern, Party machen soziale Herkunft
bis zu einem gewissen Grad: Kreativität Gebären, Stillen

Wegen der Austauschbarkeit des Ersehnten empfiehlt beispielsweise der Soziologe Schoeck, dem Neider nicht allzu weit entgegen zu kommen. Insbesondere wenn der Neid zu einer Persönlichkeitseigenschaft des anderen geworden ist, sind die Anlässe austauschbar. Das Verlangen richtet sich dann auf alles und jeden. An neuen Objekten der Begierde mangelt es nie. Um Schoeck noch einmal zu zitieren:

Erst wenn ein Mensch einsieht, dass bloßes Brüten in neidvollen Vergleichen mit dem Los anderer zu nichts führt, wenn jemand einsieht, wie unentrinnbar die Pein des Neidens ist, weil es ihr nie an Anlässen fehlen wird, und wenn jemand aus dieser Einsicht heraus das Neidgefühl zu einem agonalen [auf Gegnerschaft gerichteten] Trieb werden lässt, also die anderen durch eigene Leistungen „ausstechen“ möchte, ist die neue, zwar vom Neid verursachte, aber von ihm intentional grundsätzlich verschiedene Ebene des wertvermehrenden Konkurrenzverhaltens erreicht.

Neid lässt sich also in wetteiferndes Verhalten umwandeln. Gelingt uns diese Verwandlung der neidischen Energie, um eigene Ziele, Pläne, Ideen zu verwirklichen, so entlastet das die Beziehung. Es verringert das Gefühl, zu kurz zu kommen, und macht uns zufriedener mit uns selbst, aber auch zufriedener mit unserem Partner, denn wir ziehen die negative Energie von ihm ab.

Schoeck, H.: Der Neid. Die Urgeschichte des Bösen, München/Wien: Herbig 1980

Exkurs: Neid und Eifersucht – nahe Verwandte
Teil 21: Wie kommt der Neid in die Liebesbeziehung?
Teil 22: Die neue Konkurrenz zwischen den Geschlechtern
Teil 23: So haben sich Liebesbeziehungen gewandelt
Teil 24: Frauen haben ein neues Rollenverständnis in der Liebesbeziehung

Neid in Partnerschaften – Literaturangaben

Anlässe für Neid in Liebesbeziehungen

Teil 1: Neid und Konkurrenz bei Paaren

Teil 17: Sozialer Vergleich bildet Identität
Teil 18: Neid braucht die Beziehung
Tipps: Dem Neid mit Gelassenheit begegnen

Tipps: Mehr Gelassenheit mit Wünschen und Bedürfnissen
Exkurs: Neid im Tierreich – Ein Versuch mit Kapuziner-Affen von Frans de Waal

Es existiert kein Gut, kein Gegenstand, keine Fähigkeit, nichts, das uns nicht Anlass genug sein könnte, auf unsere Mitmenschen neidisch zu sein. Somit ist der Neid unabhängig vom beneideten Gut – insofern, als wir nicht das Gut selbst beneiden, sondern den psychischen Gewinn, den der Beneidete nach unserer Ansicht daraus zieht. Weil wir vermuten, wie gut es dem anderen dabei geht, wenn er seinen Besitz, seinen Erfolg genießt, reagieren wir darauf mit dem einschlägigen „Das will ich auch“. So wie in dem Film Harry und Sally, als Meg Ryan im Fast-Food-Restaurant Billy Crystal einen Orgasmus vorspielt, um zu beweisen, wie leicht es ist, einen Orgasmus vorzuspielen – und daraufhin eine andere Kundin des Restaurants die Bestellung aufgibt: „Ich will genau das, was sie hatte“.

Auch dieser Neiderin geht es nicht um den Besitz an sich, sondern um die Konsequenzen, die an den Besitz gekoppelt sind. „Was immer es war, das Meg Ryan bestellt hat – wenn es zu einem solchen Ergebnis führt, will ich das auch.“ Wir unterstellen dem begehrten Gut Gewinn bringende Eigenschaften für dessen Besitzer. Allerdings sind diese für jeden Neider verschieden – ein und demselben Gut unterstellen verschiedene Neider sehr verschiedene Wirkungen. Am Beispiel des Besitzes von Geld lässt sich das ganz trefflich illustrieren: Viel Geld bereitet mir ein sorglosen Leben. Viel Geld eröffnet mir den Zugang zu Luxusartikeln. Viel Geld ermöglicht mir, meine Freunde einzuladen. Viel Geld erlaubt das Verreisen in die weite Welt.

