Um nicht falsch verstanden zu werden: Nur weil ich mich gestern eher despektierlich über die gesundheitspolitischen Absichten der Gelbschwarzen geäußert habe, bedeutet das nicht, dass ich nicht gerne bereit wäre, der neuen Regierung und ihren Plänen eine Chance zu geben!
Meine Verzweiflung über den Stillstand, die Verknöcherung, die strukturelle Veränderungsresistenz und die flächendeckende Ressourcenverschwendung im System ist so groß, dass ich (fast) jedem Versuch wohlwollend gegenüber stehe, das System radikal zu reformieren.
Diese Art von Reform scheint uns ja nun ins Haus zu stehen. Nur müssen die Gelbschwarzen die Beitragszahler überzeugen, dass sie nicht nur mehr zahlen, sondern auch eine bessere Versorgung bekommen. Und der erwartbare Empörungskanon aus Gewerkschaften, Sozialverbänden und Rot-Rot-Grün (Entsolidarisierung, ungerechte Umverteilung, Abschaffung des Sozialsstaats) braucht gelassene Entgegnungen.
Leider fällt den Vertretern von Solidarität und Gerechtigkeit seit Jahrzehnten nichts anderes ein, als mehr und mehr und noch mehr Geld in dieses System einzuspeisen. Eine Kopfprämie mit Sozialausgleich aus dem Steuertopf ist nicht per se unsolidarisch. Entscheidend ist der Mechanismus, der verhindert, dass der Sozialausgleich nach Kassenlage hoch oder runter gefahren werden kann.
Was ist solidarisch am bisherigen System, die den Beitrag bei Einkommen von 3675 Euro Brutto deckeln? Jeder Euro, der darüber hinaus verdient wird, geht nicht in die Berechnung des Beitrags ein. Was ist solidarisch am bisherigen System, wenn eine vierköpfige Familie mit einem Einkommen (bspw. 6000 Euro) nur einen Beitrag entrichtet, während eine vierköpfige Familie mit zwei abhängig Beschäftigen, die beide zusammen ebenfalls 6000 Euro erlösen, zwei Kassenbeiträge entrichten muss?
Der designierte Minister Rösler muss sich an seinen eigenen Worten messen lassen: Wir sind fest davon überzeugt, dass unser Gesundheitssystem besser wird, aber definitiv nicht teurer. Warum die Kopfprämie verteufeln, wenn plötzlich wirklich alle – und nicht nur die Beitragszahler der Gesetzlichen Krankenversicherung für den Sozialausgleich zu sorgen haben, über das Steuersystem?
Die zentrale Frage zur Zukunft des Systems lautet sowieso: Wer trägt die wohl unvermeidlichen Ausgabensteigerungen durch eine älter werdende Bevölkerung, durch medizinische Innovation, durch die umgreifende Präventions-Hysterie? Nur wer hier einen sozialen Ausgleich hinkriegt, reformiert das System wirklich – wenn es denn die Absicht ist, weiterhin allen die Segnungen des Systems zukommen zu lassen.