Auch Bundestrojaner werden gefiltert

Das BKA nennt seine Schnüffelsoftware jetzt „Remote Forensic Software„, meldet heise.de.

Im Übrigen verkündete die Industrie schon auf der CeBit, ihre Programme würden den Bundestrojaner herausfiltern (sollten Sie ihn erkennen…): „Im Interesse unserer Kunden weltweit gewähren wir keinen Institutionen Zugang zu Kundencomputern“, betonte Andreas Zeitler, Geschäftsführer des Unternehmens Symantec Deutschland, gerade noch einmal in der Süddeutschen Zeitung. „Unsere Software wird also auch im Fall eines so genannten Bundestrojaners den Trojaner stoppen und entfernen.“ (Zitat via heise.de)

Schäuble fühlt sich missverstanden…

Eine Woche nach seinem SPIEGEL-Interview und kurz nachdem selbst CDU-Köhler sich vom Innenminister distanziert hat, verkündet Schäuble via ZDF und ARD, er sei rundweg missverstanden worden – und das auch noch absichtsvoll und böswillig…

Taucht die Frage auf, warum er, der Jurist und präzise Denker, sich so äußert, dass er missverstanden werden kann. Taucht weiter die Frage auf, warum der BMI-Chef sich eine ganze Woche Zeit nimmt, um auf die frei flottierenden Missverständnisse zu reagieren. Taucht die Frage auf, warum er nun schon seit Wochen, „in einer Art Stakkato“ (Köhler), Idee an Idee reiht, wie er seiner Verantwortung, für die Sicherheit des Landes zu sorgen, noch besser nachkommen kann. Eine Art „finaler Rettungswahn“ (Neue Presse, Hannover, zitiert via FTD)?

Weckt alles die Vermutung, der Mann habe eine Agenda, die er kalt kalkulierend durchzieht. Dabei agiert er offen und verwendet einen alten kommunikativen Trick: Er wirft seinen Kritikern jenes hysterische Denken vor, das er selber inszeniert. Damit bringt er sich zurück in die Offensive. Achtung also, so verheerend das Echo sein mag, der Mann bleibt ein Gefährder.

BVG setzt staatlicher Datensammelwut Grenzen

Das Bundesverfassungsgericht (BVG) hat vorgestern eine Entscheidung bekannt gegeben, die mir Hoffnung macht. Es gibt in diesem Land Instanzen, die das Recht der Bürger auf informationelle Selbstbestimmung schützen – vor dem Anspruch des Staates, demnächst allwissend zu werden. Zwar ging es im Urteil um die Abfrage von Kontodaten, aber die Urteilsbegründung macht Nägel mit Köpfen hinsichtlich der Datensammelwut des Staates, wie ich finde. Ich zitiere zwei Sätze:

„Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung schützt den Einzelnen gegen informationsbezogene Maßnahmen, die für ihn weder überschaubar noch beherrschbar sind. Solche Gefährdungen drohen insbesondere dann in hohem Maße, wenn Informationsbestände für eine Vielzahl von Zwecken genutzt oder miteinander verknüpft werden können. Daher wäre eine Sammlung der dem Grundrechtsschutz unterliegenden personenbezogenen Informationen auf Vorrat zu unbestimmten oder noch nicht bestimmbaren Zwecken mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Der Gesetzgeber hat vielmehr den Zweck einer Informationserhebung bereichsspezifisch und präzise zu bestimmen. Die Informationserhebung und -verwendung ist auf das zu diesem Zweck Erforderliche zu begrenzen.

[…]

Ein hinreichend effektiver Rechtsschutz gegen heimliche Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung setzt voraus, dass der Betroffene von einem solchen Eingriff überhaupt Kenntnis erlangen kann. Ohne die Möglichkeit einer solchen Kenntnisnahme kann er weder die Unrechtmäßigkeit des Eingriffs noch etwaige Rechte auf Löschung oder Berichtigung geltend machen. Wie die Kenntnisgewährung im Einzelnen auszugestalten ist, gibt das Grundgesetz jedoch nicht vor. Der Betroffene ist allerdings zu benachrichtigen, wenn Datenerhebungen heimlich erfolgen, Auskunftsansprüche aber nicht eingeräumt worden sind oder den Rechten des Betroffenen nicht angemessen Rechnung tragen.“

Ein Grundgesetz für Schäuble!

