Novartis verliert Patentschutzstreit in Indien

In einem wegweisenden Urteil hat der Oberste Gerichtshof Indiens eine Patentklage des Schweizer Arzneimittel-Herstellers Novartis zurückgewiesen. Damit ermöglicht das Gericht indischen Generika-Herstellern, das Medikament Glivec zu einem weit geringeren Preis zu vertreiben als das Original-Präparat – laut BBC News liegt der Unterschied zwischen $2600 für das Original und $175 für die Kopie.

Auch 175 Dollar (pro Monat) sind in Indien ein großer Haufen Geld – und Novartis behauptet tapfer in der eigenen Pressemitteilung als Reaktion auf das Urteil, über 9 von 10 Patienten mit entsprechender Indikation (bestimmte Leukämie-Formen) würden weiterhin im Rahmen eines speziellen Programms kostenfrei mit dem Medikament versorgt.

So sehr das Urteil ärmeren Patienten helfen mag, so sehr könnte es das Selbstverständnis der Industrie erschüttern: Hier wird nämlich ein Geschäftsmodell in seine Schranken gewiesen, das wegen seiner Scheininnovationen auch in Deutschland sehr umstritten ist. Das Patent für die Substanz, die Glivec zugrunde liegt (Imatinib), verlor 2005 den indischen Patentschutz. 2006 brachte Novartis das Medikament in kristalline Form und beanspruchte dafür ein neues Patent. Zugleich behauptete die Firma, die Substanz sei nun besser absorbierbar, ein Zusatznutzen sei erkennbar. Diese Behauptung wies das höchste indische Gericht in seiner ausführlichen Begründung zurück:

„There is, however, no material in the subject application or in the supporting affidavits to make any comparison of efficacy, or even solubility, between the beta crystalline form of Imatinib Mesylate and Imatinib Mesylate (non-crystalline).“

Dieses Urteil stärkt meine Hoffnung, dass auch die Zulassungsbehörden in Deutschland bzw. Europa mehr Interesse daran entwickeln, das Blendwerk der pharmazeutischen Industrie zu entlarven. Es muss das Bestreben der Kontrollbehörden werden, Scheininnovationen den Zugang in die solidarisch finanzierten Gesundheitskassen zu verwehren. Es ist nicht zu tolerieren, wenn das solidarische System der Krankenversicherung dazu missbraucht wird, die Renditeerwartungen der Pharma-Kapitalbesitzer zu erfüllen.

PS.: Laut Roter Liste kostet das Medikament in Deutschland gegenwärtig rund €3400 (nach aktuellem Kurs $4350).

CDU-Spahn offensiv gegen Korruption in der ambulanten Versorgung

Manchmal sind mir selbst die Unionschrstlichen sympathisch. Im Gegensatz zu den Sozen, die schwer damit beschäftigt sind, ihren Steinbrück zu kontrollieren, steigt die CDU gleich mal mit einem deftigen wie-reize-ich-die-FDP-Thema ins Wahljahr ein: Korruption bei Vertragsärzten in der ambulanten Versorgung.

Das nenne ich mal frisch voran und mutig ausgeteilt, wenn die F.A.Z. den jungen Wilden Jens Spahn sprechen lässt: „Spahn sagte, wahrscheinlich müsste erst mal fünf bis zehn Ärzten die Berufserlaubnis entzogen werden, bis bei allen die nötige Sensibilität einkehrt.

Klar, auch die SPD hatte im Zug des Urteils durch den Bundesgerichtshof vorgeschlagen, Bestechlichkeit unter Strafe zu stellen. Der BGH hatte zugunsten eines Vertragsarztes den Beschluss einer Vorinstanz ungültig erklärt: Ein Vertragsarzt sei weder Amtsträger noch Beauftragter der Krankenkassen. Deswegen könne er auch nicht wegen „Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr“ (StGB §299) verurteilt werden.

Die SPD unterschlug allerdings, dass die Hebel für die Bestrafung von Bestechlichkeit bereits in den Händen der Selbstverwaltung und der ärztlichen Standesorganisationen liegen, Stichwort Berufsrecht.

Da bisher allerdings nix passiert ist, berufsrechtlich bzw. von Seiten der Standesorganisationen, geht nun Jens Spahn in die Offensive. Die FDP wird das sicherlich nicht freuen. Das Publikum wird gespannt verfolgen, ob die Spahn’sche Attackelust beim Thema Korruption in der ambulanten Versorgung die Bundestagswahl überdauert.