Durch diese relative Willkür, was die Neidanlässe betrifft, kommt es im Alltag nicht selten zu dem Phänomen, dass wir jemanden um Dinge beneiden, die er zwar besitzt, die ihm aber faktisch wenig oder nichts bedeuten. Wir übertragen nämlich den psychischen Gewinn, den wir aus dem Besitz des Gutes ziehen würden, auf den beneideten Inhaber ohne uns je ernsthaft vergewissern zu wollen, ob das den Tatsachen entspricht.

In Liebesbeziehungen führt das regelmäßig zu Missverständnissen. Unausgesprochen unterstellen wir unserem Partner, er zöge diesen oder jenen Gewinn aus dem von uns so vermissten Besitz – ohne uns einmal dem Gedanken hinzugeben, dem anderen könnte der Besitz eine Last sein. So ist es durchaus nicht immer ein Gewinn, mit gewissen Talenten ausgestattet zu sein, um die andere einen beneiden. An die Talente sind besondere Anforderungen geknüpft. Bestimmte Erwartungen müssen erfüllt werden. Andere wachen darüber, dass jemand sein Talent nicht vergeudet. Genauso kann Geld eine schwere Last für den Selbstwert desjenigen sein, der es im Übermaß besitzt, wenn der Besitz nicht auf eigenem Verdienst beruht. Vieles hängt von der Vergleichsdimension ab, aus der heraus Besitzender und Nicht-Besitzender auf das Gut schauen.

Im Hinblick auf die angenommenen positiven Wirkungen eines von uns begehrten Gutes neigen wir sehr schnell dazu, von uns auf andere zu schließen. Wir sind in unserer Einschätzung noch dazu so sicher, dass wir es nicht einmal für nötig halten nachzufragen, ob die Einschätzung auch zutrifft. Das führt nach Jahren des guten Glaubens zu Aha-Erlebnissen, die den Partner in völlig neuem Licht erscheinen lassen: „Wie? Dir war es immer ein Gräuel, mit der Geige aufzutreten? Ich dachte, du hättest es genossen, von allen dafür gelobt zu werden …“ – „Siehst du, so wenig kennst du mich! Ich habe es von klein auf gehasst, mich herauszuputzen und vor allen Onkels und Tanten spielen zu müssen.“

Teil 20: Beinflussbare und nicht-beeinflussbare Neidanlässe
Exkurs: Neid und Eifersucht – nahe Verwandte
Teil 21: Wie kommt der Neid in die Liebesbeziehung?
Teil 22: Die neue Konkurrenz zwischen den Geschlechtern
Teil 23: So haben sich Liebesbeziehungen gewandelt
Teil 24: Frauen haben ein neues Rollenverständnis in der Liebesbeziehung

Neid in Partnerschaften – Literaturangaben

Exkurs: Sozialer Vergleich im Tierreich – Ein Versuch mit Kapuziner-Affen von Frans de Waal

Teil 1: Neid und Konkurrenz bei Paaren

Tipps: Dem Neid mit Gelassenheit begegnen
Tipps: Mehr Gelassenheit mit Wünschen und Bedürfnissen

Auf einer TED-Konferenz im Jahr 2011 in Atlanta/Georgia trat der holländische Verhaltensforscher Franz de Waal auf, um vom moralischen Verhalten bei Tieren zu berichten. Tiere seien ebenso wie Menschen in der Lage, Kooperationsbereitschaft zu zeigen, sich prosozial zu verhalten oder ein Gefühl für Fairness zu haben.

De Waal stellte in seinem Talk mehrere Videosequenzen von Versuchsanordnungen dar, in denen Tiere dazu gebracht werden konnten, die jeweiligen Verhaltensweisen bzw. die damit verbundenen Gefühle zu zeigen. Im Zusammenhang mit dem sozialen Vergleich und dem Neid-Gefühl, das ausgelöst wird, wenn der Vergleich um ein begehrtes Gut zu unseren Ungunsten endet, steht eine Videosequenz seines Vortrages, die große Heiterkeit beim Betrachter auslöst.

