Kindliches Sprachspiel 11

Es gibt immer wieder Momente, in denen der große Sohn (sehr zu unserem Leidwesen) frei flottierend durch die Wohnung zieht, um dort eine Schublade heraus zu ziehen, hier etwas vom Tisch zu grabschen, da am Spiegel zu wackeln oder dort auf seinem Weg durch die Räume einen Becher Wasser umzukippen, über das eigene Spielzeug zu stolpern, sich in Vorhänge einzuwickeln, den Mülleimer zu untersuchen…

Heute sitze ich auf dem Wohnzimmerfußboden und frage, hinein in diese gerade sich entgrenzende Energie:
“Warum spielst du nicht mit mir und deinen Lego-Steinen?”
“Weil ich schon Feierabend habe.”

Besser lässt sich ein väterlicher Versuch, das Kind einzufangen, kaum auskontern. Mehr Entwaffnung geht nicht.

Schwerins Stadtchef Claussen abgewählt

Vor knapp einem halben Jahr verhungerte in Schwerin ein Mädchen namens Lea-Sophie. Der Oberbürgermeister der Stadt äußerte daraufhin öffentlich: “Es hätte in jeder anderen Stadt passieren können, und der, dem es passiert ist, hat in diesem Fall Pech gehabt.”

Ich verschaffte hier im Blog meiner Empörung über Herrn Claussen etwas Luft und endete mit diesem Satz: “Möge auf soviel Hochmut, Selbstgerechtigkeit und Eiseskälte alsbald Ihr Sturz folgen!” Heute nun war es soweit: In einem Bürgerentscheid stimmten fast 30000 Schweriner dafür, den unfähigen OB in den vorzeitigen Ruhestand zu schicken.

Manchmal gehen Wünsche eben doch in Erfüllung.

Kindliches Sprachspiel 10

Nach der Ankunft des kleinen Bruders schwingt sich der große zu neuen Höhenflügen auf:

Neulich krabbelte er auf das elterliche Bett, griff sich ein Buch, das seine Mama gerade abgelegt hatte – und fing an zu blättern. Dabei sagt er: „Ich bin schon groß.“ – „Ich les‘ vor!“ – „Ich schreib‘ Nachrichten.“

Ich staunte – und staune weiter -, welche Sätze das Kind mit zwei Jahren und drei Monaten produziert. Mit soviel Unterhaltung und Unterhaltsamkeit bereits in diesem Alter habe ich keineswegs gerechnet. Andere Beispiele aus früheren Tagen finden sich hier:

Kindliches Sprachspiel 9
Kindliches Sprachspiel 8
Kindliches Sprachspiel 7
Kindliches Sprachspiel 6
Kindliches Sprachspiel 5
Kindliches Sprachspiel 4
Kindliches Sprachspiel 3
Kindliches Sprachspiel 2
Kindliches Sprachspiel 1

Wenn der Bruder landet…

…gibt’s Geschenke!

Um unserem größeren Kind den Sturz vom Thron etwas abzufedern, haben wir diese Anregung anderer Eltern aufgenommen: Der Spätergeborene bringt dem Älteren ein paar Geschenke mit. Das hinterlässt einen guten, einen nachhaltigen Eindruck – und fesselt das „große“ Kind beim Besuch im Krankenhaus mindestens so gut wie das Neugeborene selbst.

Christine Brinck: Mütterkriege

Bevor ich irgendetwas über dieses Buch schreibe, lege ich ein Bekenntnis ab: Ich gehöre in drei der vielen Schubladen, derer sich die Autorin bedient: Teilzeitarbeitender Vater (sehr gut), hat sein Kind mit 10 Monaten in Fremdbetreuung gegeben (sehr schlecht), wurde in der DDR in Krippe und Kita ab dem 1. Lebensjahr fremdbetreut (ganz, ganz schlecht).

Das Buch ist ein Beitrag zur aktuellen Debatte um Krippenausbau und Elterngeld, zum Disput um häusliche Erziehung und Fremdbetreuung. Dabei kommt die Autorin relativ schnell zur Erkenntnis, dass es für die meisten Eltern und insbesondere die Mütter nicht um ein Entweder-oder (Entweder erzieht Mama das Kind daheim oder es überlässt es der Krippe), sondern um ein entspanntes Sowohl-als-auch geht: Kindchen ein paar Stunden in eine gute Krippeneinrichtung und dann immer noch genügend gemeinsame Zeit für Eltern und Kind.

Leider gelingt es der Autorin nicht, in ihrem Buch das Sowohl-als-auch als gute Option in den Vordergrund zu rücken. Vielmehr verwendet sie vier Techniken, um auf recht brachiale Weise allen, die nicht ihrer vorgefertigten Meinung sind (siehe Schubladen oben) in die korrekte Spur zu verhelfen.