Private Krankenversicherer verlieren vor Verfassungsgericht

Das Bundesverfassungsgericht hat in einer wichtigen Entscheidung die Verfassungsbeschwerde der privaten Krankenversicherer gegen das letzte Gesundheitsreformgesetz im wesentlichen abgewiesen:

(Zitat BVerfG)
1. Die Einführung des Basistarifs durch die Gesundheitsreform 2007 zur Sicherstellung eines lebenslangen, umfassenden Schutzes der Mitglieder der privaten Krankenversicherung ist verfassungsgemäß.

2. Der Gesetzgeber durfte zur Erleichterung des Versicherungswechsels und zur Verbesserung des Wettbewerbs in der privaten Krankenversicherung die teilweise Portabilität der Alterungsrückstellungen vorsehen.

3. Die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenkasse darf auf ein dreijähriges Überschreiten der Jahresarbeitsentgeltgrenze ausgedehnt werden.

4. Den Gesetzgeber trifft eine Beobachtungspflicht im Hinblick auf die Folgen der Reform für die Versicherungsunternehmen und die bei Ihnen Versicherten.

Das Urteil ist interessant, denn es schreibt den PKVen in die Bücher, dass ihr Geschäftsmodell nicht nur für die gesunden Versicherten ist, denen Sie Zugang zu ihrem System gewähren (via Risikoprüfung). Mit dem Basistarif entfällt die Risikoprüfung als Schutzwall gegen eventuell teurere, weil bereits kranke Versicherte. Die PKV darf sich also vor der Verantwortung gegenüber diesen Leuten nicht drücken.

Ersatzkassen gegen Zwang bei Hausarztmodellen

Nun melden sich die Krankenkassen zu Wort, um die Absicht der Regierung zu kritisieren, die Kassen zu zwingen, hausärztliche Versorgung anzubieten, Fristen dafür zu setzen und den Kassen bestimmte Vertragspartner (Hausarztverbände) dafür aufzunötigen.

Den Anfang macht der Verband der Ersatzkassen, Dachorganisation so großer Läden wie Barmer, DAK und Techniker-Krankenkasse: Hausärztliche Versorgung mit Augenmaß stärken, Wahlgeschenke an Hausärzte belasten Versicherte.

Dabei wiederholt der Verband die bekannten Argumente: zu teuer, ohne Nutzen, die Qualität der Versorgung würde sich nicht verbessern. Am Ende müssten die Patienten teure Geschenke für die Hausärzte bezahlen. Das ist ziemlich unverfroren, denn es wäre eben die Aufgabe der Kassen, die Verträge so zu gestalten, dass die Versorgung der Patienten sich verbessern würde.

Ein Eindruck aus den letzten Jahren bleibt: Das Selbstverständnis der Krankenkassen sollte sich wandeln. Aus Beitragsverwaltern sollten – angestoßen durch politische Entscheidungen – Gestalter auf dem Gesundheitsmarkt werden. Aus Behördenapparaten sollten unternehmerisch agierende Organisationen werden. Doch mit diesem Systemwandel sind einige Kassen offenbar heillos überfordert. Es braucht wohl noch ein paar Jahre bis die Kassen tatsächlich begreifen, welche Chancen sie haben, die Versorgung ihrer Patienten deutlich zu verbessern.

Solche Abwehrschlachten wie die gegen die hausärztliche Versorgung sind Nachbeben aus einer untergegangenen Patienten-Verwaltungsepoche, die allerdings noch lange wirksam sein können.

Koalition will Kassen zu Hausarztverträgen zwingen

Heute berichtet die Süddeutsche Zeitung, die Koalition aus SPD und CDU werde endlich bei den Verträgen zur Hausarztzentrierten Versorgung aktiv.

Zur Erinnerung: Seit 01.04.2007 besteht eine Pflicht der Gesetzlichen Krankenkassen, ihren Versicherten Hausarztzentrierte Versorgung anzubieten. Nur wenige Kassen sind dieser Pflicht bisher nachgekommen.

Ich habe wegen dieser Frage mit den Kundentelefonen verschiedener Krankenkassen gesprochen, um nach meinen Möglichkeiten zu fragen, hausärztliche Versorgung angeboten zu bekommen. Die Antworten bewegten sich zwischen lächerlich und plausibel, wirkten aber wie aufeinander abgestimmt, als hätten die Kassen Sprachregelungen getroffen.

