Teil 1: Neid und Konkurrenz bei Paaren
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Teil 28: Neid zwischen den Geschlechtern
Teil 29: Wie umgehen mit den neuen Lebenswirklichkeiten in Partnerschaften?
Teil 30: Männlicher Neid auf Frauen
Männlicher Neid auf die Frauen existiert aber nicht erst seit den Umbrüchen der 1960er-Jahre. Die Tatsache, dass Frauen Kinder bekommen und sie nähren können, treibt den Mann seit Menschengedenken um: Der neidische Impuls auf die weibliche Fruchtbarkeit drückt sich in einer Verkehrung der Wirklichkeit schon im biblischen Schöpfungsmythos aus. Eva entspringt Adams Rippe, gerade so, als habe der Mann die Fähigkeit, Leben zu erzeugen. Rolf Haubl (2001, S.181) schreibt dazu:
Wenn die Geburt Evas aus Adam die Herrschaft des Mannes über die – durch die Geburtsszene immer auch zum Kind gemachte – Frau rechtfertigen soll, dann mag das die tröstende Entstellung einer ängstigenden Realität gewesen sein: dass die Frau als Gebärende Gewalt über den Mann besitzt, werden doch alle Männer von Frauen geboren.
Das neidische Schielen der Männer auf die Gebärfähigkeit lässt sich als eine Art Rebellion gegen die eigenen biologischen Grenzen verstehen. Für viele Theoretiker der Psychoanalyse (Karin Horney, Erich Fromm, Bruno Bettelheim) ist dieser Neidimpuls das zentrale Motiv für den übergroßen männlichen Schaffensdrang – außerhalb der Kernfamilie.
Der Neid der Männer auf die Frauen sei Triebfeder für männliche Kreativität. Durch ihn erzeuge der Mann seit Jahrtausenden einen Großteil des so genannten wissenschaftlich-technischen Fortschritts. In seiner aggressiv- destruktiven Ausdrucksform inszeniere er Kriege, ergehe sich in Zerstörungslust und Eroberungs- beziehungsweise Unterwerfungsphantasien.
In ihrem Essay Geschlechterneid aus dem Sammelband Neidgesellschaft diskutiert Miriam Lau auch das Human Genome Project unter dem Aspekt des Gebärneids. Wie die Reproduktionsmediziner arbeiten die Genetiker an einem Programm, das nur ein Ziel zu kennen scheint: die Zeugung und Reifung des Kindes bis zur „Geburt“ – und zwar komplett außerhalb des Körpers der Frau. Die Fortschritte sind in der Tat beträchtlich. Befruchtete Eizellen können immer später in den weiblichen Körper verpflanzt werden. Frühchen haben schon ab der 24. Schwangerschaftswoche eine Überlebenschance. Die beiden Prozesse nähern sich allmählich an.
Doch Lau (2001, S. 126) warnt vor voreiligen Schlüssen: Bezogen auf die Entschlüsselung des menschlichen Genoms werden womöglich Diabetiker, Unfruchtbare und Krebskranke vom Gebärneid der Männer profitieren – „wie wir uns überhaupt mit dem Gedanken befreunden sollten, dass der Neid zwischen den Geschlechtern eine hochproduktive Angelegenheit ist, mit der die Menschen ihre konstitutionelle Bisexualität nicht nur einklagen, sondern auch in die Tat umsetzen“.
Aus dieser Sicht setzen die Männer das „Ich will auch“ seit vielen Jahrhunderten mit sehr großer Produktivität in die Tat um. Der Neid der Männer auf die Gebärfähigkeit wirkt sich also gewinnbringend auf die gesamte menschliche Entwicklung aus. Dies manifestiert sich auch im allgemeinen Sprachgebrauch: Wir gehen mit „einem Gedanken schwanger“. Wir behaupten, eine Problemlösung sei „eine schwere Geburt“. Oder wir fragen uns, wessen „Geistes Kind“ dieser oder jener Mensch eigentlich sei …
Literatur:
Haubl, R.: Neidisch sind immer nur die anderen. Über die Unfähigkeit, zufrieden zu sein, München: Beck 2001
Lau, M.: „Geschlechterneid“, in: Die Neidgesellschaft, Berlin: Rowohlt 2001
Teil 32: Sexuelle Macht und sexuelle Potenz
Teil 33: Weibliche Kommunikationskultur, Sozialkompetenz, Bindungsfähigkeit
Teil 34: Weiblicher Neid auf Männer
Teil 35: Neidisch auf die gesellschaftliche Macht der Männer?