#32c3 – best of chaos communication congress (part 1)

What does Big Brother see, while he is watching?

Talk by Simon Menner

Extracted from the 32C3 halfnarp

In the past years there has been a lot of discussion on the topic of state sponsored surveillance. But hardly any material can be accessed to support the general debate due to vaguely declared security concerns. So we are debating Big Brother with little knowledge about what he actually sees, while he is watching. Over the course of three years, I was able to research the archives left by East Germany’s Stasi to look for visual memories of this notorious surveillance system and more recently I was invited to spend some weeks looking at the archive by the Czechoslovak StB. Illustrating with images I have found during my research, I would like to address the question why this material is still relevant – even 25 years after the fall of the Iron Curtain.

Full video stream:

Tag 2 nach dem Fall der Berliner Mauer

Um nach dem Fall der Mauer von Los Angeles zurück nach Deutschland zu kommen, brauchte ich vor allem eines: Geld. Für mein Round-the-World-Ticket erhoffte ich mir mindestens 500 Dollar, wenn ich es zurückgeben würde. Doch das Student-Travel-Ticket brauchte einen umständlichen Dienstweg, um rückerstattet zu werden. Es gab nur ein spezielles Büro, das erst am Montag (13.11.) wieder öffnen würde. So lange konnte ich auf keinen Fall in L.A. warten – während in Berlin und andernorts die Leute auf der Mauer tanzten. Ich stellte mir vor, wie Tausende Menschen den uniformierten Grenzschützern den Stinkefinger zeigten…

Ich schickte das nun nutzlose Australien-Flugticket einer Freundin in Long Beach, die das Geld tatsächlich irgendwann rückerstattet bekam. Von den 500 Dollar habe ich bis heute nichts gesehen. Vielleicht liest sie das ja…

Die Zeit drängte, ich war ungeduldig – und steckte am Flughafen von L.A. fest. Nur aus Mitgefühl für meine Ost-West-Lage wollte mir keiner ein Flugticket schenken. Nie hätte ich ahnen können, dass ich plötzlich einen so hohen Geldbedarf (One-Way-Ticket, sofort, um die halbe Welt) haben würde. Ich war ja mit einem bereits bezahlten Ticket auf dem Weg nach Australien mit dem Ziel, die bevorstehende Pleite abzuwenden.

Am Abend des 11.11.89 erreichte mich schließlich ein Geldtransfer aus Heidelberg, mit dem ich mir für den 12.11. einen Rückflug nach Frankfurt am Main sichern konnte.

Euphorie und Vorfreude steigerten sich stündlich.

Tag 1 nach dem Fall der Berliner Mauer

Nachdem ich am Morgen des 10.11.89 in Honolulu, Hawaii, die Zeitung aufgeschlagen hatte, stand die Entscheidung schnell fest: Ich musste zurück in das Land, das soeben seine Tore aufschloss, seine Mauern öffnete. Ich musste hinein in das Land, aus dem gerade alle herauswollten.

Ich wollte wenigstens einmal kurz in diese DDR zurück, die mir nach dreieinhalb Jahren im Westen in der Erinnerung immer rosiger erschien. Oder wie Biermann das mal genannt hatte: wie ein Watteau’sches Idyll. Der Blick zurück begann sich immer weiter zu verklären, je öfter ich in Westberlin an den Grenzübergangsstellen abgewiesen worden war. Mich beherrschte der Gedanke, endlich Wirklichkeit und Erinnerung abgleichen zu können.

Ich entschloss mich, statt nach Australien, Singapur und Indonesien zu fliegen, nach Los Angeles zurückzukehren – und die nächste Gelegenheit für einen Flug nach Frankfurt am Main zu nutzen.

Ich buchte für den kommenden Tag einen Flug nach L.A. und nahm im Schnellverfahren Abschied  vom tropischen Honolulu-Wetter, der entspannten Atmosphäre und den netten Leuten, die wie ich staunend an den Fernsehern klebten – und die mich alle bestärkten: „Yeah, you have to go home.“

 

Wie habe ich vom Mauerfall erfahren?

Nach einem Tag am Strand und ein paar Getränken ging ich in der Nacht von 09. auf den 10.11.1989 spätnachts in Honolulu, Hawaii-Zeit (Mitteleuropa -11 Stunden), ins Bett. Weil ich vor Jahren aus der DDR ausgereist war, verfolgte ich die Ereignisse in den Wochen davor mit großer Spannung. Ich wusste von den Demonstrationen und den Zügen aus Prag – ohne Halt über Dresden – in den Westen.