1. Der Gesetzgeber habe ja nicht ins Gesetz hineingeschrieben, bis wann die Krankenkassen die Pflicht erfüllen müssten, ihren Versicherten Hausarztmodelle anzubieten. Dem soll jetzt ein Riegel vorgeschoben und ein verbindliches Datum entgegengesetzt werden: 30.06.2009.

2. Es gäbe keinerlei Belege, dass die Versorgung sich durch Hausarztmodelle verbessern würde. Vielmehr wäre diese Angebote mit höheren Kosten für die Kassen verbunden. Diesem Argument habe ich mich schon hier gewidmet. Wer die Hausarztmodell nicht will, führt sie mit großem Widerstand ein, ändert nichts an den Rahmenbedingungen der Versorgung, vergütet die zusätzlichen Leistungen der Hausärzte kaum und redet sie öffentlich so schlecht wie DAK-Chef Rebscher.

Auch fragwürdige Vertragsgestaltung wie bei der Barmer Ersatzkasse, deren Hausarztmodell vom Bundessozialgericht ausgebremst wurde, trägt dazu bei, den Ruf der hausärztlichen Versorgung in der Öffentlichkeit zu beschädigen. Deswegen laufen die Verträge nun aus.

3. Wir sind eine überregional tätige Kasse. Wir bieten unseren Kunden hausärztliche Versorgung an, leider nur nicht in ihrer Region. Nun ja…

Rühmliche, mutige Ausnahme in dieser Misere ist gegenwärtig ein Verbund aus AOK-Baden-Württemberg, dem Ärzteverband Medi und dem Hausärzteverband Ba-Wü. Deren Hausarztmodell startete am 01.07.08 mit der Einschreibung von Patienten. Hier werden neue Wege in Vergütung und Angebot an die Patienten beschritten.

Wie hoch steigen die Kassenbeiträge für den Gesundheitsfonds?

Die Frage, ob die Kassenbeiträge zum Ende des Jahres 2008 deutlich steigen, habe ich schon Anfang des Jahres mit einem deutlichen “selbstverständlich” beantwortet.

Das Institut für Gesundheitsökonomik in München errechnete zu Beginn des Jahres für die arbeitgebernahe Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft einen Beitragssatz von 15,5%. Herr Lauterbach und seine Experten sehen den Beitrag zwischen 15 und 15,4%.

Am kommenden Montag steht in den Wirtschaftsmeldungen des SPIEGEL (S. 60) die vermeintliche Exklusiv-Nachricht, die AOK sähe den zukünftigen einheitlichen Beitragssatz bei 15,6%. Wie hat es die AOK geschafft, die SPIEGEL-Leute von der Exklusivität dieser Meldung zu überzeugen?

Denn es reicht, ein paar Minuten die Zahlen auf der Seite des Deutschen Ärzteblattes zusammen zu suchen, und ich weiß, um wie viele Zehntelprozentpunkte der Kassenbeitrag steigen muss, damit alle Finanzzusagen auch erfüllt werden können: 2,5 Milliarden Euro für ambulant tätige Ärzte, 1,5 Milliarden für die Krankenhäuser, 1,5 Milliarden für Mehrausgaben bei Arzneimitteln – und schon bin ich bei fünfeinhalb Milliarden. Macht allein schon 0,55%, denn jede Milliarde steht für ein Zehntel Beitragssatzpunkt.

Berechne ich Risiken ein, kalkuliere ich eine Schwankungsreserve, die für den Fonds vorgesehen ist, steigt der Milliardenbedarf weiter. Ziehe ich ein paar Milliarden Mehreinnahmen der Kassen ab, weil es mehr sozialversicherungspflichtig Beschäftigte gibt und die letzten Lohnrunden einige Erhöhungen gebracht haben, kann ich problemlos von 0,7% notwendiger Beitragssatzsteigerung ausgehen. Und ich lande bei der Zahl der AOK: 15,6%, ausgehend von gegenwärtig Beitragsdurchschnitt von 14,9%.

Soviel dazu, wie Meldungen mit Nachrichtenwert entstehen. Die AOK wird sich freuen, dass sie exklusiv im SPIEGEL erwähnt wird.

Wenn die politisch Verantwortlichen im November den neuen einheitlichen Beitragssatz unters Volk bringen, werden sie vor allem daran zu denken haben, dass die Krankenkassen nicht unterfinanziert in den Gesundheitsfonds starten. Lieber den Versicherten und den Arbeitgebern erneut mehr Geld aus der Tasche ziehen und im Wahljahr Ruhe haben, als wirklich eine Reform der Strukturen und Abläufe und der Finanzierung des Systems zu wagen, welche die halbe Republik auf die Barrikaden brächte. Auf diese Weise steigen die Kassenbeiträge bereits seit 30 Jahren unerbittlich – allen bisherigen Gesundheitsreformen zum Trotz.

