Hessen darf Wahlmaschinen einsetzen

Anfang des Jahres klagte ein betroffener Wähler gegen den Einsatz von NEDAP-Wahlcomputern bei der hessischen Landtagswahl am kommenden Sonntag (27.01.08). Der hessische Staatsgerichtshof in Wiesbaden hat entschieden: Wahlmaschinen dürfen bei der hessischen Landtagswahl zunächst eingesetzt werden.

Aus der Pressemitteilung des Staatsgerichtshofes (pdf): „Bedenken gegen den Einsatz der Wahlcomputer können daher prinzipiell erst nach der Wahl im Rahmen des Wahlprüfungsverfahrens überprüft werden. Zuständig dafür ist das Wahlprüfungsgericht. Erst gegen dessen Beschluss kann der Staatsgerichtshof angerufen werden.

Klage gegen Wahlmaschinen in Hessen

Der Chaos Computer Club hat einem Bericht der Frankfurter Rundschau zufolge, Klage beim Staatsgerichtshof in Wiesbaden eingereicht. Stellvertretend für den Club hat eine hessische Wählerin am vergangenen Freitag eine einstweilige Verfügung gegen den Einsatz der Wahlmaschinen bei der Landtagswahl beantragt. Die Wahl findet am 27.01.08 statt.

Verfassungsbeschwerde gegen Datenspeicherung auf Vorrat

Zur Erinnerung: Morgen tritt das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung in Kraft. Alle Mobilfunk-, Festnetz- und Internetverbindungsdaten werden ab sofort durch den jeweiligen Anbieter für 6 Monate gespeichert – auf Vorrat, für den Fall, jemand lässt sich in dieser Zeit etwas zu Schulde kommen…

Ob all das grundgesetzkonform ist sehr umstritten. Deswegen haben Gegner der Massenspeicherung heute beim Bundesverfassungsgericht Beschwerde dagegen eingereicht.

Daten werden auf Vorrat gespeichert

Auch Bundespräsident Köhler findet, Telekommunikationsdaten sollten zukünftig auf Vorrat gespeichert werden. Er unterzeichnete heute das Gesetz, das zum 01.01.2008 in Kraft treten kann. Der paranoide, präventiv handelnde Staat, der in allen seinen Bürgern potentielle Gefährder sieht, nimmt Gestalt an, mittels Methoden, von denen die DDR-Staatssicherheit nur träumen konnte. Deswegen Stasi 2.0.

Ägyptischer Blogger wieder auf Sendung

Die Schlagzeilen diese Woche konnten Google (Claim: Don’t Be Evil) nicht gefallen, denn sie beleuchten, wie gut das Unternehmen mit staatlichen Behörden kooperiert – zu Lasten von Bloggern: YouTube sperrt ägyptischen Menschenrechtsblogger und Google übergibt IP eines anonymen Bloggers an israelisches Gericht.

Im Fall des ägyptischen Bloggers hat sich die Google-Tochter YouTube auf wundersame Weise bekehren lassen: Der Account von Wael Abbas ist wieder aktiv. Abbas Aktivitäten sind den ägyptischen Behörden ein Dorn im Auge, seit er ein Video veröffentlichte, das polizeiliche Folter dokumentiert. Wie gefährlich Bloggen in Ägypten ist, zeigt ein Urteil vom Februar 2007: Ägyptischer Blogger zu vier Jahren Haft verurteilt.

Falsche Fingerabdrücke funktionieren

Das ARD-Magazin PlusMinus dokumentierte heute Abend (Video), wie grotesk einfach es ist, das Fingerabdruck-Bezahlsystem der Einzelhandelskette Edeka auf Kosten Dritter auszuhebeln. In einstündiger Arbeit nahm Starbug vom CCC Berlin den Fingerabdruck eines Edeka-Kunden (Plusminus-Reporter) von einem Glas ab und fertigte mittels Digitalfotografie und etwas Holzleim eine Kopie. Die haut-dünne Kopie zog sich ein anderer Plusminus-Reporter über die Fingerkuppe. Damit ging er ohne Beanstandung durch das Bezahlsystem einkaufen.

Wie leicht diese Systeme zu überwinden sind, zeigte Starbug bereits auf dem Easterhegg 2005. Irritierend ist, dass a) Edeka seinen Kunden ein bereits kompromittiertes System unterjubelt und dass b) seit Frühjahr 2005 die technologische Entwicklung scheinbar stillsteht. Eine Dokumentation zur Herstellung von Fingerabdruck-Kopien findet sich in der Datenschleuder Nr. 87 (pdf), ebenfalls aus dem Jahr 2005.

Edeka verweist darauf, dass diese Scanner sogar von amerikanischen Regierungsbehörden freigegeben seien. Als ob nun ausgerechnet Regierungsbehörden, noch dazu amerikanische, gegen Unsinn gefeit wären.

Hamburger Wahlstift im ZDF

In „Drehscheibe Deutschland“ im ZDF lief am vergangenen Montag ein Stück über den Digitalen Wahlstift. Irgendwie haarscharf vorbei an der aktuellen Debatte. Zu früh produziert, um die Entwicklungen der Vorwoche aufzunehmen. Nicht mal die Info, dass der Stift nach einer Entscheidung der Bürgerschaftsfraktionen im Februar definitiv nicht eingesetzt wird, ließ sich noch unterbringen. Journalistisch zudem recht unbedarft, weil Behauptungen des Landeswahlamtes ungeprüft gesendet werden.

Ich frage mich: Was wollte das ZDF seinen Mittagszuschauern damit sagen? Die Botschaft am Ende: Solche Systeme bräuchten Vertrauen. Aber warum sollten wir als Wähler einem Abstimmungserfassungsprozess vertrauen, den keiner durchschaut? Warum sollte ich mich einem System unterwerfen, dass ich nicht mehr kontrollieren kann?

