Hamburger Wahlstift im ZDF

In „Drehscheibe Deutschland“ im ZDF lief am vergangenen Montag ein Stück über den Digitalen Wahlstift. Irgendwie haarscharf vorbei an der aktuellen Debatte. Zu früh produziert, um die Entwicklungen der Vorwoche aufzunehmen. Nicht mal die Info, dass der Stift nach einer Entscheidung der Bürgerschaftsfraktionen im Februar definitiv nicht eingesetzt wird, ließ sich noch unterbringen. Journalistisch zudem recht unbedarft, weil Behauptungen des Landeswahlamtes ungeprüft gesendet werden.

Ich frage mich: Was wollte das ZDF seinen Mittagszuschauern damit sagen? Die Botschaft am Ende: Solche Systeme bräuchten Vertrauen. Aber warum sollten wir als Wähler einem Abstimmungserfassungsprozess vertrauen, den keiner durchschaut? Warum sollte ich mich einem System unterwerfen, dass ich nicht mehr kontrollieren kann?

Wahlstift tot

Die drei Fraktionen der Hamburger Bürgerschaft haben sich geeinigt: Der Wahlstift wird am 24.02.2008 nicht als Wahlgerät eingesetzt. Nicht einmal seine Rolle als Zählhilfe scheint noch gesichert – und dass, obwohl das Landeswahlamt bereits 12000 Stifte eingekauft hat.

Ein voller Erfolg der technischen Demonstration des CCC am 25.10. (CCC hackt Hamburger Wahlstift) und der Expertenanhörung vor dem Verfassungsausschuss am 09.11.

Wahlstift als Zählhilfe

Wie das Landeswahlamt heute in einer Pressemitteilung kundtut, wird das Digitale Wahlstiftsystem bei der Hamburger Bürgerschaftswahl am 24.02.2008 als Zählhilfe eingesetzt. Allein über die Handauszählung der Papierstimmen wird das gültige Ergebnis ermittelt. Mit dem Wahlstift nimmt das Landeswahlamt einen großflächigen Feldversuch vor. Immerhin hat die Landeswahlleitung schon 12000 Stifte beschafft.

So sehen wir uns mit Kuriosum konfrontiert, dass parallel zwei Auszählungen (eine schnelle, eine langsame) stattfinden. Frage: Welche Bedeutung haben dann die Unterschiede zwischen den beiden Zählsystemen?

Wahlstift-Nachrichten 6

Pressestimmen nach der Anhörung im Verfassungsausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft am Freitagabend:

Hamburger Abendblatt (10.11.2007): Wahlstift wieder auf dem Prüfstand
NDR (10.11.2007): Wahlstift erneut auf dem Prüfstand
Heise.de (10.11.2007) Für den Wahlstift „ist die Zeit nicht reif“

Experten zweifeln am Wahlstift

Aus der heutigen Anhörung vor dem Verfassungsausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft nehme ich drei Erkenntnisse mit:

1. Ich habe mich geirrt. Gestern habe ich behauptet, aller Voraussicht nach wird heute das Todesurteil über den Wahlstift gefällt. Hätte ich mich besser informiert, wäre ich nicht auf die Idee gekommen: Im Zuge der Anhörung war nie vorgesehen, am selben Tag eine Entscheidung herbeizuführen.

2. Der Chaos Computer Club offenbart per Videodokumentation (mp4) eine weitere Schwäche im technologischen Potpourri rund um den Wahlstift – und enttäuscht dennoch die Erwartungen der Anwesenden. Offenbar sind die Sehnsüchte nach spektakulären öffentlichen Auftritten des CCC so hoch, dass es ausgesprochen geschickt ist, diese Erwartungen eben nicht zu bedienen. Oder wie Frank Rieger, einer der maßgeblichen Wahlstift-Analysierer bei der Anhörung sagt: „Wir machen kein Showhacking. Wir machen Sicherheitsanalysen.“

3. Die deutliche Mehrheit der eingeladenen IT-Experten übt verhaltene bis massive Kritik an Konzept und Umsetzung der Idee, mit Hilfe eines digitalen Wahlgerätes Wählerstimmen zu erfassen.

Update, 14.11.07

Eine ausführliche Darstellung der Expertenanhörung findet sich hier auf netzpolitik.org

Hallo Wahlstift!

Deine sturzgeborene Existenz geht zu Ende, bevor Du richtig ins demokratische Leben eintreten konntest. Manche Deiner Geburtshelfer distanzieren sich von Dir (GAL) oder stellen Dir unerreichbare Bedingungen für das weitere Überleben (SPD). Andere (CDU) halten an Dir fest, weil Sie denken, einfach nicht mehr ohne Dich auskommen zu können. Wieder andere (Willi Beiß, Landeswahlleiter) glauben weiterhin an Deine Qualitäten – obwohl Sie dem aufmerksamen Betrachter leider noch nie auffallen mochten.

Nun ist für den morgigen Freitag eine Anhörung vor dem Verfassungsausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft angesetzt, die aller Voraussicht nach Dein Todesurteil sein wird. Der Chaos Computer Club wird aktive Sterbehilfe leisten – und Dich und uns von allen Qualen erlösen.

Ruhe in Frieden. Möge Dein Schicksal wie das Deiner großen Schwester, der NEDAP-Wahlmaschine, ein abschreckendes Beispiel sein.

