Patientenautonomie und Wahlfreiheit

Schon lange vertrete ich die Auffassung, die freie Arztwahl von gesetzlich Versicherten solle eingeschränkt werden. Einen solchen empfindlichen Eingriff in Autonomie und Selbstbestimmungsrecht öffentlich zu fordern, steigert nicht gerade die eigene Beliebtheit. Gerade auch nicht in einem gesellschaftlichen Klima, das die Freiheitsrechte immer nur ausweiten und Fremdeingriffe (Staatsmedizin!) zurückdrängen möchte.

Deswegen werde ich in loser Reihenfolge ein paar Fragen beantworten, die in diesem Kontext unbedingt beantwortet werden müssen:

1. Ist die Einschränkung der Patientenautonomie und der Wahlfreiheit überhaupt zu rechtfertigen?

Zum Wohle des Patienten in einem intransparenten Gesundheitssystem durchaus! Aber warum?

Persönliche Freiheitsrechte sind nicht nur ein hohes Gut unserer Gesellschaft. Sie machen diese Gesellschaft überhaupt erst attraktiv. Dennoch sind Zweifel erlaubt, ob wir immer und zu jeder Zeit und in jedem gesellschaftlichen Subsystem in der Lage sind, unsere Freiheitsrechte auszuüben. An die Ausübung der Freiheitsrechte ist nämlich unbedingt gebunden, dass sich das System, in dem sie angewendet werden, offen und durchschaubar verfasst ist. Das System muss die Rahmenbedingungen liefern, um eine selbstbestimmte Entscheidung überhaupt treffen zu können. Und das ist beim Gesundheitssystem – zum Teil gewollt, zum Teil ungewollt – nicht der Fall.

Freiheitsrechte wie die freie Arztwahl führen in einem intransparenten System dazu, dass Patienten alleine gelassen werden, einsame, falsche und deswegen krankeitsverlängernde Entscheidungen treffen. Ich habe das hinsichtlich funktioneller Beschwerden bereits ausführlich belegt.

Ein viel gewichtigerer Aspekt ist jedoch die Ausgangslage eines Patienten: Die Not, der Schmerz, die Beschwerden, die dazu führen, einen Arzt in Anspruch zu nehmen. Das Gesundheitssystem ist für den Patienten in weiten Teilen intransparent und alles andere als ein Markt. Weder verfügt ein Nachfrager von Gesundheitsleistungen (Patient) über alle Informationen, noch sind die Anbieter (Ärzte) dem freien Spiel der Kräfte unterworfen (Stichworte: Sicherstellung der Versorgung, Behandlungspflicht). Darüber hinaus ist es für den Arzt aus behandlungsstrategischen Gründen (Placebo, finanzielles Eigeninteresse) häufig gar nicht wünschenswert, dem Patienten sämtliche Informationen zur Verfügung zu stellen.

Zudem handelt es sich bei der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) um ein System, das auf solidarischem Ausgleich basiert: Leute, die wenig in Anspruch nehmen, finanzieren jene, die mehr Leistung bekommen. Auch deswegen ist es sinnvoll und zwingend, den Zugang zu kontrollieren. Wer die GKV als solidarisches System will und sie auch in Zukunft will, darf Wahlfreiheit einschränken. Die Patientenautonomie wird am Ende gestärkt, denn eine intelligente, transparente Begleitung durch das System führt auch zu besser fundierten Entscheidungen.

PS.: Wer unbedingt seinen Kardiologen zu seinem Hausarzt machen möchte, der sei in dieser Wahl zukünftig nicht mehr eingeschränkt. Egal wer, einer im System sollte der erste Ansprechpartner sein.

Kassenärztechef empfiehlt, die freie Arztwahl abzuschaffen

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung nimmt endlich eine alte Forderung von mir auf die politische Tagesordnung: Begleitung und Überweisung des Patienten zu Spezialisten ausschließlich durch den Hausarzt, damit Abschaffung der freien Arztwahl.

Ich bin entzückt, dass der Chef-Vertreter der ambulanten Ärzteschaft eine solche Debatte eröffnet. Sie ist notwendig, weil alle andere Steuerungsbemühungen innerhalb des Gesundheitssystems bisher fehlgeschlagen sind (Zuzahlungen, Praxisgebühr). So sehr dieser “Zwang”, zuerst einen Hausarzt zu sehen, ein Kulturschock für viele Patienten wäre, 75% aller Patienten gehen sowieso immer zuerst zum Allgemeinmediziner.