Ist die Kranken(voll)versicherung noch zu retten?

Kaum zu glauben, wie schnell sich die Dinge manchmal entwickeln. Hätte Karl Lauterbach wieder einmal gefordert, die private Krankenversicherung (PKV) abzuschaffen, wäre das für keinen Redakteur eine Nachricht gewesen.

Da diesmal die Versicherungskonzerne Allianz, Axa und Co., also Teile der privat organisierten Versicherungswirtschaft selber mit solchen Ideen in Verbindung gebracht werden, überschlagen sich die Reaktionen.

Die SPD freut sich, die Grünen begrüßen, die Union sieht sich “friendly fire” ausgesetzt – ausgerechnet die Privatversicherer wollen eine Einheitsversicherung! Die Bundesärztekammer distanziert sich, die gesetzlichen Krankenkassen lehnen es ab. Und die Versicherer? Spielen nur Reformszenarien durch: “Die Versicherer sehen sich jedoch in der Pflicht, den politischen Diskurs mit fachlichem Wissen und Rat zu unterstützen. Dazu gehört auch das interne Durchspielen möglicher Reformszenarien.”

Doch ist die PKV als System überhaupt zu retten? Schon heute arbeitet die Branche unter stark erschwerten Voraussetzungen. Die Gegner der PKV (Lauterbach und ein paar andere) haben gute Arbeit geleistet, den Unternehmen einerseits die Kunden vorzuenthalten und andererseits Pflichttarife von ihnen zu verlangen.

Zum einen dürfen seit der letzten GKV-Reform nur noch jene Angestellten in die PKV wechseln, deren Einkommen mindestens drei Jahre lang oberhalb der Versicherungspflichtgrenze liegt. Zum anderen zwingt die Politik den Unternehmen einen risiko- und altersunabhängigen Basistarif auf, der allen privat Versicherten angeboten werden muss. Der Tarif enthält alle Leistungen, die auch in der GKV als Regelleistungen erbracht werden.

Schließlich sollen die Versicherten ein Wechselrecht erhalten, bei dem sie ihr angespartes Kapitel mit in die neue Versicherung einbringen können. Dagegen bringen sich die Unternehmen gerade mit einigem Erfolg in Stellung.

Dennoch: Langfristig sieht es nicht gut aus für die private Kranken(voll)versicherung. Genausowenig gut wie für die gesetzliche Kranken(voll)versicherung. Zwei Wege bieten sich an, die finanziellen Probleme anzugehen: Verbreiterung der Einnahmebasis, Verringerung des Leistungsangebots. Das System braucht mehr Geld (aus Steuern, Kapital, Beiträgen) und muss dennoch seine Leistungen für alle beschränken.

Weil die Möglichkeiten so vielfältig geworden sind, ja, weil die Medizin in Teilen so gut geworden ist, beansprucht sie zu viele gesellschaftliche Ressourcen. Deswegen könnte es ein Weg sein, einen möglichst umfassenden Grundkatalog zu erfinden und breit gesellschaftlich zu diskutieren – und einen Katalog vorzuhalten, der zusätzlich abgesichert werden müsste (Stichwort Risiko Unfälle: Skifahren, Fußball spielen, etc.)

Die Debatte zu beginnen, dafür wäre gegenwärtig der richtige Zeitpunkt.

Zukunft der Krankenversicherung

Die gestern angestoßene Debatte um die Zukunft der Privaten Krankenversicherung (PKV) entwickelt eine phänomenale Dynamik. Kaum reden Allianz, Axa & Co. von einer Einheitsversicherung, kommt der unvermeidliche Karl Lauterbach und begrüßt laut SPIEGEL Online die Idee zum Umbau der PKV vehement, wenn a) die PKV in den Gesundheitsfonds einzahlt und wenn b) die unterschiedlichen Arzthonorare von PKV und GKV angeglichen werden.

Die gesetzlichen Krankenversicherer zeigen sich eher reserviert bis ablehnend. So wird der Sprecher des IKK-Bundesverbandes von der Berliner Zeitung zitiert: “Das läuft darauf hinaus, dass die Konzerne für einen möglichst niedrigen Basistarif kämpfen, der vielleicht noch die Krankenhausleistungen und den Hausarztbesuch umfasst, damit sie teure Zusatzleistungen anbieten können.”