Karan und Sven haben eine Aktion ins Leben gerufen, die darauf abzielt, den Bundesinnenminister mit gedruckten Grundgesetzen zuzuschütten. Das Referat Öffentlichkeitsarbeit des Deutschen Bundestages schickt einem Besteller kostenlos und portofrei maximal drei gedruckte Ausgaben des GG zu. Der Bestellvorgang über den Link dauert nicht länger als die Eingabe der eigenen Postadresse…

Die Grundgesetze lassen sich dann an den Chef des BMI weiterreichen:

Herrn
Dr. Wolfgang Schäuble
Bundesministerium des Innern
Dienstsitz Berlin
Alt-Moabit 101 D
10559 Berlin

Mal sehen, ob wir die Lawine wirklich zum Rollen bringen.

Deutsche Reisepässe sicher

Eine Anfrage der Fraktion „Die Linke“ im Bundestag förderte neulich zutage, wie sicher die aktuellen Reisedokumente der Deutschen sind und dass sie in den vergangenen fünf Jahren nicht ein einziges Mal mißbräuchlich bei einem Terroranschlag eingesetzt wurden. Die Antworten deuten an, wie schmalbrüstig, fadenscheinig und irreführend die Sicherheits-Argumente sind, mit denen die Einführung biometrie-gestützter Reisepässe begründet wurde.

Frage Linkspartei: Wie viele Fälschungen und Verfälschungen deutscher Pässe sind seit 2001 auf welche Art und Weise und bei welcher Gelegenheit aufgedeckt worden?

Anwort der Bundesregierung: Im Rahmen der grenzpolizeilichen und sonstigen Kontrollmaßnahmen hat die Bundespolizei im Zeitraum 2001 bis 2006 insgesamt 6 Fälschungen und 344 Verfälschungen deutscher Pässe festgestellt.

Frage Linkspartei: Bei wie vielen der durchgeführten oder geplanten und aufgedeckten oder sonst verhinderten vermutlichen terroristischen Anschläge seit dem Jahre 2000 spielten bei Planung und Durchführung gefälschte deutsche Pässe oder Ausweise eine Rolle (bitte aufgeschlüsselt nach Jahren und Anlass darstellen)?

Anwort der Bundesregierung: Der Bundesregierung sind keine derartigen Fälle bekannt.

Instrumentalisierung des Terrors

Die Süddeutsche Zeitung druckt heute ein sehr instruktives Essay von Tøger Seidenfaden, Chefredakteur der dänischen Tageszeitung „Politiken„: Er thematisiert das Verhältnis des Westens zur islamischen Welt und warnt uns vor überzogenener Dämonisierung:

„[…]Die Terroristen selbst legen nicht einmal Wert darauf, zu überleben und weiterzukämpfen. Die einzige Stärke dieses Terrorismus besteht also darin, eine unserer höchsten zivilisatorischen Errungenschaften in Frage stellen zu können – den außerordentlichen Wert, den wir dem Leben des einzelnen Bürgers zumessen.

Es ist irritierend, ja schon fast peinlich, dass die westlichen Staaten, die zuerst den Rest der Welt durch den Kolonialismus gestalten, dann den Nationalsozialismus, den Faschismus und schließlich den sowjetischen Kommunismus überwanden, sich nun – von Auge zu Auge – durch einen islamistischen Terror existentiell bedroht sehen wollen.[…]“

Die westlichen Regierungen haben demnach ein außerordentliches Interesse daran, den Feind groß aufzubauen. Die Kriege in Afghanistan und im Irak nähren ihn sowieso. An der Heimatfront können in der Zwischenzeit munter die Bürgerrechte beschnitten werden.

Fingerabdrücke in Reisepässen

Letzten Freitag (08.06.07) verabschiedete nach dem Bundestag auch der Bundesrat das neue Passgesetz. Ich mache mir heute die Presseerklärung des Chaos Computer Club zur Speicherung von Fingerabdrücken in Reisedokumente zu eigen:

„Erneut wurde trotz der Kritik aller Experten eine teure Sicherheitssimulation ohne Nutzen beschlossen. Unter den Beteiligten ist längst klar, dass die Einführung der Fingerabdrücke in den Reisepass kein Mehr an Sicherheit bringt. Stattdessen wird die gesamte Bevölkerung nun auf den Meldeämtern erkennungsdienstlich behandelt. “Wie Kriminelle werden die Bürger gezwungen, ihre Fingerabdrücke beim Staat abzuliefern, ohne dass die Bundesregierung jemals sinnvoll begründet hat, warum diese biometrische Vollerfassung nötig ist”, sagte der CCC-Sprecher Andy Müller-Maguhn.

Der Grund für die biometrische Überwachungsmaßnahme liegt im immer weiter wachsenden Interesse des Staates an der Erfassung aller Daten seiner Bürger. Ganz nebenher wird aber auch die Biometrie- und RFID-Industrie gefördert. Die Interessenverquickung zwischen Politikern, wie z. B. Ex-Innenminister Schily, und der Industrie ist äußerst anrüchig. Hier wird offensichtlich nicht im Sicherheitsinteresse der deutschen Bevölkerung gehandelt, sondern direkt in die eigenen Taschen gewirtschaftet.