De Waal zeigt ein Experiment, dessen zentraler Bestandteil ein sozialer Vergleich zwischen zwei Kapuziner-Äffchen ist. Beide haben die Aufgabe, einen Stein aus dem Käfig zu geben und erhalten dafür eine Belohnung. Anfänglich bekommen beide ein Stück Gurke – und sind zufrieden. Ein Affe bekommt jedoch in der nächsten Runde eine Weintraube, der andere erneut ein Stück Gurke. Der Vergleich geht sehr zuungunsten des Gurkenempfängers aus – und der macht seinem Ärger deutlich Luft:

 

Ganz klar, in einem solchen Moment wäre auch ein 3-Jähriger wütend, wenn ein Anderer so bevorzugt würde. 5-Jährige verstehen sofort, was dem einen Kapuziner-Äffchen widerfährt: Der andere kriegt für die gleiche Leistung eine bessere Entlohnung. Das ist ungerecht. Als Erwachsener verstehe ich auch den neidischen Impuls, der sich durch das Wegwerfen des Gurkenstücks ausdrückt: Bewirf die Verantwortliche für die schreiende Ungerechtigkeit mit dem minderwertigen Gut, das sie dir unterjubeln wollte, während der am Nebentisch (im anderen Käfig) süße Trauben für den Job kriegt.

Ein Experiment, das den Ärger, die Wut über soziale Ungerechtigkeit und Ungleichheit perfekt deutlich macht. Und ein Beleg dafür, dass es genügend Situationen gibt, in denen der Neid signalisiert: Das ist nicht hinnehmbar, wehr Dich!

Den vollständigen Vortrag (16 Minuten) gibt es hier. De Waal präsentiert weitere Beispiele tierischen Verhaltens, Sequenzen zur Kooperationsbereitschaft bei Elefanten und prosozialem Verhalten bei Affen.

 

Teil 19: Anlässe für Neid in Liebesbeziehungen
Teil 20: Beinflussbare und nicht-beeinflussbare Neidanlässe
Exkurs: Neid und Eifersucht – nahe Verwandte

Tipps: Mehr Gelassenheit mit Wünschen und Bedürfnissen

Teil 1: Neid und Konkurrenz bei Paaren

Teil 14: Neid in sozialen Beziehungen: Kulturelle und psychologische Grundlagen
Teil 15: Neid: Wie Tradition und Innovation sich blockieren
Teil 16: Sozialer Vergleich – Wurzel allen Übels?
Teil 17: Sozialer Vergleich bildet Identität
Teil 18: Neid braucht die Beziehung
Tipps: Dem Neid mit Gelassenheit begegnen

  • Erfüllen Sie sich Ihre Wünsche nacheinander.
  • Trennen Sie zwischen kurzfristigen, mittelfristigen und langfristigen Wünschen.
  • Lassen Sie sich nicht von Ihren Wünschen überfluten.
  • Auch wenn es noch so verlockend ist: Gehen Sie keine materiellen Risiken ein.
  • Gönnen Sie sich den Luxus, sich auch einmal von einem Wunsch zu verabschieden.
  • Klären Sie das Verhältnis zwischen dem Aufwand, den Wunsch zu befriedigen, und dem Nutzen, wenn der Wunsch befriedigt ist.
  • Fragen Sie sich, ob das Bedürfnis tatsächlich Ihr eigenes ist, oder ob es von außen an Sie herangetragen wurde.
  • Fragen Sie sich, ob es auch andere Wege gibt, das Bedürfnis zu befriedigen, als die von Ihnen bereits anvisierten.
  • Schätzen Sie vorher ab, worauf Sie später verzichten müssen, wenn Sie jetzt dieses Bedürfnis befriedigen.
  • Fragen Sie sich, ob die Wunscherfüllung zwar kurzfristig zufriedener macht, aber langfristig weiterhin alle Wünsche offen bleiben.
  • Versuchen Sie herauszufinden, ob das Bedürfnis, das Sie nun erfüllt wissen wollen, tatsächlich jenes Verlangen stillt, das Sie umtreibt.

Exkurs: Neid im Tierreich – Ein Versuch mit Kapuziner-Affen von Frans de Waal
Teil 19: Anlässe für Neid in Liebesbeziehungen
Teil 20: Beinflussbare und nicht-beeinflussbare Neidanlässe
Exkurs: Neid und Eifersucht – nahe Verwandte

Tipps: Dem Neid mit Gelassenheit begegnen

Teil 1: Neid und Konkurrenz bei Paaren

Teil 14: Neid in sozialen Beziehungen: Kulturelle und psychologische Grundlagen
Teil 15: Neid: Wie Tradition und Innovation sich blockieren
Teil 16: Sozialer Vergleich – Wurzel allen Übels?
Teil 17: Sozialer Vergleich bildet Identität
Teil 18: Neid braucht die Beziehung