1. Erzählen der Wirklichkeit von den Rändern her, von den Extremen

Bis zu 50 Kinder in einer Gruppe, Betreuungszeiten zwischen 10 und 12 Stunden, drei Monate alte Kinder fremdbetreut, wechselndes, schlecht ausgebildetes Personal in den Kitas und Krippen. Mit dieser Auswahl an Extremen zeichnet Brinck das Bild bundesdeutscher Kita-Wirklichkeit. Was sie eigentlich nicht will (entweder-oder) macht sie so zur Leitlinie ihrer Argumentation. Schuldig bleibt sie allerdings eine Bestandsaufnahme, wie viele Kinder in welchem Alter wie viele Stunden tatsächlich in einer Einrichtung betreut werden. Und wenn sie dazu keine Zahlen gefunden hat, müsste sie welche einfordern.

2. Viel behaupten, wenig belegen

Die unter 1. beschriebenen Extreme werden durch das Buch hindurch als allgemeingültig unterstellt. Wie gesagt: Die Belege dafür fehlen.

Weiteres Beispiel gefällig? Familiäre Erziehung sei besser als jene vom Staat. Eine beredte Sprache sprächen da „die Ergebnisse früherer Massen-Fremdbetreuung in der DDR und den anderen Ostblock-Ländern.“ Welche Ergebnisse, wo?

Oder auch: „[…] doch sind unsere Rollen als Väter und Mütter nicht austauschbar, auch wenn die Gender-mainstreaming-Advokaten die Eltern am liebsten androgyn sehen würden.“ Quellen: Keine.

3. Mitgefühl simulieren, aber kneifen, wenn es drauf ankommt

Der Autorin geht es um das Wohl des Kindes. Doch die Krippen sollten nicht (hauptsächlich) für die Besserverdienenden und Besserausgebildeten da sein. Die könnten die Kinder ja verantwortungsvoll selber betreuen, könnten sich das auch leisten. Vielmehr wäre es notwendig, in den sozialen Brennpunkten die Fremdbetreuung massiv anzukurbeln. Für die Benachteiligten dieser Gesellschaft würden sich gut ausgestattete Betreuungseinrichtungen besonders eignen. Ach? Eine Frage dazu: Wie stellt sich die Autorin vor, dass die Eltern einwilligen, ihre Kinder in Obhut zu geben? All das erscheint doch sehr halbgar und wohlfeil.

4. Diffamierende Metaphern verwenden

Da reicht ein Beispiel: „Jeder, der sich einen Hund anschafft, um ihn anschließend in die Hundepension zu bringen, würde von Tierfreunden als unmenschlich gebrandmarkt. Mit einem Kind soll das aber gehen?“

Mit ein wenig Lektorat, einer gescheiteren Struktur, mit etwas mehr Belegen und weniger Behauptungen, mit etwas weniger Betroffenheitssimulation und weniger Schaum vor dem Mund hätte aus dem Buch ein konstruktiver Debattenbeitrag werden können. So wirkt es wie ein schnell zusammengewürfeltes Potpourri aus Meinung, Beleidigung und dünner Argumentation, um noch das Trittbrett des fahrenden Themenzuges zu erwischen.

Irgendwie unsympathisch.

Reine Verhandlungssache

Neulich, unser Sohn bei seiner Mama auf dem Arm:

Er: „Kommt das neue Baby auch auf den Arm?“
Sie: „Ja.“
Er: „Bei Papa!“
Sie: „Bei Mama und Papa.“
Er schüttelt den Kopf: „Bei Papa.“

Auch wer wann mit welcher Wickeltischauflage auf den Wickeltisch darf, wer wo im Bett liegt, wer wo auf welchem Stuhl sitzt, sind Teil der Verhandlungen, in die der „große“ Sohn gegenwärtig verstärkt einsteigt. Ohne die Extraportion diplomatisches Geschick geht zukünftig also nix mehr.

Immerhin: Als Söhnchen bei einer anderen Gelegenheit auf Mamas Arm saß, riß er sich seinen Schnuller aus dem Mund und warf ihn in Mamas Ausschnitt: „Für das Baby!“

Elterliche Hilflosigkeit

Was tun, wenn das Kind außer Rand und Band gerät – und der elterliche Zorn allenfalls gebremst gegen das Kind gerichtet werden kann? Wohin mit den eigenen Aggressionen, die das Kind auslöst, ohne dass ich das Kind dafür verantwortlich machen kann? Wenn es zunächst Müll aus dem Mülleimer holt und in der Wohnung verteilt, dann einen Wasserbecher über Möbel und Boden verteilt und schließlich anfängt, leere und volle Wasserflaschen zu werfen – und dabei grinsend und jauchzend durch die Wohnung rast wie ein Derwisch und dabei ruft: „Ha ha, lustich!“

Manchmal komme ich mir wie eine lahme Ente vor. Eine unmittelbare Sanktion des unerwünschten Verhaltens fällt mir häufig nicht ein. Immerhin: Nach der oben beschriebenen Show habe ich das Singen des Gute-Nacht-Lied-Reigens ausfallen lassen. Das Kind erinnerte sich beim Zubettbringen sogar daran und nahm die „Strafe“ klaglos hin. Oder war es eher die Erleichterung, dass Papa endlich mal nicht mehr seine schrägen Töne freiließ?