In der Praxis hat die Aufnahme der Fingerabdrücke für den Reisenden unangenehme Auswirkungen. Großflächige statistische Untersuchungen zeigen, dass 3 bis 5 Prozent der Bevölkerung keine ausgeprägten Fingerabdrücke aufweisen. Besonders häufig werden hier ältere Menschen diskriminiert. Auffallen werden die damit verbundenen Probleme erst beim Versuch eines Grenzübertrittes außerhalb der Schengen-EU. Die Konsequenzen für den Reisenden reichen nach Auskunft des Bundesinnenministeriums von gesonderter Behandlung mit verschärfter Kontrolle bis zur Rückweisung. Das gleiche gilt bei defektem RFID-Chip.

“Mit dem sofortigen, schrankenlosen Online-Abruf der Passbilder schon bei Ordnungswidrigkeiten wird eine neue Dimension des staatlichen Biometrieterrors gegen die Bürger erreicht. Kombiniert mit Verfahren zur automatischen Gesichtserkennung sind der permanenten Alltagsüberwachung nun keine Grenzen mehr gesetzt”, sagte CCC-Sprecher Andy Müller-Maguhn.

Der Chaos Computer Club ruft daher alle Bürger auf, die Abnahme der Fingerabdrücke zu boykottieren. Bereits wenn sich ein kleiner Teil der Bevölkerung der erkennungsdienstlichen Behandlung verweigert, kann die Totalüberwachung noch verhindert werden.“

Wer also nur in der Schengen-EU unterwegs ist, kann problemlos vermeiden, dem Staat die eigenen Fingerabdrücke zu überlassen.

Geruchsproben

Mag sein, dass derzeit die Reaktionen auf Maßnahmen der Sicherheitsorgane etwas hysterisch sind, wie der Bundesinnenminister meint.

Selbst wenn es also zum Ermittlungsalltag gehört, Geruchsproben von Verdächtigen zu nehmen, so braucht Schäuble nicht mit dem Finger auf andere zu zeigen: Er selbst hat tatkräftig dafür gesorgt, dass diese hysterische Stimmung im Land entstanden ist. All seine Vorschläge zu Gesetzesveränderungen aus den letzten Wochen (Online-Durchsuchung, biometrische Erfassung der Bevölkerung) haben den Boden dafür bereit.

Wenn heute wegen der Geruchsproben und den Präventivmaßnahmen gegen G8-Protestler eine große Welle durch die Medien schwappt, dann ist das der Sensibilisierung geschuldet, die in den vergangenen Wochen stattgefunden hat. Die Leute gucken den Sicherheitsorganen etwas genauer auf die Finger. Und das ist auch gut so, unabhängig davon, ob die Reaktion im Einzelfall übers Ziel hinausschießt.

Passfotofahndung

Die TAZ berichtete gestern, dass die Regierung das Passgesetz ändern will, um der Polizei zu ermöglichen, automatisiert auf die digitalen Passfotos der neuen biometrischen Reisepässe zuzugreifen, die bei den Passbehörden erfasst sind. Heute legt die tageszeitung nach: Auch ältere Personalausweis- und Passbilder sollen auf diese Weise für die Polizei zugänglich gemacht werden.

Das widerspricht den Verlautbarungen und Beteuerungen, vor allem denen des damaligen Innenministers Otto Schily, rund um die Einführung des biometrischen Reisepasses im Herbst 2005. Damals behaupteten die Verantwortlichen, die digitalen Fotos würden ausschließlich zur Feststellung der Identität des Passinhabers verwendet. Im aktuellen Passgesetz steht in §16, Absatz 6: „Im Pass enthaltene verschlüsselte Merkmale und Angaben dürfen nur zur Überprüfung der Echtheit des Dokumentes und zur Identitätsprüfung des Passinhabers ausgelesen und verwendet werden.“

Hier greift die bewährte Salamitaktik: Erstmal einführen, Gefahren und Risiken abwiegeln, Grenzen setzen. Ein bisschen später dann erweitern, vergrößern, ergänzen, Grenzen wieder abschaffen. Da ab 01.11.2007 auch digitale Fingerabdrücke in die Pässe eingefügt werden, sind zumindest die technischen Möglichkeiten für den Überwachungsstaat schon sehr edel. Es müssen nur noch die Gesetze angepasst werden. Dafür ist nun Herr Schäuble unser Gewährsmann.