Sie gewinnen ein wenig Distanz und Gelassenheit gegenüber dem eigenen Neid, wenn Sie

  • zunächst einschätzen, ob der Neid Sie vorübergehend ereilt oder dauerhaft an Ihnen nagt;
  • sich sehr genau fragen, ob Sie tatsächlich genau das begehren, was der andere hat – oder ob ihr Neid nicht andere Ursachen hat;
  • erkennen, was Sie verändern können und was nicht;
  • unterscheiden, was Sie verändern wollen, von dem, was Sie verändern können;
  • sich auf eigene Wünsche und Bedürfnisse konzentrieren;
  • versuchen, sich auf Ihre eigene Weise Gutes zu tun, wie
  • es der Beneidete offenkundig für sich tut;
  • die Neid auslösende Situation aus der Perspektive des Beneideten betrachten;
  • sich klar machen, welchen Preis der Beneidete für das Gut zahlt;
  • den Blick von dem begehrten Gut auf etwas verschieben, das Sie tatsächlich erlangen können;
  • sich klar machen, dass immer auch Schwierigkeiten daran gebunden sind, sich Träume, Bedürfnisse, Wünsche zu erfüllen.

Tipps: Mehr Gelassenheit mit Wünschen und Bedürfnissen
Exkurs: Neid im Tierreich – Ein Versuch mit Kapuziner-Affen von Frans de Waal
Teil 19: Anlässe für Neid in Liebesbeziehungen
Teil 20: Beinflussbare und nicht-beeinflussbare Neidanlässe
Exkurs: Neid und Eifersucht – nahe Verwandte

Neid in Partnerschaften: Literaturangaben

Neid braucht Beziehung – und auch nicht

Teil 11: Aus der Sprachlosigkeit finden, wenn Neid die Stimmung trübt
Teil 12: Fragen zum eigenen Neid, die sich zu stellen lohnen
Teil 13: Produktiver Umgang mit Neid erwünscht
Teil 14: Neid in sozialen Beziehungen – kulturelle und psychologische Grundlagen
Teil 15: Neid: Wie Tradition und Innovation sich blockieren
Teil 16: Der soziale Vergleich als Wurzel des Übels?
Teil 17: Sozialer Vergleich bildet Identität

Empfinden wir Neid, beruht das auf dem (für uns ungünstigen) sozialen Vergleich mit einem Menschen, der uns ähnlich ist und mit dem wir uns identifizieren können. Derjenige muss uns in irgendeiner Weise berühren können, auch wenn er uns nicht nahe steht, ja wir ihn vielleicht nicht einmal kennen. Fremde, die uns nicht berühren, können noch so viel von dem besitzen, was wir auch gern hätten: Der Vergleich löst in den meisten Fällen keine emotionale Reaktion aus.

Das Ähnlichkeitsgebot ist eine Voraussetzung für den sozialen Vergleich. Um tatsächlich neidisch zu sein, brauchen wir jedoch eine Beziehung. Oder besser: Der Neid braucht die Beziehung – und kommt doch völlig ohne sie aus. Ohne einen anderen Menschen, auf den wir uns beziehen können, den wir um seine Talente, Fähigkeiten oder Chancen beneiden können, gäbe es keinen Neid. Und doch geschieht es, dass derjenige, auf den wir uns beziehen, auf den wir neidisch sind, nichts von unserem Neid bemerkt.

Das erscheint mir als das Beziehungsparadoxon des Neides: in Beziehung zu sein, ohne in Beziehung zu sein. Neid ist das einsamste Beziehungsgefühl, das unser emotionales Spektrum zu bieten hat, denn Neid schließt wechselseitige Gefühle aus. In den meisten Fällen wollen wir nicht, dass der Beneidete uns als Neider erkennt. Damit unterscheidet sich der Neid grundlegend von Trauer, Wut oder Angst, die meist entweder in der Abgeschiedenheit der Einsamkeit oder bezogen auf andere auftauchen, kaum jedoch gleichzeitig beide Seiten in uns ansprechen. Auch andere Gefühle wie Zuneigung und Bewunderung leben von der Hinwendung zum anderen, werden durch diesen gestärkt und im besten Fall erwidert.