Fällt mir jedoch nicht unmittelbar etwas ein, ist eine avisierte Konsequenz zu sehr in die Zukunft hinein gedacht, versteht das Kind den Zusammenhang nicht mehr und die Sanktion ist wirkungslos. Was also tun? Manchmal einfach nur runterschlucken, aus der Situation rausgehen, in die Tischkante beißen? – Und einmal kräftig in die eigenen Hände klatschen, um die Energie abzuführen…

Irgendwie so etwas. Oder gibts da draußen bessere Vorschläge?

Bildungschancen durch Kinderkrippen?

Bei Anne Will, in der Süddeutschen Zeitung, in einer Studie der Bertelsmann-Stiftung – gegenwärtig debattiert die Republik, inwieweit Kinderkrippen und die mit ihnen mögliche frühkindliche Erziehung die Bildungskarrieren von Kindern erkennbar befördern.

Die Zahlen der Bertelsmann-Stiftung sind interessant, weil sie erstmals ganze Jahrgänge von Kindern im Verlauf ihrer Kindergarten- und Schulkarrieren betrachten. Zugrunde liegen den Analysen vor allem Daten des Sozial-ökononomischen Panels. Im jetzt veröffentlichten ersten Auswertungsschritt (pdf) kommen die Autoren zu dem Schluss, dass der Anteil der in die Gymnasialstufe empfohlenen Kinder um rund 14 Prozent steigt, wenn die Kinder eine Krippe besucht haben.

Dabei profitieren (hinsichtlich der Gymnasialentscheidung) alle Kinder vom Krippenbesuch – unabhängig von ihrem familiären Hintergrund. Allerdings profitieren Kinder aus jenen Familien stärker, in denen mindestens ein Elternteil einen Real- bzw. einen Gymnasialabschluss hat, als Kinder aus Familien mit Migrationshintergrund bzw. aus Familien, in denen die Eltern maximal einen Hauptschulabschluss haben. Das bedeutet: Krippen fördern alle, aber die Kluft zwischen den Bildungschancen der System-Benachteiligten und der System-Begünstigten wird dadurch kaum kleiner (wie manche Krippenbefürworter behaupten).

Allerdings bleiben auch einige methodische Zweifel. So ist nicht nachvollziehbar, wieso die durchschnittliche Verbesserung der Gymnasialabschlusschancen anschließend gleich gesetzt wird mit der dadurch möglichen Verbesserung des Lebenseinkommens. Aus der nämlich wird der geldwerte Vorteil des Krippenbesuchs ermittelt. Dieser Teil des Studienberichts wirkt gleichwohl etwas Voodoo-inspiriert. Mal sehen, was im Abschlussbericht steht, der im April erwartet wird.

Kind und Zähne putzen, update 4

Manchmal hilft Beharrlichkeit – ohne zusätzliche Anreize. Drei Monate nach meinem letzten öffentlichen Aufschrei kommen wir gerade in eine Phase, in der das Kind sich zwar weiterhin nur unfreiwillig Zähne putzt, aber dennoch zweimal am Tag. Das Schreien und das wilde den-Kopf-hin-und-her-schütteln sind fast verschwunden. Er presst jetzt nur noch manchmal die Lippen zusammen.

Wenn ich ihn zutexte, besinge oder irgendwelchen anderen Quatsch mit ihm mache, der ihn ablenkt, hält er in manchen Momenten sogar schon mal 45 Sekunden durch, bis er es satt hat, dass ich mit einer Bürste in seinem Mund herumfahre. Geeignet ist vor allem die unendlich zu dehnende Aufzählung all der anderen Kinder aus der Kita und der Verwandten und Bekannten, die ebenfalls zu diesem Zeitpunkt die Zähne putzen.

Danach benutzt er die Bürste selbst noch einmal für ein paar oberflächliche Hin- und Herfahrten. Diese Arbeitsteilung, erst ich, weil ich die Zahnpasta verteile, dann er, um nachzuputzen, ist im Augenblick das Optimum.

Bisherige Beiträge:

Kind und Zähne putzen, update 3
Kind und Zähne putzen, update 2
Kind und Zähne putzen, update
Kind und Zähne putzen

Die Eltern als Servicepersonal…

Bei aller Freude und Unterhaltung, die das Kind ins Leben bringt: Manchmal fühle ich mich ausschließlich wie dessen Servicekraft. Ein paar Textbeispiele mit Aufforderungscharakter:

„Meine Nase läuft.“
„Stinker.“
„Milch!“
„Papa, Arm.“
„Nicht das Lätzchen, das andere.“
„Papa, Schuhe anziehen.“
„Will (Platzhalter) haben.“
„Buch angucken.“
„Auto spielen.“

Immerhin, es kommt inzwischen zu Situationen, da sagt das Kind ohne Aufforderung: „Danke.“