Wahlcomputer tot

Nachdem der Hamburger Wahlstift Ende des Jahres 2007 spektakulär verstarb, erklärt nun heute das Bundesverfassungsgericht Wahlcomputer für tot. Ihr Einsatz bei der Bundestagswahl 2005 hat gegen das Gebot der öffentlichen Wahl verstoßen und war deswegen verfassungswidrig.

Der Zweite Senat hat entschieden, dass der Einsatz elektronischer Wahlgeräte voraussetzt, dass die wesentlichen Schritte der Wahlhandlung und der Ergebnisermittlung vom Bürger zuverlässig und ohne besondere Sachkenntnis überprüft werden können.

Das ist bei den heute verwendeten Wahlcomputern nicht möglich. Die Bundestagswahl 2009 findet also wieder ausschließlich auf Papier und mit farbechtem Stift statt.

Ich bin glücklich, in dem Land, in dem ich wähle, so ein Verfassungsgericht zu haben. Ein Dank an alle, die an der Vorbereitung und Umsetzung der Verfassungsbeschwerde mitgearbeitet haben.

Das Gericht schließt die Wahl mittels elektronischer Geräte allerdings nicht grundsätzlich aus. Es weist zudem die Wahlanfechtung der Wahl 2005 zurück und erklärt deren Ergebnis für gültig. Das trübt jedoch meine große Freude nicht.

Zum Schluss ein paar Links zum Thema:

Wahlmaschinen bei Hessenwahl
Hamburger Wahlstift im ZDF
Wahlstift – Nachbetrachtung
Wahlstift tot
Hallo Wahlstift!
Wahlstift vor dem Ende?
Holland wählt Papier
Hamburger Wahlstift
Wie sicher ist elektronisches Wählen?
Wahlmaschinen: Nein, danke!

Wahlmaschinen bei Hessen-Wahl

Der Chaos Computer Club, der die Landtagswahlen in Hessen und vor allem den Einsatz der Wahlmaschinen beobachtet hat, berichtet vom fahrlässigen Umgang mit den NEDAP-Computern:

„In zwei Wahllokalen waren Wahlbeobachter des CCC für längere Zeit alleine mit den bereits angelieferten Wahlcomputern, bevor der Wahlvorstand eintraf. Manipulationen hätten problemlos vorgenommen werden können.“

Die Erklärung des CCC in vollem Umfang: Schwerwiegende Wahlcomputer-Probleme bei der Hessenwahl – Wahleinsprüche und Nachwahlen erwartet.

Hessen darf Wahlmaschinen einsetzen

Anfang des Jahres klagte ein betroffener Wähler gegen den Einsatz von NEDAP-Wahlcomputern bei der hessischen Landtagswahl am kommenden Sonntag (27.01.08). Der hessische Staatsgerichtshof in Wiesbaden hat entschieden: Wahlmaschinen dürfen bei der hessischen Landtagswahl zunächst eingesetzt werden.

Aus der Pressemitteilung des Staatsgerichtshofes (pdf): „Bedenken gegen den Einsatz der Wahlcomputer können daher prinzipiell erst nach der Wahl im Rahmen des Wahlprüfungsverfahrens überprüft werden. Zuständig dafür ist das Wahlprüfungsgericht. Erst gegen dessen Beschluss kann der Staatsgerichtshof angerufen werden.

Klage gegen Wahlmaschinen in Hessen

Der Chaos Computer Club hat einem Bericht der Frankfurter Rundschau zufolge, Klage beim Staatsgerichtshof in Wiesbaden eingereicht. Stellvertretend für den Club hat eine hessische Wählerin am vergangenen Freitag eine einstweilige Verfügung gegen den Einsatz der Wahlmaschinen bei der Landtagswahl beantragt. Die Wahl findet am 27.01.08 statt.

