Lieber Olaf Scholz,

nach dem Interview in der Süddeutschen Zeitung gestern habe ich den Algorithmus des Scholzomaten entschlüsselt:

  1. Weiche der direkten Antwort aus.
  2. Stehe an der Spitze der Mehrheit.
  3. Halte starr am eigenen Weltbild fest.

Geprägt von Ihrer Stamokap-Zeit, geprägt vielleicht auch von dem mit dieser Weltsicht verbundenen totalitären Wahrheitsanspruch, bewegen Sie sich seither meist in einem sehr engen Interpretationskorridor der politischen Gemengelage. Wer durch Ihre enge Perspektive die Wirklichkeit nicht erkennen kann, ist selber schuld und muss eben dazu lernen.

Leider kriegen wir auf der Haben-Seite von Ihnen außer Floskeln (gute Polizei, guter Hafen, gute Bildung, gute Verwaltung, gute Stadt, guter Bürgermeister) sowie Law and Order (Anordnung Brechmitteleinsatz 2001, Gefahrengebiet 2014) nix geboten, was danach Aussehen könnte, wie das Leben in diesem Land, in dieser Stadt in zehn, zwanzig Jahren organisiert sein wird. Ach ja, ich vergaß: Rente mit 67 und Hartz4 sind Ihre maßgeblichen Ko-Errungenschaften.

Dass Sie sich am Ende des Interviews als Fan von „Fettes Brot“ outen, ist natürlich ein infamer Scherz auf Kosten von Leuten, die sich nicht dagegen wehren können – und Sie lachen sich in Fäustchen, wie gewitzt Sie das doch alles wieder angestellt haben…

Sie sind mir schon einer, Herr Scholz.

Mit freundlichen Grüßen,
TZ

Was ist ein Überwachungsstaat?

Der Medienkünstler manniac mind aus Berlin erklärt in 10:48 min, was ein Überwachungsstaat ist. Er belegt extrem anschaulich, warum es ziemlich dämlich ist, staatliche Überwachungssysteme zu ignorieren.

PRISM, Tempora, NSA, BND, Verfassungsschutz, Stasi 2.0 gehen mich nichts an – ich habe ja nichts zu verbergen, denn ich lasse mir ja nichts zuschulden kommen? Das Video öffnet die Augen, wie weit entfernt von der Wirklichkeit eine solche Haltung ist.

Ein Grundgesetz für Schäuble, update

Vor einigen Wochen schon schloss mich dem Aufruf an, Wolfgang Schäuble ein Grundgesetz zu schicken. Nun habe ich es endlich geschafft, eine Druckversion für den Bundesinnenminister auf den Weg zu bringen, mit Widmung selbstverständlich.

Das Geschenk wird von einem Anschreiben begleitet:

Sehr geehrter Herr Bundesinnenminister,

ich erlaube mir, Sie mittels einer naiv-symbolischen Handlung darin zu erinnern, welchem Auftrag Sie bis in die tiefsten Fasern ihres Bundesinnenministerlebens zu folgen haben!

Wenn Sie machen, was Sie wollen, gefährden Sie.

Nicht nachtragend und mit freundlichen Grüßen

Thomas Zimmermann

PS.: Parallel veröffentliche ich diesen Brief in meinem Weblog.

Anlage: Grundgesetz (1x)

Das Bild dokumentiert das Begleitschreiben:

Brief an Schäuble

BVG setzt staatlicher Datensammelwut Grenzen

Das Bundesverfassungsgericht (BVG) hat vorgestern eine Entscheidung bekannt gegeben, die mir Hoffnung macht. Es gibt in diesem Land Instanzen, die das Recht der Bürger auf informationelle Selbstbestimmung schützen – vor dem Anspruch des Staates, demnächst allwissend zu werden. Zwar ging es im Urteil um die Abfrage von Kontodaten, aber die Urteilsbegründung macht Nägel mit Köpfen hinsichtlich der Datensammelwut des Staates, wie ich finde. Ich zitiere zwei Sätze:

„Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung schützt den Einzelnen gegen informationsbezogene Maßnahmen, die für ihn weder überschaubar noch beherrschbar sind. Solche Gefährdungen drohen insbesondere dann in hohem Maße, wenn Informationsbestände für eine Vielzahl von Zwecken genutzt oder miteinander verknüpft werden können. Daher wäre eine Sammlung der dem Grundrechtsschutz unterliegenden personenbezogenen Informationen auf Vorrat zu unbestimmten oder noch nicht bestimmbaren Zwecken mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Der Gesetzgeber hat vielmehr den Zweck einer Informationserhebung bereichsspezifisch und präzise zu bestimmen. Die Informationserhebung und -verwendung ist auf das zu diesem Zweck Erforderliche zu begrenzen.

[…]

Ein hinreichend effektiver Rechtsschutz gegen heimliche Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung setzt voraus, dass der Betroffene von einem solchen Eingriff überhaupt Kenntnis erlangen kann. Ohne die Möglichkeit einer solchen Kenntnisnahme kann er weder die Unrechtmäßigkeit des Eingriffs noch etwaige Rechte auf Löschung oder Berichtigung geltend machen. Wie die Kenntnisgewährung im Einzelnen auszugestalten ist, gibt das Grundgesetz jedoch nicht vor. Der Betroffene ist allerdings zu benachrichtigen, wenn Datenerhebungen heimlich erfolgen, Auskunftsansprüche aber nicht eingeräumt worden sind oder den Rechten des Betroffenen nicht angemessen Rechnung tragen.“

Ein Grundgesetz für Schäuble!

Karan und Sven haben eine Aktion ins Leben gerufen, die darauf abzielt, den Bundesinnenminister mit gedruckten Grundgesetzen zuzuschütten. Das Referat Öffentlichkeitsarbeit des Deutschen Bundestages schickt einem Besteller kostenlos und portofrei maximal drei gedruckte Ausgaben des GG zu. Der Bestellvorgang über den Link dauert nicht länger als die Eingabe der eigenen Postadresse…

Die Grundgesetze lassen sich dann an den Chef des BMI weiterreichen:

Herrn
Dr. Wolfgang Schäuble
Bundesministerium des Innern
Dienstsitz Berlin
Alt-Moabit 101 D
10559 Berlin

Mal sehen, ob wir die Lawine wirklich zum Rollen bringen.