Da habe ich vor wenigen Tagen noch (naiv) angenommen, Hausarztzentrierte Versorgung nach §73b SGB 5 sei von den Sparplänen der Regierung ausgenommen, weil die CSU sich dagegen sperren würde. Jetzt kann ich hier nachlesen, die Regierung möchte diese Art der Versorgung doch am ausgestreckten Arm verhungern lassen.
Noch ist ja nichts in Paragrafen verankert und beschlossen durch das Parlament. Noch könnten die CSUler erkennen, wie sehr sie sich hier von der FDP haben über den Tisch ziehen lassen, wenn Sie an dieser Stelle sinnvolle Strukturreformen durch Austrocknen unmöglich machen.
Im Gegenzug dafür ist die Lohnnebkostensenkungspartei FDP bereit, nicht nur den Arbeitnehmer-, sondern auch den Arbeitgeberbeitrag zur Krankenversicherung zu erhöhen: Beide steigen nach den jetzt veröffentlichten Plänen demnächst um 0,3%. Erst dann wird der Arbeitgeberbetrag eingefroren. Über den Arbeitsnehmerbetrag hüllen sich die Verantwortlichen in Schweigen. Ob durch Anhebung des Arbeitnehmeranteils am allgemeinen Beitragssatz oder durch ungedeckelte Zusatzprämien in Euro und Cent: Sämtliche weiteren Ausgabensteigerungen gehen zu Lasten der Versicherten.
Wieder einmal fällt also den (Gesundheits)-Politikern in diesem Land nichts anderes ein, als die Patienten zur Kasse zu bitten. Klar, die Politstrategen sind ja nicht blöd, kurzfristig werden auch die anderen Spieler um Milliarden-Abschläge gebeten (Arzneimittelhersteller, Apotheken, Krankenhäuser, Ärzte), die mittelfristige Planung jedoch sieht ausschließlich (Zusatz)-Beiträge der Versicherten vor.
All das und der ganze andere Murks, den die Gesundheitspolitik verantwortet, spielt mir dennoch in die Hände: Je länger keinerlei strukturelle Reformen wie bspw.
- Aufhebung der sektoralen Gliederung,
- Bündelung der Sicherstellung ambulant und stationär in einer Hand,
- die Beschränkung oder Abschaffung der Selbstverwaltung,
- eine echte Hausarztversorgung (verpflichtend für alle),
- die Erweiterung der Einnahmebasis für die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) durch Einbezug von Kapital und Vermögen,
- eine Einbindung der Privaten Krankenversicherung ins Solidarsystem,
- ein durchforsteter Leistungskatalog in der GKV, der Nutzloses und Sinnloses nicht mehr erstattet,
- bei Diagnostik und Medikation präklinischer Syndrome (bspw. Prä-Diabetes, Mild Cognitive Impairment),
- die Überprüfung der Zulassungskriterien für neue Arzneimittel oder
- eine Preisregulierung für Arzneimittel, die über das Solidarsystem finanziert werden
angeschoben werden, desto mehr Zeit bleibt, Leute zu sammeln, selber einen Vorschlag zu entwickeln, aufzuschreiben und damit eine neue soziale Bewegung zu entfachen. Vielleicht bleibt uns ja doch nichts anderes übrig, als die Dinge selber in die Hand zu nehmen, wenn die Politiker nicht in der Lage sind, sie gescheit und gerecht zu regeln.
Mal sehen, was sich machen lässt.