Der neue heiße Scheiß – ChatGPT

Die im Beta-Status freigelassene Chatumgebung ChatGPT (Chat Generative Pre-Trained Transformer) von OpenAI hat auch mich in den Bann gezogen. Seit ich mich Mitte der 1990er Jahre erstmals via Telnet mit dem Chatterbot ELIZA ausgetauscht habe, faszinieren mich responsive Umgebungen, die (nahezu) unvorhersehbar reagieren.

ELIZA war in den 1960ern von Joseph Weizenbaum gecodet worden, um seinen Informatikstudierenden das Objekt-orientierte Programmieren näher zu bringen. Dass er damit einen beziehungsfähigen Algorithmus erschuf, war anfänglich nicht mal Weizenbaum selber klar. Immerhin räumte er ein, dass der gesprächspsychotherapeutische Ansatz, wie er von Carl Rogers entwickelt worden war, als Blaupause für die Responsiveness von ELIZA gedient hatte. Den Turing-Test allerdings konnte ELIZA nicht bestehen.

Zu der Zeit in den 1990ern waren auch so genannte Multi-User Dimensions (MUDs) ein großer heißer Scheiß, auf die sich die Nerds der Zeit stürzten: Welten bauen, Figuren erschaffen, Rollen spielen. Alles auf ASCII, die Bilder entstanden zwischen den Ohren. Umgebungen, in denen Rollenspielcharaktere text-basierte Phantasiewelten erschufen. Figuren bewegen, die Gesetze der Physik außer Kraft setzen und andere User mit Tricks, Zauberwerkzeugen oder Rätseln in der Umgebung halten. Die Grundlagen des Metaversums und der Avatare wurden unter anderem in den MUDs entwickelt. Neal Stephenson lieferte 1992 die Textgrundlage: „Snow Crash“.

Social Media haben uns das Spielen von Rollen weiter erleichtert. Und die Umgebungen mit ihren Algorithmen ziehen uns magisch hinein in ihre Welten. Die Aufmerksamkeit zu fesseln, gehört zur DNA der rasanten digitalen Umwälzung, von ELIZA bis Facebook und TikTok.

Nun also ChatGPT.

Geht damit Wissenschaft? – meine Frage heute, über die Responsiveness hinaus. Turing könnte das Ding vielleicht schaffen, aber ich zweifele.

Fünf erste Erkenntnisse zu ChatGPT:

1. Ein Zeitgrab.
2. Don’t trust – das Ding erfindet doi und url, wenn der Nutzer solche Links anfordert.
3. Das Ding ist eine Über-KI, die auch Heuristiken und Schätzungen zu den eigenen Chatverläufen abgibt, anstatt sie einfach sortiert zusammenzufassen.
4. Die KI ist kreativ, aber for sure keine Suchmaschine (was auch niemand je behauptet hat, der an der Entwicklung beteiligt war).
5. Um die Bot auszuprobieren, sollte ein Thema gewählt werden, mit dem die User sich einigermaßen auskennen. Dann fällt die Verschleierungsmasche eher auf – bzw. das Ergebnis der eingebauten Höflichkeit, möglichst häufig eine Antwort Im Sinne der User zu produzieren.

Alles in allem: Wer sich darauf einlässt, hat viel Spass und kann einiges lernen, aber Zeit braucht der Konversation auf jeden. Zwar ist die Beziehung zu ChatGPT kaltstartfähig, aber der Bezug zu den inneren Werten eröffnet sich auch hier erst im Laufe der Zeit.