Für Angst, Wut und Trauer genügen äußere Anlässe, materielle Verluste, sicher auch menschliche Auslöser. Doch wir brauchen andere Menschen nicht notwendigerweise für diese Gefühle. Neid dockt immer an einen Menschen an. „Der Fürst der Galle“, wie ihn der Psychoanalytiker Wolfgang Krüger nennt,9 giert nach den Eigenschaften des anderen, nach seiner Attraktivität, seinen Fähigkeiten und Fertigkeiten, nach seiner sozialer Kompetenz, nach seinen besonderen Lebensumständen. Theoretisch ist es denkbar, dass wir auch auf uns selbst neidisch sind, wenn wir etwa im hohen Alter auf die eigene Jugend zurückschauen – aber dieses eher seltene Phänomen halte ich an dieser Stelle für vernachlässigbar.

Um neidisch zu sein, brauchen wir ein menschliches Gegenüber, das wir beneiden können. Und doch sind wir eingesperrt in einer Art emotionalem Gefängnis, einsam, beschämt, zurückgeworfen auf die eigene Minderwertigkeit und das Mangelerleben und ohne Chance, uns des Beneideten rückzuversichern. Der wahrgenommene Mangel, das ungestillte Begehren macht uns zu klein, um uns mit dem anderen als gleichwertig zu verbinden.

Obwohl das Gefühl aus der Beziehung resultiert, verbaut es uns zunächst den Weg hinein in die Beziehung. Es stört, schafft Distanz, weckt Scham, signalisiert Unterlegenheit. Gleichzeitig erinnert es uns an Autonomie, eigene Bedürfnisse, Ziele und Hoffnungen, die wir für den eigenen Lebensentwurf hegen. So vermag uns der Neid auf den Partner, den wir plötzlich empfinden, bewusst zu machen, dass wir es versäumt haben, uns um uns selbst zu kümmern.

Damit wird der Neid zum Signal, daran etwas zu verändern. So sehr wir das Gefühl vor unserem Beziehungspartner verbergen müssen, weil wir uns dafür schämen, so deutlich richtet sich die Botschaft an uns selbst:

  • Tu etwas! Handle!
  • Verbessere die Situation!
  • Erinnere dich der eigenen Träume!
  • Übernimm Verantwortung für dein Leben!

Vielleicht sehen wir den Beneideten schon auf dem Weg, das eine oder andere zu verwirklichen, von dem auch wir träumen. Unser Partner lernt Schlagzeug spielen, schließt sich einer Theatergruppe an oder befindet sich auf einer Reise, von der auch wir schon seit vielen Jahren träumen. Oder aber der Beneidete findet eine Arbeitsstelle, die einen entscheidenden Schritt in der Karriere darstellt. Oder er schwärmt von der guten Beziehung zu den Kindern, die uns selbst in den letzten Wochen wegen zu großer Geschäftigkeit abhanden gekommen ist.

Unser einsamer Neid inmitten der Beziehung wirft uns jedenfalls auf die Erkenntnis zurück, entweder sogleich tatkräftig etwas verändern zu müssen – oder eben die Fähigkeit zu entwickeln, den Dingen, die sich nicht einfach verändern lassen, gelassener gegenüber zu stehen.

Tipps: Dem Neid mit Gelassenheit begegnen
Tipps: Mehr Gelassenheit mit Wünschen und Bedürfnissen
Exkurs: Neid im Tierreich – Ein Versuch mit Kapuziner-Affen von Frans de Waal
Teil 19: Anlässe für Neid in Liebesbeziehungen
Teil 20: Beinflussbare und nicht-beeinflussbare Neidanlässe
Exkurs: Neid und Eifersucht – nahe Verwandte

Neid in Partnerschaften: Literaturangaben

Sozialer Vergleich bildet Identität

Exkurs: Schneewittchen und die sieben Zwerge
Teil 10: Neid trägt viele Kleiderc
Teil 11: Aus der Sprachlosigkeit finden, wenn Neid die Stimmung trübt
Teil 12: Fragen zum eigenen Neid, die sich zu stellen lohnen
Teil 13: Produktiver Umgang mit Neid erwünscht
Teil 14: Neid in sozialen Beziehungen – kulturelle und psychologische Grundlagen
Teil 15: Neid: Wie Tradition und Innovation sich blockieren
Teil 16: Der soziale Vergleich als Wurzel des Übels?

