Wenn Außenminister Steinmeier die Metapher verrutscht

Drei deutsche Spitzenpolitiker/innen treten auf der 50. Münchener Sicherheitskonferenz auf, ein paar Wochen, nachdem die Große Koalition sich gefunden hat. Sie verkünden konzertiert, dass sich die Rolle der deutschen Außenpolitik in der Welt verändern soll.

Der Bundespräsident hat es in seiner Eröffnungsrede gesagt: „Die Bundesrepublik sollte sich als guter Partner früher, entschiedener und substantieller einbringen.“

Auch Ursula von der Leyen (UvdL) spricht davon, dass wir uns stärker engagieren müssen. Sie sagte in ihrer Rede: „Und diese Krisen und Konflikte appellieren an unser humanitäres Gewissen, nicht diejenigen im Stich zu lassen, die am meisten leiden. Daher ist Abwarten keine Option.“ Sie verneint, dass es nur darum geht, auf das ganze militärische Spektrum zu setzen und fährt fort: „Aber es bedeutet, dass wir die Verpflichtung und die Verantwortung haben, unseren Beitrag zu einer schrittweisen Lösung der aktuellen Krisen und Konflikte erbringen. Gleichgültigkeit ist für ein Land wie Deutschland keine Option, weder aus sicherheitspolitischer noch aus humanitärer Sicht.“

Schließlich stimmt auch Außenminister Steinmeier in das Konzert ein: „Der Einsatz von Militär ist ein äußerstes Mittel. Bei seinem Einsatz bleibt Zurückhaltung geboten. Allerdings darf eine Kultur der Zurückhaltung für Deutschland nicht zu einer Kultur des Heraushaltens werden. Deutschland ist zu groß, um Weltpolitik nur von der Außenlinie zu kommentieren. Entscheidend ist aber vor allem anderen, dass wir gemeinsam mit anderen intensiver und kreativer darüber nachdenken, wie wir den Instrumentenkasten der Diplomatie ausstatten und für kluge Initiativen nutzbar machen.“

Leider verirrt sich der Außenminister (wider besseren Wissens?) in seinem Sprachbild, wie die folgende Tabelle zeigt, die sich mit Hilfe von Bundeswehrdaten zusammstellen ließ:

bundeswehr-einsatz-weltweit

Ein Land, das im Januar 2014 weltweit 4884 Soldaten im Einsatz hat, kann schwerlich als eines bezeichnet werden, das an der Außenlinie der Weltpolitk steht und kommentiert. Hier verrutscht dem Außenminister die Metapher – und ich werde hellhörig: Wenn er tatsächlich so ein Bild von Deutschland hat, wohin möchte der Außenminister das Land steuern? Auch Gaucks und von der Leyens Ansichten über Deutschland zeugen davon, dass sie mit der aktuellen Rolle Deutschlands international alles andere als glücklich sind.

2010 ist mal ein frustrierter Horst Köhler als Bundespräsident zurückgetreten, der im Grunde kaum etwas anderes gesagt als heuer der Herr Gauck, Frau von der Leyen oder Herr Steinmeier. Was hat sich in diesen dreieinhalb Jahren verändert? Worauf will das deutsche Redner-Trio hinaus?

In den drei Reden habe ich nichts darüber gelesen, welche Interventionspolitik pure Symptombekämpfung ist, wahlweise auch nachgelagerte Linderung von Problemen und Konflikten, die der Westen ko-verursacht hat. Alle drei drücken sich um die Frage, wie echte Prävention in der internationalen Zusammenarbeit aussehen könnte. Ich habe nichts darüber erfahren, inwieweit sich Deutschland aktiv an der Beseitigung der Ursachen von Krieg, Armut, Hunger, Ausbeutung, Umweltverschmutzung, Flüchtlingsbewegungen beteiligen möchte.

Stattdessen solle Deutschland ein guter Partner sein, der mehr Verantwortung übernimmt. Alle drei sind sich im Tenor einig: Deutschland profitiere von dieser globalisierten Ordnung in erheblichen Maße, ja mehr als andere, und müsse deshalb mehr dafür tun, diese offene Welt-Ordnung zu erhalten (Gauck). Eine mächtige Wirtschafts- und Handelsnation muss eben helfen, die Seewege zu sichern, Handelsschranken abzubauen (TTIP), unnötige Bürgerkriege in schwachen Ländern (Mali, Zentralafrikanische Republik) zu unterbinden. In starken Ländern (Syrien) ist das unmöglich, weil dort noch mächtigere Interessen wirken (Saudi-Arabien, Iran, al-Qaida), die das Land im Klammergriff halten.

Welche Rolle spielt diese offene Weltordnung? Dient sie nicht in erster Linie denjenigen, die ihre Umweltprobleme verlagern, billige Arbeitskräfte ausbeuten und preiswerte Rohstoffe einkaufen können? Unsere westlichen Gesellschaften sind aufgeräumt und nach den neuesten Umweltstandards organisiert. Gift, Dreck, gesundheitsschädliche Arbeitsabläufe übernehmen andere für uns. Schöne, neue Welt der globalen Arbeitsteilung.

Zwar betonen alle, bei ihren Überlegungen stünden militärische Erwägungen überhaupt nicht im Zentrum. Aber alle bleiben eine ordentliche Analyse der Konflikte schuldig. Wir erfahren nichts über die Vielfalt der globalen, politischen Abhängigkeiten und deren Wirkungen und Nebenwirkungen. Zunächst soll Deutschland einfach schon mal mit einer neuen Rolle in Vorleistung gehen. Was bedeutet aber mehr Verantwortung, wenn es nicht um die Militäroption, sondern um kreative Diplomatie geht?

Herr Steinmeier, Frau von der Leyen, Herr Gauck: Bitte erklären Sie uns, was Sie meinen, wenn Sie Deutschlands Rolle verändern wollen.

Gut, dass es Ihnen nicht um mehr Auslandseinsätze der Bundeswehr geht. Deren Ausweitung wird von 61 Prozent der Bevölkerung abgelehnt.