An diesem Donnerstag hatte ich jedoch keine einzige US-Nachrichtensendung gesehen. Als ich am nächsten Morgen durch die Straßen ging, um mir ein Frühstück zu organisieren, stolperte ich über das „Honolulu Star Bulletin“. Extrem ungläubig starrte ich auf die Titelseite: „Bonn knocks 18 holes in the Berlin Wall“.

honolulu-star-bulletin-titel-10.11.89

Wie bitte? So etwas konnten nur ahnungslose Amis am anderen Ende der Welt schreiben.

Auf den Innenseiten las sich das schon etwas differenzierter: „East Germany permanently lifts all bans on travel“.

honolulu-star-bulletin-innen3-10.11.89

What?

Ich fing noch am selben Tag an, meinen Rucksack zu packen, flog anderntags statt nach Sydney zurück nach Los Angeles – und kratzte mein letztes Geld zusammen, um nach Frankfurt am Main zu kommen. Schließlich nahm ich einen Zug nach Berlin. Am 13.11.1989 reiste ich erstmals seit dem 19.03.1986 in die DDR.

Gleich meine erste Handlung verstieß (wieder einmal) gegen die Gesetze der DDR: Ich hatte ein bis 2400 Uhr gültiges Tagesvisum für Ost-Berlin erhalten. Doch ich setzte mich in den nächsten Zug nach Dresden. Ein Freund karrte mich am gleichen Tag um Mitternacht in seinem Wartburg zurück an den Grenzübergang. Noch war ja nicht klar, ob nicht die Grenzen doch wieder geschlossen würden. Und in der DDR bleiben? Wollte ich auf keinen Fall.

Ich war glücklich.

Für alle anderen war es ein Glück aus der DDR raus in den Westen zu kommen. Für mich war es in diesem Moment ein Glück, nun (wieder) in die andere Richtung fahren zu können.

Heute vor 28 Jahren…

… habe ich die Seiten gewechselt und bin in der Nacht vom 18. auf den 19. März vom Osten in den Westen „rübergemacht“. Morgens angekommen auf dem Hauptbahnhof von Frankfurt am Main nach einem sehr tränenreichen Abschied abends um 22.37 Uhr auf dem Bahnhof Dresden-Neustadt, umgestiegen und weitergefahren ins Aufnahmelager in Gießen. Die eindrücklichste Erinnerung ist das Zugtelefon im Intercity, von dem aus ich den ersten Kontakt zu einem Bekannten im Saarland herstellen konnte. Als 21-jähriger Ossi kannte ich öffentliche Telefonzellen, aber eine Sprechverbindung bei Tempo 180? Sensationell.

Und ansonsten?

Ankunft in Gießen. Anmeldung, um dann alsbald frische Personaldokumente entgegenzunehmen. Begrüßungsgeld. Ein kurzes Gespräch mit der Hauptstelle für Befragungswesen, denen ich mit der gleichen Skepsis begegnete wie zuvor den Befragenden auf der anderen Seite. Einmal Einkleiden von Kopf bis Fuß mit (preiswerten), heute würde ich sagen Discounter-, Westklamotten. Nach zwei Tagen Abreise zu meiner vorläufigen Station in der Nähe von Karlsruhe.

Ich kann nicht behaupten, ich hätte mich gefreut, im Westen angekommen zu sein. Klar, alles war bunt, die Supermärkte, die Buch- und die Plattenläden waren grell und übervoll. Aber vermisst habe ich die Freunde und Freundinnen, die zurückgeblieben sind in diesem seltsamen, bizarren Land DDR, das mich ausgespuckt hatte – ohne Rückfahrkarte.

Die Sehnsucht blieb erhalten. Viermal habe ich in den folgenden Jahren versucht, von West-Berlin aus in die DDR einzureisen. Jeder mißlungene Versuch ist in meiner Stasi-Akte dokumentiert, die auch nach meiner Ausreise sauber weitergeführt wurde. Die Einreise gelungen ist mir erstmals am 13.11.1989.

Zettmanns Stasiakte – Nachklapp

Mir sind bei Durchblättern der Stasiakte, die ich seit dem 01.08.2008 hier veröffentlicht habe, ein paar Details aufgefallen, die ich zuvor noch nicht bemerkt hatte. Das interessanteste: Mit einem Vermerk vom 15.03.1986, drei Tage vor meiner Ausreise in den Westen, leitete die Stasi eine Fahndungsmaßnahme nach mir ein, LZ 12.99, also Laufzeit Dezember 1999, das Maximum, was die zweistelligen Jahresangaben bis dahin zuließen. Im Anschluß an meine Ausreise wurden meine Versuche, über Westberlin einzureisen oder ein Visum für die DDR zu beantragen, genau dokumentiert.

Und wenn die Stasi nicht gestorben wäre, würde sie wahrscheinlich heute noch Seiten in meiner Akte ergänzen, wahrscheinlich unter Zuhilfenahme von Google… Und diesem Weblog hier…