Zu einer interessanten Stellungnahme gelangt die Bundesärztekammer: “Der 111. Deutsche Ärztetag hat sich vor wenigen Wochen geschlossen gegen eine Angleichung von privater und gesetzlicher Krankenversicherung gewandt. Von den privaten Krankenversicherungsunternehmen sollten wir im Interesse unserer Patienten dieselbe Geschlossenheit erwarten dürfen. Probleme der GKV lassen sich nicht durch eine Schwächung des PKV-Systems ausgleichen. Aus Sicht der Ärzteschaft steht PKV für Eigenverantwortung, Freiberuflichkeit, Individualität der Patientenversorgung und Innovationskraft der Gesundheitswirtschaft.”

Sehr überzeugend wie die Ärzteschaft ihren Umsatzrenner “PKV” verteidigt – gegen innere Aushöhlung und Uneinigkeit.

Private Krankenversicherung für alle?

Die Situation im Gesundheitssystem scheint günstig, um mal ein paar radikale Vorschläge unterzubringen: Die “Financial Times Deutschland” (Dienstagausgabe, leider online nicht verfügbar) berichtet, ein Arbeitspapier des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) erwäge die Abschaffung der privaten Krankenversicherung (PKV) in ihrer jetzigen Form und plädiere für eine Grundversicherung mit Einheitsprämien unabhängig von Alter und Geschlecht.

Das Dementi des Verbandes der Privaten Krankenversicherer kam prompt.

Die Meldung ist perfekt platziert und erhält massive Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit. Reizvoll und diskussionswürdig ist der Vorschlag, die PKV abzuschaffen, allemal. Nur: Wie roh ist das Arbeitspapier? Gelang es zu früh an die Öffentlichkeit? Eine gezielte Indiskretion, um die Stimmung zu testen?

Wichtige Fragen bleiben offen: Wieviel Leistung umfasst die Grundversorgung? Private Zusatzversicherungen lohnen sich ja für die Versicherungswirtschaft nur, wenn viele Versicherte gezwungen sind, sie abzuschließen. Auf die Diskussion, was zur Regelleistung für alle gehört und was dazu gekauft werden muss, bin ich sehr gespannt. Und überhaupt, welche Rolle soll die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) zukünftig spielen? Sollen sie agieren wie private Versicherer, von ihrer Rolle als öffentliche Gesundheitsanbieter entkleidet? Oder soll es eine staatliche Einheitsversicherung geben?

Da der Vorschlag aus der privaten Versicherungswirtschaft selber kommt, stehen eher neue Geschäftsfelder und -modelle im Mittelpunkt, nicht so sehr die Reform eines Systems, das an seine Grenzen stößt.

Immerhin: Es wird Zeit, das System neu zu erfinden. Der Gesundheitsfonds verschiebt die Debatte darüber in eine nicht näher benannte Zukunft. Dabei müssten wir bspw. über den Leistungsumfang der GKV sprechen – und einige Dinge mehr, wie die freie Arztwahl und die Arzneimittelversorgung oder die Verzahnung von ambulanter und stationärer Medizin.

Barmer Hausarztmodell endet

Die Barmer Ersatzkasse (BEK) lässt das vor Gericht gescheiterte Vertragsmodell zur hausarztzentrierten Versorgung zum Ende des Jahres 2008 auslaufen. Der Deutsche Hausärzteverband informierte seine Mitglieder per Rundschreiben über die bevorstehenden Veränderungen.

Die BEK beschloss auch, dass die eingeschriebenen Patienten ab dem 3. Quartal (01.07.08) die Praxisgebühr nicht mehr erlassen bekommen. Wie die Ärztezeitung berichtet, plant die Barmer allerdings eine Neuausschreibung dieser Art der Versorgung nach dem dafür vorgesehenen Paragrafen (§73b) im Sozialgesetzbuch V (SGB V).

Das Bundessozialgericht verwarf im Februar die Vertragskonstruktion der BEK, der hausärztlichen Vertragsgemeinschaft und des Apothekerverbandes. Sie erfüllte nicht die Kriterien, um die Leistungen der Hausärzte nach §140d SGB V Anschub zu finanzieren.

So scheitert ein Versuch der Beteiligten, die Gesetzeslage im SGB V kreativ zum eigenen Vorteil zu nutzen – und nährt den sowieso schlechten Ruf von Hausarztmodellen. Ob die Barmer und der Hausärzteverband mit einem neuen Versuch verloren gegangenes Vertrauen, insbesondere bei den Patienten, zurück gewinnen kann, bleibt dahingestellt.