Wahlstift – Nachbetrachtung

Der CDU-Obmann im Verfassungsausschuss Kai Voet van Vormizeele gibt nicht auf, wie das Hamburger Abendblatt berichtet: „Er bedauerte, dass die Diskussion über den Wahlstift mit „nicht nachgewiesenen Behauptungen“ geführt worden sei. Er plädierte dafür, die Stifte bei der Wahl verpflichtend zu nutzen, um die Hamburger ans System zu gewöhnen – als abschließendes Ergebnis aber nur die Handauszählung heranzuziehen.

Wahrscheinlich kommt VvV demnächst auf die Idee, die Stadt solle den CCC auf Schadenersatz verklagen. Der hat ja schließlich die schöne Wahlstift-Idee zugrunde gerichtet und die Kostenlawine (Landeswahlamt schätzt über 20 Mio. Euro) losgetreten. Dabei scheint niemand sehen zu wollen, was wir gewonnen haben: Rückkehr des Vertrauens in den Wahlvorgang. Eine deutlich geringere Gefahr von Wahlanfechtungsklagen. Und ein verhindertes Chaos, wenn am 24.02.08 der Öffentlichkeit eine Sicherheitslücke präsentiert worden wäre, die den gesamten Wahlgang ins Zwielicht setzte.

Dass weite Teile der politischen Klasse Frust schieben, ist nicht verwunderlich: Sie wurden vorgeführt. Ihnen ist in den vergangenen Wochen dokumentiert worden, dass sie die Wahlstift-Vorentscheidungen auf der Basis von Versprechungen und Hoffnungen, aber nicht von Wissen und fundiertem Verständnis getroffen haben. Ihnen ist ein System aus der Hand geschlagen worden, auf das sie geschworen haben bis zuletzt. Und das durch die Straße! Von einem Laden, der sich Chaos Computer Club nennt!

Und dieser Club, das empört die Berufspolitiker besonders, argumentiert politisch: Wehret den Anfängen. Ein intransparentes Abstimmungserfassungssystem hat bei demokratischen Wahlen nichts zu suchen. Hamburgs Wahlstiftanhänger sind in die Knie gezwungen worden von einer kleinen, aber feinen außerparlamentarischen Opposition: Die hat ihnen die Sicherheitsfäden aus der Argumentation heraus gelötet. So implodierte das ganze schöne Begründungsgebäude.

Doch das alleine hätte wahrscheinlich nicht gereicht. Politiker entscheiden ja sonst auch häufiger gegen die Faktenlage. Wieso also hat es so funktioniert, wie seit dem Easterhegg 2007 im Eidelstedter Bürgerhaus von den Beteiligten angedacht? Aus Sicht der Öffentlichkeit fand das allgemeine Misstrauen in solche Großtechniken Gehör ausgerechnet bei jenen, die ansonsten als technik-affin, als begeistert und digital innovativ gelten. Wahlen sind ein sensibler Bereich der Willensbildung – und Misstrauen in diesen Vorgang berührt die Grundfesten des Gemeinwesens.

Hinzu kommt das Hamburger Abendblatt. Die Journalisten der meist gelesenen Hamburger Tageszeitung zu überzeugen, war ein wichtiger Baustein. Das wiederum wäre nicht passiert, hätten die Journalisten selbst Zweifel am Zweifel gehabt. So schwoll die Masse an kritischen Informationen an – und die verantwortlichen Parlamentarier konnten nicht anders, als ihren eigenen Vorschlag in die Tonne zu treten – auch wenn VvV weiter maulen wird, dass alles nur behauptet und nicht bewiesen sei.

Ich bin sehr froh über diese gelungene Aktion. Dank an alle, die sich dafür engagiert haben!

Wahlstift tot

Die drei Fraktionen der Hamburger Bürgerschaft haben sich geeinigt: Der Wahlstift wird am 24.02.2008 nicht als Wahlgerät eingesetzt. Nicht einmal seine Rolle als Zählhilfe scheint noch gesichert – und dass, obwohl das Landeswahlamt bereits 12000 Stifte eingekauft hat.

Ein voller Erfolg der technischen Demonstration des CCC am 25.10. (CCC hackt Hamburger Wahlstift) und der Expertenanhörung vor dem Verfassungsausschuss am 09.11.

Bad Oeynhausen kauft NEDAP-Wahlmaschinen

Holland wählt wieder auf Papier, weil das holländische Innenministerium den NEDAP-Wahlmaschinen die Zulassung als Wahlgeräte entzogen hat. Völlig unbeeindruckt von solchen Nachrichten aus dem Rest der Welt hat nun der Wahlausschuss der Stadt Bad Oeynhausen beschlossen, 28 Wahlmaschinen dieser Firma anzuschaffen.

Ja, liebe Stadträte der Kurstadt Oeynhausen, die Ihr so sehr darauf setzt, dass von nun an alles preiswerter, effizienter und schneller erfasst und ausgezählt werden kann, was in Eurem Städtchen so gewählt wird: Sind Eure Gehirnwindungen Teflon-beschichtet? Perlen sämtliche kritischen Erwägungen und Überlegungen zu Wahlmaschinen an Euch ab? Nichts gehört von der Unmöglichkeit, die Stimmen nachzählen zu können? Nichts gehört vom Verstoß gegen die geheime Wahl? Nichts gehört von der Pflicht des Wahlveranstalters, reale Möglichkeiten vorzuhalten, ein Wahlergebnis überprüfen zu können?

Stadträte von Oeynhausen: Warum so gnadenlos fortschrittlich? Warum so komplett merkbefreit?

Fragt sich der Zettmann.