Warum also nicht die hausarztzentrierte Versorgung zur Pflicht für alle gesetzlich versicherten Patienten machen? Warum am ideologisch aufgeblasenen, alten Zopf “freie Arztwahl” festhalten?

Ich werde das Thema in den kommenden Tagen vertiefen, mit diesen Fragen:

1. Ist die Einschränkung der Patientenautonomie und der Wahlfreiheit zu rechtfertigen?
2. Welchen Nutzen haben Hausarztmodelle?
3. Gefährden Hausarztmodelle den Wettbewerb in der ambulanten Versorgung?
4. Gibt es Alternativen?

Bayerns Hausärzte bleiben im KV-System

Laut Meldung im Deutschen Ärzteblatt werden die bayerischen Hausärzte in absehbarer Zeit doch nicht kollektiv aus dem System der vertragsärztlichen Versorgung, organisiert durch die Kassenärztliche Vereinigung (KV), aussteigen.

Als Tiger gesprungen, als Bettvorleger gelandet. Vor allem der Hausarztverbandschef Hoppenthaller, der sein persönliches Schicksal an den Ausstieg aus dem System gekoppelt hat, steht nun blamiert da: Die Hausärzte wollten die Macht der anderen Facharztgruppen brechen, sie wollten den Honorarverteilungsschlüssel zu ihren Gunsten ändern, sie wollten an der KV vorbei die Versorgung der Patienten sicherstellen – nichts davon wird nun eintreten. Stattdessen stehen Bayerns Hausärzte schwächer da als je zuvor.

Womöglich ist der Abbruch der “Aktion Systemausstieg” am Ende doch keine Niederlage, sondern ein Sieg der Vernunft: Die Aussicht, auf diese Weise die eigenen Ziele durchzusetzen, hat wohl nie bestanden. Zu viele bayerische Hausärzte haben am Erfolg der Aktion gezweifelt und waren nicht bereit, die eigene Existenz auf diese Weise aufs Spiel zu setzen. Zu deutlich waren die Signale aus dem Sozialministerium, beim Ruin des KV-Systems eventuell die Krankenkassen mit der ambulanten Versorgung zu beauftragen.

Wie die Geschichte des Systemausstiegs ihren Lauf nahm, ist hier nachzulesen:

Fristverlängerung für GKV-Ausstieg der Hausärzte (07.03.08)
Hausarzt-Harakiri? (31.01.08)
Hausarztversammlung empfiehlt Systemausstieg (12.01.08)
Hausärzte raus aus der GKV?

Hausärztliche Versorgung reloaded

In Baden-Württemberg haben die AOK, der Ärzteverbund Medi und der regionale Hausärzteverband einen Vertrag zur ambulanten Versorgung von AOK-Patienten nach § 73 b SGB V geschlossen.

Das geht an die Struktur des uns bekannten Versorgungssystems: Der bisherige Quasi-Monopolist für die ambulante Versorgung, die kassenärztliche Vereinigung (KV), ist nämlich von diesem Vertragswerk ausgeschlossen. Der Rest der Republik, alle Spieler im System werden genau beobachten, wie Patienten und Ärzte den Vertrag annehmen und mit Leben füllen. Gespannt sein dürfen wir vor allem, ob bei der AOK am Ende die Kasse stimmt.

Die Vergütungsangelegenheiten sind klar geregelt: Pro Jahr und eingeschriebenem Versicherten 65 Euro, unabhängig davon, ob der Versicherte den Arzt in Anspruch nimmt. Geht der Versicherte zum Arzt erhält der für das entsprechende Quartal weitere 40 Euro (allerdings für maximal 3 Quartale im Jahr). Der Krankheitsstatus wird gesondert abgegolten: Chronisch kranke Patienten werden mit zusätzlichen 25 Euro im Quartal vergütet, diesmal aber für alle vier Quartale.

Auch das ist umstürzlerisch – und die Beteiligten nehmen auch gleich die Bierdeckelmetapher für sich in Anspruch: Ein Vergütungssystem, das auf einen Bierdeckel passt. Die AOK hofft, die Mehrausgaben durch effizientere Versorgung auszugleichen: Weniger Doppeluntersuchungen, mehr preiswerte Medikamente, eine echte Lotsenfunktion der Hausärzte. Den Patienten wird eine Abendsprechstunde angeboten und eine Behandlungsgarantie bis zum Ende des Quartals gegeben. Die bei bisherigen Hausarztverträgen übliche Rückerstattung der Praxisgebühr ist nicht vorgesehen.

Die AOK erwartet etwa 5000 teilnehmende Hausärzte und rund eine Million Versicherte, die sich einschreiben.