Durch diese sozialen Erfahrungen lernen wir, wie selbstverständlich es ist, uns miteinander zu vergleichen. Wir denken nichts Schlechtes dabei, denn wir brauchen den Vergleich in unseren Reifungsprozessen, um die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Welt erkennen und eine Haltung dazu einnehmen zu können. Das Kind vergleicht beispielsweise die Käsebrote und den Apfel, die es mit in den Kindergarten nimmt, mit dem Müsliriegel, den ein anderes Kind in der Tasche hat. Dann erkennt das Kind mit den Broten zunächst einmal, dass überhaupt die Möglichkeit besteht, an Stelle der Brote im Kindergarten Müsliriegel zu essen. Daraufhin begehrt das Kind die Müsliriegel des anderen, wenn diese ihm denn schmecken. Der Vergleich geht zu den eigenen Ungunsten aus – und die Mutter wird sich Gedanken machen müssen, wie sie die neuen Bedürfnisse des Kindes stillt und eventuellen Neid dämpft.

Auch Tiere konkurrieren ja schon miteinander, sei es um die attraktivste Gefährtin oder das prächtigste Geweih. Wir scheinen also naturnotwendig dazu verurteilt, uns zu beobachten und die Ergebnisse zu vergleichen. So bemerken wir die Unterschiede zwischen uns. Daran können auch alle gleichmacherischen Ideen der Weltgeschichte nichts ändern: Unterschiede zwischen uns sind ein wichtiges Merkmal der eigenen Identitätsbildung. Wir alle vergleichen von frühester Kindheit – und sollten es auch ohne schlechtes Gewissen tun.

Der Umkehrschluss nämlich, wir bräuchten uns nur alle nicht mehr mit anderen zu vergleichen, und schon verschwände der Neid aus der Welt, geht fehl. Er missachtet die Notwendigkeit, sich im Rahmen der eigenen Entwicklung aneinander zu orientieren und aufeinander zu beziehen. Denn erst im Vergleich bemerken wir, wie wir vielleicht selbst gern wären. Im Vergleich nehmen wir ein Talent wahr, das wir selbst gern hätten, das uns aber aus welchem Grund auch immer fehlt.

Je nach Vergleichsdimension und Richtung des Vergleiches findet eine Selbstbewertung statt: Vergleichen wir uns aufwärts, also mit jemandem, den wir als überlegen wahrnehmen, in einer Dimension, die für uns von großer Bedeutung ist, so droht Gefahr für die resultierende Bewertung, den Selbstwert. Für eine Frau etwa, die für Haushalt und Kinder verantwortlich ist, gern aber auch ihrem Beruf nachginge, ergibt sich aus einem Vergleich mit ihrem berufstätigen Mann eine negative Selbstbewertung – und eine Quelle von Neid. Allerdings ist eine solche Bewertung nicht zwangsläufig bedrohlich. Die Orientierung daran, was der andere beruflich tut, kann auch dazu motivieren, selbst Mittel und Wege zu finden, den eigenen Wiedereinstieg in den Beruf umzusetzen.

Vergleichen wir uns abwärts, also mit jemandem, den wir als unterlegen wahrnehmen, in einer Dimension, die für uns von großer Bedeutung ist, so entsteht daraus eine positive Einschätzung des Selbstwertes: Da geht es also jemandem schlechter als uns selbst. Da hat jemand größere Schwierigkeiten. Für eine Frau beispielsweise, die das Familieneinkommen nach Hause bringt, bewirkt ein Vergleich mit ihrem arbeitslosen Mann eher positive Selbstbewertungen. Allerdings enthält dieser Abwärtsvergleich auch bedrohliche Anteile, denn niemand ist vor Arbeitslosigkeit gefeit: Versetzt die Frau sich in ihren Mann, der arbeitslos ist, so könnte sie diese Vorstellung als beunruhigend erleben. Das könnte sie daran hindern, positive Gefühle aus dem Vergleich abzuleiten.

In manchen Fällen ist es uns möglich, durch die Wahl einer adäquaten Vergleichsdimension mitzubestimmen, ob wir zu einer positiven oder einer negativen Selbsteinschätzung gelangen. In vielen anderen Fällen laufen die Vergleiche eher automatisiert ab und lassen sich nicht steuern. Gerade bei Vergleichen, in denen wir immer wieder routiniert zu denselben neidmotivierten Ergebnissen kommen, ist es kaum möglich, einfach die Vergleichsdimension zu wechseln. Eine Ausnahme gibt es: Das Paar geht diesen Dimensionswechsel gezielt an. Doch dazu später mehr.

Teil 18: Neid braucht Beziehung – und auch nicht

Neid in Partnerschaften: Literaturangaben