Hamburger Wahlstift im ZDF

In „Drehscheibe Deutschland“ im ZDF lief am vergangenen Montag ein Stück über den Digitalen Wahlstift. Irgendwie haarscharf vorbei an der aktuellen Debatte. Zu früh produziert, um die Entwicklungen der Vorwoche aufzunehmen. Nicht mal die Info, dass der Stift nach einer Entscheidung der Bürgerschaftsfraktionen im Februar definitiv nicht eingesetzt wird, ließ sich noch unterbringen. Journalistisch zudem recht unbedarft, weil Behauptungen des Landeswahlamtes ungeprüft gesendet werden.

Ich frage mich: Was wollte das ZDF seinen Mittagszuschauern damit sagen? Die Botschaft am Ende: Solche Systeme bräuchten Vertrauen. Aber warum sollten wir als Wähler einem Abstimmungserfassungsprozess vertrauen, den keiner durchschaut? Warum sollte ich mich einem System unterwerfen, dass ich nicht mehr kontrollieren kann?

Wahlstift – Nachbetrachtung

Der CDU-Obmann im Verfassungsausschuss Kai Voet van Vormizeele gibt nicht auf, wie das Hamburger Abendblatt berichtet: „Er bedauerte, dass die Diskussion über den Wahlstift mit „nicht nachgewiesenen Behauptungen“ geführt worden sei. Er plädierte dafür, die Stifte bei der Wahl verpflichtend zu nutzen, um die Hamburger ans System zu gewöhnen – als abschließendes Ergebnis aber nur die Handauszählung heranzuziehen.

Wahrscheinlich kommt VvV demnächst auf die Idee, die Stadt solle den CCC auf Schadenersatz verklagen. Der hat ja schließlich die schöne Wahlstift-Idee zugrunde gerichtet und die Kostenlawine (Landeswahlamt schätzt über 20 Mio. Euro) losgetreten. Dabei scheint niemand sehen zu wollen, was wir gewonnen haben: Rückkehr des Vertrauens in den Wahlvorgang. Eine deutlich geringere Gefahr von Wahlanfechtungsklagen. Und ein verhindertes Chaos, wenn am 24.02.08 der Öffentlichkeit eine Sicherheitslücke präsentiert worden wäre, die den gesamten Wahlgang ins Zwielicht setzte.

Dass weite Teile der politischen Klasse Frust schieben, ist nicht verwunderlich: Sie wurden vorgeführt. Ihnen ist in den vergangenen Wochen dokumentiert worden, dass sie die Wahlstift-Vorentscheidungen auf der Basis von Versprechungen und Hoffnungen, aber nicht von Wissen und fundiertem Verständnis getroffen haben. Ihnen ist ein System aus der Hand geschlagen worden, auf das sie geschworen haben bis zuletzt. Und das durch die Straße! Von einem Laden, der sich Chaos Computer Club nennt!

Und dieser Club, das empört die Berufspolitiker besonders, argumentiert politisch: Wehret den Anfängen. Ein intransparentes Abstimmungserfassungssystem hat bei demokratischen Wahlen nichts zu suchen. Hamburgs Wahlstiftanhänger sind in die Knie gezwungen worden von einer kleinen, aber feinen außerparlamentarischen Opposition: Die hat ihnen die Sicherheitsfäden aus der Argumentation heraus gelötet. So implodierte das ganze schöne Begründungsgebäude.

Doch das alleine hätte wahrscheinlich nicht gereicht. Politiker entscheiden ja sonst auch häufiger gegen die Faktenlage. Wieso also hat es so funktioniert, wie seit dem Easterhegg 2007 im Eidelstedter Bürgerhaus von den Beteiligten angedacht? Aus Sicht der Öffentlichkeit fand das allgemeine Misstrauen in solche Großtechniken Gehör ausgerechnet bei jenen, die ansonsten als technik-affin, als begeistert und digital innovativ gelten. Wahlen sind ein sensibler Bereich der Willensbildung – und Misstrauen in diesen Vorgang berührt die Grundfesten des Gemeinwesens.

