Pflegegesetz hilft bei eingeschränkter Alltagskompetenz

Ich besuche seit über sieben Jahren alte Menschen zu Hause, um Sie zu Ihrem Gedächtnis zu befragen. Da ich seit sieben Jahren alle 1,5 Jahre immer zu denselben Leuten gehe, kriege ich natürlich mit, wenn sie – zunächst einmal aus meiner Sicht – in die Hilfsbedürftigkeit rutschen. Bei den Hausbesuchen fällt mir auf, wie wenig das Pflegesystem von den Betroffenen genutzt wird. Obwohl gerade das neue Pflegegesetz aus dem Jahr 2008 viele Möglichkeiten, für Betroffene und Angehörige, bietet, Hilfe zu organisieren. Doch das Wissen darüber ist nicht allzuweit verbreitet.

Das beginnt mit der Unwissenheit über die neutrale Beratung zu Pflegefragen durch die Pflegestützpunkte. Und es setzt sich fort mit der Unwissenheit über die Chancen, Pflegegeld für einen Familienangehörigen zu bekommen, dessen Alltagkompetenz durch einen deutlichen Gedächtnisabbau stark beeinträchtigt ist.

Um vielleicht etwas Licht in das Dunkel zu bringen, schreibe ich mal die Fragen auf, die der Medizinische Dienst der Krankenkassen bei der Begutachtung beantwortet, wenn es darum geht, den Betreuungsbedarf bei Menschen mit eingeschränkter Alltagskompetenz (bspw. Demenzkranke) einzuschätzen. Der Katalog steht so in §45a SGB XI:

1. Unkontrolliertes Verlassen des Wohnbereichs (Weglauftendenz)
2. Verkennen oder Verursachen gefährdender Situationen
3. Unsachgemäßer Umgang mit gefährlichen Gegenständen oder potenziell gefährlichen Substanzen
4. Tätlich oder verbal aggressives Verhalten in Verkennung der Situation
5. Im situativen Kontext inadäquates Verhalten
6. Unfähigkeit, die eigenen körperlichen und seelischen Gefühle oder Bedürfnisse wahrzunehmen
7. Unfähigkeit zu einer erforderlichen Kooperation bei therapeutischen oder schützenden Maßnahmen als Folge einer therapieresistenten Depression oder Angststörung
8. Störungen der höheren Hirnfunktionen (Beeinträchtigung des Gedächtnisses, herabgesetztes Urteilsvermögen), die zu Problemen bei der Bewältigung von sozialen Alltagsleistungen geführt haben
9. Störungen des Tag-/Nacht-Rhythmus
10. Unfähigkeit, eigenständig den Tagesablauf zu planen und zu strukturieren
11. Verkennen von Alltagssituationen und inadäquates Reagieren in Alltagssituationen
12. Ausgeprägtes labiles und unkontrolliert emotionales Verhalten
13. Zeitlich überwiegend Niedergeschlagenheit, Verzagtheit, Hilflosigkeit oder Hoffnungslosigkeit aufgrund einer therapieresistenten Depression

Im zitierten Paragrafen steht zu den Bewertungsrichtlinien: „Die Alltagskompetenz ist erheblich eingeschränkt, wenn der Gutachter des Medizinischen Dienstes bei dem Pflegebedürftigen wenigstens in zwei Bereichen, davon mindestens einmal aus einem der Bereiche 1 bis 9, dauerhafte und regelmäßige Schädigungen oder Fähigkeitsstörungen feststellt.“

Zu den berechtigten Personen zählen einerseits Menschen, die sowieso schon die Pflegestufen 1, 2 oder 3 attestiert bekommen haben. Zudem aber auch jene Menschen, „die einen Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung haben, der nicht das Ausmaß der Pflegestufe 1 erreicht“, Menschen also mit „demenzbedingten Fähigkeitsstörungen, geistigen Behinderungen oder psychischen Erkrankungen“.

Viele Anspruchsberechtigte verzichten bis heute auf Unterstützung, weil Sie von diesen Möglichkeiten gar nicht wissen. Die schon erwähnten Pflegestützpunkte sind die ersten Anlaufstellen, um sich beraten zu lassen, unabhängig und neutral.

Link:
Informationen der Behörde für Soziales, Familie, Gesundheit und Verbraucherschutz zu Pflegestützpunkten in Hamburg