Chemische Keule ist Standard

In Costa Rica führt das flächendeckende Versprühen von Pestiziden auf Bananen- plantagen zu Unfruchtbarkeit und Erbfolgeschäden

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Außer vier Meter hohen Bananenpflanzen wächst nichts auf den ausgemergelten, staubigen Feldern der Standard-Fruit-Company am Rio Frio im Nordosten Costa Ricas. Die Stauden überragen alles in der Umgebung, auch das Buswartehäuschen, das der Bananenmulti seinen ArbeiterInnen als Unterstand für die heftigen Regengüsse im atlantischen Tiefland spendiert hat. Das Markenlogo ´Dole´, mit einer strahlenden Sonne im Zentrum, ziert die Dachverkleidung und suggeriert Frische, Leben, Fruchtbarkeit. Rechts daneben fassen drei Begriffe die Botschaft in Worte: „Harmonie, Solidarität, Frieden“.

Kein größerer Kontrast hätte den Standard-Fruit-Imageexperten inmitten des ewiggrünen, monokulturellen Bananenmeers in den Sinn kommen können. Einzige Farbtupfer neben der grellen ´Dole´-Sonne am Wartehäuschendach sind blaue, insektizidimprägnierte Plastikbeutel, mit denen die Fruchtstaude umhüllt wird, um sie vor gefräßigem Kleingetier und pickenden Vögeln zu schützen.

Etwa jede vierte in Deutschland verkaufte Banane wächst in Costa Rica, großgezogen unter Aufbietung des gesamten chemischen Arsenals von Pflanzenschutz- und Schädlingsbekämpfungsmitteln. Weil die Banane eine widerstandsfähige Frucht ist, erreicht sie die Verbraucherin weitestgehend rückstandsfrei. Den Preis für das chemische Bombardement bezahlen Mensch und Umwelt im Erzeugerland.

„Ich nenne es einen Skandal, daß Firmen wie Shell oder Bayer, Pestizide nach Costa Rica verkaufen, die in den USA oder in Deutschland verboten sind“, klagt Oscar Fallas von der costaricanischen Umweltvereinigung AECO. Auf die Frage nach den eingesetzten chemischen Mitteln antwortet Marta Maitles, stellvertretende Pressesprecherin im Standard-Fruit-Hauptquartier in Los Angeles: „Es ist firmenpolitisch unüblich, die verwendeten Chemikalien jemandem anders zu offenbaren, als den verantwortlichen Regierungen und Behörden.“

Ohne Schutzkleidung, die in den Tropen Feldarbeit unmöglich machen würde, und über Jahre permanent den Giften aus der Luft ausgesetzt, führt das flächendeckende Versprühen der Pestizide Nemagon (Hersteller: Dow Chemical und Shell Oil) und Nemacur (Hersteller: Bayer AG) bei den ArbeiterInnen zu Sterilität, Früh- und Fehlgeburten, Erbfolgeschäden und Leukämie.

Peter Gilmore, Chef der ´Dole´-Bananenproduktion in Costa Rica, angesprochen auf die in Houston gegen Standard Fruit angestrengte Klage von rund 8000 früheren Beschäftigten, die Schadenersatz wegen des Einsatzes von Dibromocloropropano (DBCP – Handelsname: Nemagon) und den daraus resultierenden Gesundheitsschäden fordern, antwortet: „Das ist Sache der Anwälte. Ich kann nur soviel sagen, daß wir in Costa Rica und Honduras niemals Chemikalien verwendeten, die in den Vereinigten Staaten verboten sind.“

Die sofortigen körperlichen Auswirkungen beeinträchtigen speziell das vegetative Nervensystem. Weil aus Nervengaswirkstoffen entwickelt, klagen die ArbeiterInnen über Atembeschwerden, Herzrhythmusstörungen, Kopfschmerzen, zitternde Glieder und Verdauungsprobleme.

´Standard Fruit´ zeigte sich zwischenzeitlich zu einer Art Teilgeständnis bereit, als sich die Firma mit verschiedenen Plantagenarbeitern außergerichtlich einigte und einmaligen Schadensersatz in Höhe von 7000 – 14000 US$ leistete. Allerdings wenden sich die costaricanischen Bananengewerkschaften gegen diese Vergleiche, weil die Betroffenen das Recht verwirken, jemals wieder in dieser Sache gegen den Bananenmulti vorzugehen – unabhängig davon, welche Folgeschäden in den nächsten Jahren ans Licht kommen.

Neben den ArbeiterInnen leiden auch der Boden und die angrenzenden Ökosysteme unter der chemischen Keule. Die Böden sind nährstoffarm und überdüngt. Um den Pflanzen ein paar Wachstumsstoffe zu geben, bedarf es weiteren Düngers. Die sensiblen Naturparks, für deren Errichtung Costa Rica weltweit Lob empfängt, liegen – wie im Falle von Tortuguero an der Atlantik-Küste – direkt im Einzugsgebiet der Plantagen. Flüsse verteilen die Chemiekalien und Plastiksäcke in den geschützten Bereichen. Der Bananen-Sondermüll bedroht die

Pflanzenvielfalt in den Parks und gefährdet Arten, wegen denen die Parks errichtet wurden – im Fall Tortuguero die Meeresschildkröten.

Daß die heilige Frucht der deutschen Nation auch unter anderen Bedingungen gedeiht, beweist seit über zwei Jahren ausgerechnet ein Deutscher, ebenfalls in der atlantischen Tiefebene, aber südlicher, am Rio Sixaola, in Grenznähe zu Panama.

Auf Volker Ribnigers Plantage, 100 Hektar klein, steht das ´Unkraut´ in voller Pracht. Heuschrecken, Schmetterlinge, Käfer und anderes Kleingetier tummeln sich zwischen den Stauden. Die selbst bei ökologisch korrektem Anbau notwendigen Plastiksäcke werden wiederaufbereitet, organischer Abfall kommt auf den Acker zurück, Pflanzenschutzmittel sind tabu. Fungizide allein verhindern, daß sich die Früchte nach dem Ernten schwarz verfärben, ohne zwischendurch zum gewohnten Gelb zu reifen.

Lenin Corrales, Projektdirektor der ´Fundacion Ambio´, die zusammen mit der amerikanischen Umweltgruppe ´Rainforest Alliance´ ein ´ECO-OK´-Programm für den Bananenanbau aus der Taufe hob und Ribniger als Erstem und bisher Einzigem dieses Siegel verlieh, nennt diese Richtlinien „Kompromisse zwischen idealen Umweltnormen und den technischen Möglichkeiten tropischer Landwirtschaft.“

Geschmacksneutral wie die ´Dole´-Frucht, kann die Verbraucherin die ´ECO-OK´-Banane zwar nicht von herkömmlicher Ware unterscheiden, aber die ArbeiterInnen auf Ribnigers Plantage leben mit dieser Art monokulturellem Umwelt-Kompromiß sehr viel gesünder.