Hinzu kommt das Hamburger Abendblatt. Die Journalisten der meist gelesenen Hamburger Tageszeitung zu überzeugen, war ein wichtiger Baustein. Das wiederum wäre nicht passiert, hätten die Journalisten selbst Zweifel am Zweifel gehabt. So schwoll die Masse an kritischen Informationen an – und die verantwortlichen Parlamentarier konnten nicht anders, als ihren eigenen Vorschlag in die Tonne zu treten – auch wenn VvV weiter maulen wird, dass alles nur behauptet und nicht bewiesen sei.

Ich bin sehr froh über diese gelungene Aktion. Dank an alle, die sich dafür engagiert haben!

Wahlstift tot

Die drei Fraktionen der Hamburger Bürgerschaft haben sich geeinigt: Der Wahlstift wird am 24.02.2008 nicht als Wahlgerät eingesetzt. Nicht einmal seine Rolle als Zählhilfe scheint noch gesichert – und dass, obwohl das Landeswahlamt bereits 12000 Stifte eingekauft hat.

Ein voller Erfolg der technischen Demonstration des CCC am 25.10. (CCC hackt Hamburger Wahlstift) und der Expertenanhörung vor dem Verfassungsausschuss am 09.11.

Bad Oeynhausen kauft NEDAP-Wahlmaschinen

Holland wählt wieder auf Papier, weil das holländische Innenministerium den NEDAP-Wahlmaschinen die Zulassung als Wahlgeräte entzogen hat. Völlig unbeeindruckt von solchen Nachrichten aus dem Rest der Welt hat nun der Wahlausschuss der Stadt Bad Oeynhausen beschlossen, 28 Wahlmaschinen dieser Firma anzuschaffen.

Ja, liebe Stadträte der Kurstadt Oeynhausen, die Ihr so sehr darauf setzt, dass von nun an alles preiswerter, effizienter und schneller erfasst und ausgezählt werden kann, was in Eurem Städtchen so gewählt wird: Sind Eure Gehirnwindungen Teflon-beschichtet? Perlen sämtliche kritischen Erwägungen und Überlegungen zu Wahlmaschinen an Euch ab? Nichts gehört von der Unmöglichkeit, die Stimmen nachzählen zu können? Nichts gehört vom Verstoß gegen die geheime Wahl? Nichts gehört von der Pflicht des Wahlveranstalters, reale Möglichkeiten vorzuhalten, ein Wahlergebnis überprüfen zu können?

Stadträte von Oeynhausen: Warum so gnadenlos fortschrittlich? Warum so komplett merkbefreit?

Fragt sich der Zettmann.

Wahlstift als Zählhilfe

Wie das Landeswahlamt heute in einer Pressemitteilung kundtut, wird das Digitale Wahlstiftsystem bei der Hamburger Bürgerschaftswahl am 24.02.2008 als Zählhilfe eingesetzt. Allein über die Handauszählung der Papierstimmen wird das gültige Ergebnis ermittelt. Mit dem Wahlstift nimmt das Landeswahlamt einen großflächigen Feldversuch vor. Immerhin hat die Landeswahlleitung schon 12000 Stifte beschafft.

So sehen wir uns mit Kuriosum konfrontiert, dass parallel zwei Auszählungen (eine schnelle, eine langsame) stattfinden. Frage: Welche Bedeutung haben dann die Unterschiede zwischen den beiden Zählsystemen?

Wahlstift-Nachrichten 6

Pressestimmen nach der Anhörung im Verfassungsausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft am Freitagabend:

Hamburger Abendblatt (10.11.2007): Wahlstift wieder auf dem Prüfstand
NDR (10.11.2007): Wahlstift erneut auf dem Prüfstand
Heise.de (10.11.2007) Für den Wahlstift „ist die Zeit nicht reif“