Teil 1: Neid und Konkurrenz bei Paaren
…
Teil 28: Neid zwischen den Geschlechtern
Teil 29: Wie umgehen mit den neuen Lebenswirklichkeiten in Partnerschaften?
Teil 30: Männlicher Neid auf Frauen
Teil 31: Gebärneid – Frauen können Leben geben
Teil 32: Sexuelle Macht und sexuelle Potenz
Teil 33: Weibliche Kommunikationskultur, Sozialkompetenz, Bindungsfähigkeit
Teil 34: Weiblicher Neid auf Männer
Mittlerweile gehört es zum Selbstverständnis auch der Psychoanalyse, nicht mehr das Organ selbst als den Auslöser dieses weiblichen Neids zu betrachten, sondern die mit dem Besitz des Organs verbundene Macht und gesellschaftliche Anerkennung. Angesichts der Ungleichheiten, die Männer qua Geschlecht bevorzugen und Frauen aus demselben Grund benachteiligen, verwundert es nicht, wenn Frauen darauf neidisch reagieren. Der Neid der Frauen auf die Männer resultiert also nicht aus der biologischen Verschiedenheit der Geschlechter, sondern aus der sozialen.
Deshalb nennt Karen Horney, ebenfalls Psychoanalytikerin, das, was Freud verkürzt als „Penisneid“ in die Geschlechterdiskussion einbringt, „Männlichkeitskomplex“. In ihm drückt sich aus, was die Frau vermisst, wenn sie erlebt, wie ihr systematisch Dinge verwehrt sind, die Männer jederzeit zugestanden werden. In diesem Komplex äußert sich die Sehnsucht der Frau, ebensolche Entwicklungschancen zugestanden zu bekommen wie der Mann – und nicht nur auf die Rolle als Hausfrau und Mutter festgelegt zu werden. Horney schreibt:
Soweit bei diesen Männlichkeitswünschen der Neid auf den Mann im Vordergrund steht, äußern sie sich wie jeder andere Neid auch, also in diesem Fall in einem Ressentiment gegen den Mann, in einer inneren Erbitterung gegen ihn als den Bevorzugten, wie sie etwa der Arbeiter gegen den Unternehmer hat; in einer geheimen Feindseligkeit, die gleichsam darauf lauert, ihm eine Niederlage zu bereiten, oder ihn mit den tausend Mitteln des täglichen Kleinkrieges seelisch zu erlahmen. Kurz wir sehen das Bild, wie es sich in zahllosen Ehen auf den ersten Blick zeigt.
Die von Horney skizzierten Auswirkungen des weiblichen Neids allerdings erscheinen etwas zu einseitig und zu pessimistisch. Sie sieht nur die gegen den Mann gerichteten Auswirkungen und kolportiert auf diese Weise ein Frauenbild, dem viele Männer zustimmen werden, wenn sie an die unzufriedene Ehefrau in den eignen vier Wänden denken. Außen vor bleibt in Horneys Darstellung, dass Frauen durchaus andere Wege gehen, ihren Neid zu bewältigen – kreative, herausfordernde Wege. Diese suchen die Frauen auch ganz deutlich nicht gegen den Mann, sondern für sich.
Horney unterschätzt damit die Motivation der Frauen, ihr eigenes Schicksal in die Hand zu nehmen – und anzufangen, sich zu nehmen, was ihnen zusteht, ohne länger um Erlaubnis zu bitten. Das verläuft nicht konfliktfrei, denn keine Frau erwartet, dass jemand, der so lange von einem Besitzstand profitiert hat, diesen freiwillig herzugeben bereit ist. Frauenquoten, Frauenbeauftragte und Frauenförderprogramme gehören genau aus diesem Grund zu den gesellschaftlichen Mitteln, die systematische Benachteiligung abzubauen.
Horney, K.: Die Psychologie der Frau, Frankfurt/M.: Fischer 1984