Das Projekt startet am 01. Juli 2008.

Funktionelle Störungen bzw. Beschwerden

Ich habe schon in meinem Kommentar zur freien Arztwahl darauf hingewiesen: Etwa ein Drittel aller Beschwerden, mit denen Patienten eine Hausarztpraxis aufsuchen, bleiben organisch unerklärt (Henningsen P, Zipfel S, Herzog W (2007). Management of functional somatic syndromes. The Lancet, 369, 9565, 946 – 955). Die mit der körperlichen Symptomatik verbundene funktionelle Einschränkung gibt den Störungen ganz pragmatisch ihren Namen.

Doch warum organisch bzw. medizinisch unerklärt, wenn es doch der Körper ist, der nicht korrekt funktioniert?

Körperliche Beschwerden an sich sind uns allen wohl vertraut. Manchmal hämmert der Kopf bis zum Zerplatzen. Manchmal schmerzen die Glieder und der Rücken. Manchmal fließt der Schweiß unkontrollierbar. Hin und wieder regt sich der Darm in kaum nachvollziehbaren Zyklen und die Magensäure steigt die Speiseröhre hinauf. Ab und an ertönt ein lästiges Fiepen im Ohr, welches aus uns selbst zu kommen scheint. Ein anderes Mal wird uns schwindelig oder unser Herz beginnt zu rasen…

Epidemiologische Befragungen zeigen, dass innerhalb einer Woche rund drei Viertel der Bevölkerung einmal über ein solches körperliches Symptom klagt. Die meisten der unspezifischen Signale des Körpers verschwinden nach kurzer Zeit. Wir erkennen sie als vorübergehend und entwickeln eigene Selbsthilfeprogramme, den Kater, den Durchfall oder das Pfeifen im Ohr zu kontrollieren. Um die Regungen des Körpers zu verstehen, greifen wir auf nahe liegende Erklärungsmuster zurück, in deren Licht uns die Beschwerden als „normal“ oder „berechtigt“ erscheinen: eine durchzechte Nacht, ein verdorbenes Kantinengericht, laut dröhnende Boxen auf der letzten Drum’n‘Bass-Party.

Darüber hinaus wissen wir um das Wechselverhältnis zwischen Körpersymptomen und psychosozialen Belastungen. Der Zusammenhang ist fest in der Sprache verwurzelt – ohne dass wir uns dessen immer Gewahr sind. Da „klingen Worte immer noch in den Ohren“. Eine Nachricht „macht schwindelig und kippt jemanden aus den Latschen“. Eine Prüfung „schlägt dem Prüfling auf den Magen“. Eine Ungerechtigkeit „versetzt das Blut in Wallung“. Oder ein Verlust „tut im Herzen weh und geht an die Nieren“. So lange wir auf diese Weise eine Erklärung für die leidvollen Körperreaktionen bekommen, die Symptome abklingen und das Gleichgewicht zurück kehrt, kommen wir nicht auf die Idee, damit einen Arzt zu behelligen.

Bei etwa einem Viertel der Betroffenen entwickelt sich jedoch eine dauerhafte Störung der körperlichen Befindlichkeit. Die Symptome verselbstständigen sich, der Kopf hämmert fortgesetzt, der Durchfall dauert wochenlang. Das körperliche Unwohlsein beginnt, den alltäglichen Gang der Dinge und die Lebensqualität zu beeinträchtigen. Halten die Beschwerden weiter an, sehen wir keinen anderen Ausweg, als uns in die fachkundigen Hände eines Mediziners zu begeben. Der Fachmann soll nun klären, welche körperliche Veränderung das Symptom erzeugt.

In dem Moment nämlich, in dem die Beschwerden länger andauern, als wir es gewohnt sind, tritt die Sorge vor einer körperlichen Ursache in den Vordergrund. Mögliche psychologische Erklärungsmuster verlieren an Erklärungskraft. Angesichts der erlebten, massiven Beeinträchtigung, die ja unseren Arztbesuch erst auslöst, erscheint es uns zwingend, dass mit unserem Körper „etwas nicht stimmt“.

