Kinder-Tourette

In der Psychiatrie ist das Tourette-Syndrom gut beschrieben, wenn auch noch nicht wirklich gut erklärt: Unwillkürliche, also nicht steuerbare, motorische und/oder verbale Verhaltensweisen, so genannten Tics oder Ticks.

Als Vater zweier Kinder im Alter von vier und sechs Jahren muss ich mich mit akuten Durchbrüchen des Phänomens herumschlagen: „F*** dich“ ist der frischeste Einwurf, neu importiert in die Familie vom Erstklässler. „Du blöder-Sch***ß-K**k-Papa“ ist ein der liebsten Wendungen des Vierjährigen, wenn die Dinge nicht so laufen, wie er das gerne hätte. Für mich ist das Kinder-Tourette, weil ich dann den Kindern gar nicht böse sein kann, wenn sie mich mit Fäusten bearbeiten, treten, die Türen so knallen oder auch sonst die Kontrolle über Worte und Bewegungen nicht mehr ausüben können.

Zum Glück ist Kinder-Tourette so vergänglich wie ein Gewitter, in gewisser Weise ist es ja ein neuronales Gewitter, direkt zwischen den Ohren. Das Gewitter kann zwar kürzer oder länger dauern, aber danach kommt klare, gereinigte Luft und oftmals Sonnenschein – Ruhe und Frieden.

kinder zum schlafen bringen…

Neulich erzählte mir ein Bekannter, wie er manchmal seine Tochter dazu bringt, zu schlafen: Er droht mit einem Ungeheuer, das sie abholen würde. Seine Frau macht dann im hinteren Teil der Wohnung ein Klopfgeräusch. Das Kind erschrickt und bekommt Angst, tatsächlich abgeholt zu werden. Dann fügt es sich dem unvermeidlichen…
Er nennt es einen „Trick“. Aber ist es ein Trick, einem Kind Angst einzujagen, um es gefügig zu machen? Oder ist es Hilflosigkeit? Verzweiflung der Eltern?

Das Kind ängstigen, um es zum Schlafen zu bewegen? Verheerend, wenn ich mir vorstelle, wie auf diese Weise ein allgemeines Angstklima erzeugt wird, das in das Kind hinein gepflanzt wird. Was passiert, wenn das Kind alt genug ist, das Ungeheuer herauszufordern? „Komm doch her, du blödes Ungeheuer. Zeig dich. Versteck dich nicht länger…“

Was machen Eltern dann? Oder wird die Angst so groß sein, dass das Kind nicht mutig genug sein wird, so aufzutreten? Oder bewerte ich all das über? Weil Geister/Weihnachtsmänner/Nikoläuse/Butzemänner sowieso regelmäßig bemüht werden, Kinder zu zähmen?

Ich bin gespannt, wann mich mein Sohn so sehr an meine Grenzen treibt, dass ich auch keinen anderen Ausweg mehr sehe, als externe Mächte zu Hilfe zu holen…

wenn das kind krank ist…

mein sohn wird demnächst ein jahr alt. wenn er krank ist, beschwerden meldet, nörgelig und nölig ist, bin ich zunächst mal verunsichert. wie schlecht geht es einem kind, wenn es ihm schlecht geht? was darf ich dann noch von ihm erwarten?

die frage stellt sich mir selbst im krankheitsfall genauso. was kann ich noch leisten, wenn körper, seele und geist nicht im normalbetrieb arbeiten? und was ist bitteschön normalbetrieb? und was erwarte ich dann von mir?

was passiert konkret? sein verhalten verändert sich (er wird anhänglicher, gibt mehr beschwerende laute von sich, wimmert und stöhnt, ist kaum mittels grimassen oder gesang abzulenken). um nun der situation angemessen auf ihn reagieren zu können, muss ich auch mein eigenes verhalten verändern. dabei werde ich mit meinen konzepten von krankheit und gesundheit konfrontiert: wie viel mitgefühl, wie viel verständnis, wie viel aufmerksamkeit bringe ich einem kranken gegenüber auf? wie schwer fällt es mir zu akzeptieren, dass der normalbetrieb durch krankheit unterbrochen wird? wie gut kann ich selber mit der krankenrolle umgehen, wenn ich krank bin?

fragen über fragen.
inzwischen hat das kind die erkältung hinter sich. die zahnungsbeschwerden dagegen bleiben ihm vorerst erhalten. genauso wie mir die unruhigeren nächte…