Weitere Stimmungsberichte:

Spiegel Online: Digitaler Wahlstift: Hamburger ignorieren Ihre Schnupperwahlen
Die Welt: Hacker entscheiden über den digitalen Wahlstift
taz: Handauszählung kostspielig

SPD bedingt für Wahlstift

Im politischen Wettrennen um die biegsamste Flexibilität und die am wenigsten angreifbare Standpunktlosigkeit hat sich die Hamburger SPD wieder einen beeindruckenden Vorsprung erarbeitet: Das Hamburger Abendblatt zitiert heute SPD-Fraktionschef Michael Neumann, der die Bedingungen der SPD für die Zustimmung zum digitalen Wahlstift benennt:

– Wenn alle technischen Bedenken ausgeräumt werden können,
– alle drei Bürgerschaftsfraktionen gemeinsam für den Stift stimmen und
– die Wähler der neuen Technik vertrauen.

Anstatt klar zu sagen, lasst uns in Ruhe mit dem Mist (Ok, den Mist, den wir selber mal wollten, aber wir sind ja lernfähig…), bringt es die SPD fertig, drei unerreichbare Bedingungen zu formulieren, nur damit ihr später niemand die Verantwortung für die Konsequenzen in die Schuhe schieben kann. Wir hätten ja gewollt, aber unsere Bedingungen liessen sich nicht erfüllen…

So schlecht es angesichts der SPD-Bedingungen um den Wahlstift bestellt ist, so schlecht ist es um eine SPD bestellt, die sich so defensiv und ängstlich verhält – und bis zuletzt nach allen Seiten offen sein möchte.

Merke: Wer nach allen Seiten offen ist, ist nicht ganz dicht!

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Hamburger Wahlstift

Wahlstift vor dem Ende?

Wie die TAZ in ihrer morgigen Ausgabe (05.11.07) schreibt, gibt es in der Hamburger SPD-Fraktion nur noch einen Wahlstiftbefürworter:

„Wie die taz aus SPD-Fraktionskreisen erfuhr, votiert nur noch ein SPD-Abgeordneter für den Wahlstift. Damit wäre die allein regierende CDU einzige Befürworterin des Geräts. Zwar haben SPD und Grüne Alternative Liste nur 57 Stimmen und die Union 63. In der SPD rechnet man aber offenbar damit, dass die CDU den Stift nicht gegen den Willen der anderen Fraktionen durchsetzen wird.“

CDU-Wahlstiftfan van Vormizeele hat schon öffentlich angekündigt, den Stift nicht gegen die anderen Parteien durchsetzen zu wollen. Das Hamburger Abendblatt zitiert ihn am 26.10.07 so: „Wir wollen den Einsatz des digitalen Wahlstiftes nach wie vor nicht im Alleingang durchsetzen.

Wenn also die taz nicht völlig daneben liegt, haben die letzten Stündchen des digitalen Wahlstiftes geschlagen, zumindest in Hamburg.

Wahlstift-Nachrichten 5

Manche Medien tun sich selber keinen Gefallen, wenn sie über bestimmte Themen berichten, die den federführenden Journalisten intellektuell überfordern. Oder der das Stück einfach nur grottig recherchiert…

So misslang heute dem „Tagesspiegel“ ein Beitrag zum Hamburger Wahlstift gründlich. Allein der Satz „Der Stift, der einem Kugelschreiber täuschend ähnlich sieht, wird in den Wahlkabinen in einem Auslesegerät stecken“ entlarvt den Journalisten Stürzenhofecker. Er hat nicht geblickt, wie das System funktioniert. Das Auslesegerät wird aus gutem Grund nicht in der Wahlkabine stehen. Denn da könnte ja jeder unbehelligt seinen eigenen Stift ins Lesegerät stecken…

Ich fürchte, solche Texte spielen den Befürwortern des Wahlstiftunsinns in die Hände. Leider hat „Die Zeit“ auf ihrer Online-Seite diesen Mist auch noch übernommen. Qualitätsjournalismus á la Holtzbrinck. Ich wünsche dem Hamburger SPD-Spitzenkandidaten Michael Naumann (beurlaubter Mitherausgeber „Die Zeit“) bessere Informanten als diesen Journalisten…

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Wahlstift und die CDU –

eine Liebe bar jeder Vernunft…

Die GAL hat die Seiten gewechselt, die SPD wartet ab, was da noch so ans Tageslicht kommt über das Hamburger Digitale Wahlstiftsystem – und die CDU?

Die Mehrheitspartei im Hamburger Parlament steht, befeuert von Ihrem Wahlstift-Chefdenker Kai Voet van Vormizeele (VvV), bis heute treu zum Wahlstift. Obwohl die Präsentation des Chaos Computer Club die prinzipielle Unsicherheit des Wahlstiftes dokumentiert, hat VvV „keinen Zweifel daran, dass der Wahlstift ein sicheres System ist„.

Mehr als ein unsicheres Wählsystem fürchtet VvV nämlich, die kumulierten und panaschierten Stimmen könnten innerhalb von drei Wochen nach der Wahl nicht ausgezählt sein. Doch so wie die Liebe zum Stift ist auch die Befürchtung nicht verfassungsfristgerecht auszuzählen bar jeder Vernunft: Es gibt bundesweit keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass ein komplettes Handauszählen von kumulierten und panaschierten Stimmen drei Wochen dauert.

Alles nur Populismus?