Leider erweist sich unsere Annahme, dass stark beeinträchtigende, körperliche Symptome auch organisch erklärbar sein müssten, häufig als falsch. So zeigt eine repräsentative Erhebung (Hessel A, Geyer M, Schumacher J, Brähler E (2002). Somatoforme Beschwerden in der Bevölkerung Deutschlands. Zeitschrift für psychosomatische Medizin und Psychotherapie 48, 1, 38-58), wie verbreitet Körperbeschwerden ohne organischen Befund bei den Patienten sind: 30% der Befragten berichteten Rückenschmerzen, die das Wohlbefinden stark beeinträchtigten, für die der Arzt auch nach zwei Jahren keine (körperlichen) Ursachen finden konnte. Darüber hinaus klagten im selben Zeitraum 25% über Gelenkschmerzen, 20% über Schmerzen in Armen und Beinen, 19% über Kopf- und Gesichtsschmerzen, 13% über Völlegefühl. Damit bekommt mindestens ein Drittel der Patienten in Deutschland eine „Diagnose ohne Befund“ attestiert.

Und dann sprechen die Ärzte von funktionellen Beschwerden.

Morgen: Was passiert, wenn der Arzt nichts findet?

Fristverlängerung für GKV-Ausstieg der Hausärzte

Der Bayerische Hausärzteverband hat die Frist für den kollektiven Ausstieg seiner Mitglieder aus dem Vertragsarztsystem um 3 Monate bis Ende Juni 2008 verlängert. Verbandschef Wolfgang Hoppenthaller bestätigte die Verlängerung der Ausstiegsfrist. Ob der kollektive Ausstieg (mindestens 70 Prozent der Kollegen müssten in jedem Regierungsbezirk ihre Zulassungen zurückgeben) gelingt, ist sehr ungewiss. Viele Kollegen fürchten um ihre Existenz.

Hintergrund: Gegenwärtig sind niedergelassene Ärzte Zwangsmitglieder ihrer regionalen kassenärztlichen Vereinigung (KV). Diese verteilt die Zulassungen und handelt die Honorare mit den Kassen aus. Nur aufgrund dieser Zulassungen sind die Vertragsärzte berechtigt, die Behandlung gesetzlich versicherter Patienten mit der KV abzurechnen. Geben die Hausärzte ihre Zulassungen zurück, entfällt ihr Honoraranspruch.

Die Kollegen hoffen allerdings zweierlei: 1. Anschließend direkt mit den Krankenkassen ihre Honorare abrechnen zu können – was die Kassen jedoch ablehnen. 2. Die Hausärzte wollen ein eigenes Verhandlungsmandat mit den Kassen erzwingen, an der KV vorbei, von der sie sich nicht angemessen vertreten fühlen.

Nach all den vollmundigen Ankündigungen ob des Ausstiegs wirkt die Fristverlängerung wie das Eingeständnis, zunächst gescheitert zu sein. Wie viel mehr Hausärzte das dazu motiviert, ihre Praxis aufs Spiel zu setzen, ist völlig offen. Mißlingt die Rebellion, wird sicherlich der Antidepressiva-Konsum unter den Hausärzten zunehmen.

Was bisher geschah:

Hausarzt-Harakiri? (31.01.08)
Versammlung der Hausärzte in Nürnberg am 30.01.08 (Video)
Hausarztversammlung empfiehlt GKV-Ausstieg (12.01.08)
Hausärzte raus aus der GKV? (09.07.07)

Barmer Hausarztvertrag unzulässig

Das Bundessozialgericht in Kassel hat den Hausarztvertrag der Barmer Ersatzkasse für unzulässig erklärt (Aktenzeichen B 6 KA 27/07 R). Die enge Kooperation zwischen einem Hausarzt und einer Hausapotheke erfülle die Voraussetzungen für eine integrierte Versorgung nach §140 SGB V nicht: „Das System mag seine Vorteile haben, auch für die Versicherten. Eine sektorenübergreifende Zusammenarbeit verschiedener Fachbereiche sieht der Senat aber nicht.“ (dpa-Meldung via arbeitsrecht.de)

Eine solche Zusammenarbeit ist notwendig, um kassenseitig 1% der Gesamtvergütung einbehalten zu können, um sie im Rahmen eines integrierten Versorgungsvertrages an die beteiligten Ärzte und Apotheken auszuschütten.

Gegen die Ersatzkasse geklagt hatte die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Thüringen. Das Landessozialgericht in Thüringen hatte zuvor zugunsten der KV entschieden.

Die Reaktion der Barmer Ersatzkasse ist hier nachzulesen. Die Stellungnahme des Deutschen Apothekerverbandes findet sich hier.

Hausarzt-Harakiri?

Die bayerischen Hausärzte haben sich gestern in Nürnberg getroffen, um einen Ausstieg aus dem KV-System zu beraten. Wolfgang Hoppenthaler, Vorsitzender des Bayerischen Hausärzteverbandes bewertet die Veranstaltung als vollen Erfolg.

Der Konflikt, in erster Linie mit der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB), schwelt schon lange und eskalierte im Sommer letzten Jahres in seine heiße Phase. Die Hausärzte sehen sich am Gängelband der KVB, wollen besser bezahlt werden (was sonst!) und protestieren gegen die immer mieseren Arbeitsbedingungen mit immer höherem Dokumentationsaufwand und Beschneidungen ihrer therapeutischen Freiheit. Sie fürchten zudem um die Gewährleistung der flächendeckenden Versorgung, wenn nicht mehr genügend Ärzte bereit sind, den Job des Allgemeinarztes im ländlichen Raum zu übernehmen.

Allerdings ist völlig unklar, ob sich die Hausärzte nicht selber ins Knie schießen, wenn sie ihre Zulassungen kollektiv zurück geben. Ist doch in § 95b Absatz 1 des 5. Sozialgesetzbuches zu lesen: „Mit den Pflichten eines Vertragsarztes ist es nicht vereinbar, in einem mit anderen Ärzten aufeinander abgestimmten Verfahren oder Verhalten auf die Zulassung als Vertragsarzt zu verzichten.“ Das nun wäre exakt hier der Fall.

Doch wie das deutsche Sozialrecht gestrickt ist, verbietet es den Ärzten zwar kollektiv auszusteigen, hält aber auch eine Lösung vor, wenn sie es dennoch tun: Dann dürfen die Ärzte nach § 95b Absatz 3 das „1,0fache des Gebührensatzes der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ)“ mit der Krankenkasse abrechnen. Und darauf spekulieren die Mediziner selbstverständlich.

Dem steht jedoch ein spektakuläres Urteil des Bundessozialgerichtes (BSG) vom letzten Jahr entgegen, über das ich schon berichtet habe: GKV-Aussteiger ohne Kostenerstattung. In diesem Verfahren ließ es das BSG eben nicht zu, dass die Zahnärzte, die kollektiv aus dem KZV-System ausgestiegen waren, ihre Kosten zum einfachen GOÄ-Satz mit den Krankenkassen abrechnen konnten.

Inwieweit das den bayerischen Hausärzten erlaubt sein wird, ist gegenwärtig völlig unklar – und wird sicher die Sozialgerichte beschäftigen. Vielleicht stehen die Allgemeinmediziner am Ende ziemlich dumm da, wenn sie freiwillig aus dem System austreten und einfach andere Kollegen ihren Job übernehmen: Ärzte aus Tschechien, Ärzte aus anderen Bundesländern und anderen Fachgebieten…

Hausarztversammlung empfiehlt GKV-Ausstieg

95% der Delegierten einer Versammlung des Bayerischen Hausärzteverbandes haben den 8000 niedergelassenen Hausärzten in Bayern empfohlen, das System der Gesetzlichen Krankenversicherung zu verlassen und ihre Zulassungen zurückzugeben.

Bereits im vergangenen Sommer kündigte sich ein solcher Schritt an. Nun wird der Verband konkret – und beruft zum 30.01.08 eine Generalversammlung nach Nürnberg ein. Dann sollen die Mitglieder kollektiv ihren Austritt aus der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) erklären.

Hausärzte raus aus der GKV?

Der Verband der bayrischen Hausärzte hat auf seiner Delegiertenversammlung vergangenes Wochenende in Würzburg das einstimmige Votum der Delegierten erhalten, seine Mitglieder aus der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) herauszuführen. Der Vorstand des Landesverbandes darf ab sofort damit beginnen, den Ausstieg aus dem System gesetzlicher Krankenkassen und kassenärztlicher Vereinigung zu organisieren.

Paragraf 95b und Paragraf 72a SGB V regeln den Umgang mit den Verzichtserklärungen der niedergelassenen Vertragsärzte.

Mir ist völlig unklar: Wird das geduldet? Wird das angefochten? Zahlen die Kassen widerspruchslos den einfachen GOÄ-Satz, wie von den Initiatoren des GKV-Verzichts entworfen? Pokern die Hausarztfunktionäre zu hoch? Könnte jemand feststellen, dass sich auch mit nur der Hälfte niedergelassener Hausärzte eine gute primärärztliche Versorgung aufrecht erhalten liesse? Oder handelt es sich sowieso nur um strategisches Positionieren, weil gegenwärtig die Fallpauschalen für die ambulante Versorgung verhandelt werden? Am Ende doch alles nur heiße Luft?

Fragen über Fragen. Ich warte mit Spannung auf den weiteren Verlauf dieser Auseinandersetzung.