Fristverlängerung für GKV-Ausstieg der Hausärzte

Der Bayerische Hausärzteverband hat die Frist für den kollektiven Ausstieg seiner Mitglieder aus dem Vertragsarztsystem um 3 Monate bis Ende Juni 2008 verlängert. Verbandschef Wolfgang Hoppenthaller bestätigte die Verlängerung der Ausstiegsfrist. Ob der kollektive Ausstieg (mindestens 70 Prozent der Kollegen müssten in jedem Regierungsbezirk ihre Zulassungen zurückgeben) gelingt, ist sehr ungewiss. Viele Kollegen fürchten um ihre Existenz.

Hintergrund: Gegenwärtig sind niedergelassene Ärzte Zwangsmitglieder ihrer regionalen kassenärztlichen Vereinigung (KV). Diese verteilt die Zulassungen und handelt die Honorare mit den Kassen aus. Nur aufgrund dieser Zulassungen sind die Vertragsärzte berechtigt, die Behandlung gesetzlich versicherter Patienten mit der KV abzurechnen. Geben die Hausärzte ihre Zulassungen zurück, entfällt ihr Honoraranspruch.

Die Kollegen hoffen allerdings zweierlei: 1. Anschließend direkt mit den Krankenkassen ihre Honorare abrechnen zu können – was die Kassen jedoch ablehnen. 2. Die Hausärzte wollen ein eigenes Verhandlungsmandat mit den Kassen erzwingen, an der KV vorbei, von der sie sich nicht angemessen vertreten fühlen.

Nach all den vollmundigen Ankündigungen ob des Ausstiegs wirkt die Fristverlängerung wie das Eingeständnis, zunächst gescheitert zu sein. Wie viel mehr Hausärzte das dazu motiviert, ihre Praxis aufs Spiel zu setzen, ist völlig offen. Mißlingt die Rebellion, wird sicherlich der Antidepressiva-Konsum unter den Hausärzten zunehmen.

Was bisher geschah:

Hausarzt-Harakiri? (31.01.08)
Versammlung der Hausärzte in Nürnberg am 30.01.08 (Video)
Hausarztversammlung empfiehlt GKV-Ausstieg (12.01.08)
Hausärzte raus aus der GKV? (09.07.07)

Barmer Hausarztvertrag unzulässig

Das Bundessozialgericht in Kassel hat den Hausarztvertrag der Barmer Ersatzkasse für unzulässig erklärt (Aktenzeichen B 6 KA 27/07 R). Die enge Kooperation zwischen einem Hausarzt und einer Hausapotheke erfülle die Voraussetzungen für eine integrierte Versorgung nach §140 SGB V nicht: „Das System mag seine Vorteile haben, auch für die Versicherten. Eine sektorenübergreifende Zusammenarbeit verschiedener Fachbereiche sieht der Senat aber nicht.“ (dpa-Meldung via arbeitsrecht.de)

Eine solche Zusammenarbeit ist notwendig, um kassenseitig 1% der Gesamtvergütung einbehalten zu können, um sie im Rahmen eines integrierten Versorgungsvertrages an die beteiligten Ärzte und Apotheken auszuschütten.

Gegen die Ersatzkasse geklagt hatte die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Thüringen. Das Landessozialgericht in Thüringen hatte zuvor zugunsten der KV entschieden.

Die Reaktion der Barmer Ersatzkasse ist hier nachzulesen. Die Stellungnahme des Deutschen Apothekerverbandes findet sich hier.

Hausarzt-Harakiri?

Die bayerischen Hausärzte haben sich gestern in Nürnberg getroffen, um einen Ausstieg aus dem KV-System zu beraten. Wolfgang Hoppenthaler, Vorsitzender des Bayerischen Hausärzteverbandes bewertet die Veranstaltung als vollen Erfolg.

Der Konflikt, in erster Linie mit der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB), schwelt schon lange und eskalierte im Sommer letzten Jahres in seine heiße Phase. Die Hausärzte sehen sich am Gängelband der KVB, wollen besser bezahlt werden (was sonst!) und protestieren gegen die immer mieseren Arbeitsbedingungen mit immer höherem Dokumentationsaufwand und Beschneidungen ihrer therapeutischen Freiheit. Sie fürchten zudem um die Gewährleistung der flächendeckenden Versorgung, wenn nicht mehr genügend Ärzte bereit sind, den Job des Allgemeinarztes im ländlichen Raum zu übernehmen.

Allerdings ist völlig unklar, ob sich die Hausärzte nicht selber ins Knie schießen, wenn sie ihre Zulassungen kollektiv zurück geben. Ist doch in § 95b Absatz 1 des 5. Sozialgesetzbuches zu lesen: „Mit den Pflichten eines Vertragsarztes ist es nicht vereinbar, in einem mit anderen Ärzten aufeinander abgestimmten Verfahren oder Verhalten auf die Zulassung als Vertragsarzt zu verzichten.“ Das nun wäre exakt hier der Fall.

Doch wie das deutsche Sozialrecht gestrickt ist, verbietet es den Ärzten zwar kollektiv auszusteigen, hält aber auch eine Lösung vor, wenn sie es dennoch tun: Dann dürfen die Ärzte nach § 95b Absatz 3 das „1,0fache des Gebührensatzes der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ)“ mit der Krankenkasse abrechnen. Und darauf spekulieren die Mediziner selbstverständlich.

Dem steht jedoch ein spektakuläres Urteil des Bundessozialgerichtes (BSG) vom letzten Jahr entgegen, über das ich schon berichtet habe: GKV-Aussteiger ohne Kostenerstattung. In diesem Verfahren ließ es das BSG eben nicht zu, dass die Zahnärzte, die kollektiv aus dem KZV-System ausgestiegen waren, ihre Kosten zum einfachen GOÄ-Satz mit den Krankenkassen abrechnen konnten.

Inwieweit das den bayerischen Hausärzten erlaubt sein wird, ist gegenwärtig völlig unklar – und wird sicher die Sozialgerichte beschäftigen. Vielleicht stehen die Allgemeinmediziner am Ende ziemlich dumm da, wenn sie freiwillig aus dem System austreten und einfach andere Kollegen ihren Job übernehmen: Ärzte aus Tschechien, Ärzte aus anderen Bundesländern und anderen Fachgebieten…

Hausarztversammlung empfiehlt GKV-Ausstieg

95% der Delegierten einer Versammlung des Bayerischen Hausärzteverbandes haben den 8000 niedergelassenen Hausärzten in Bayern empfohlen, das System der Gesetzlichen Krankenversicherung zu verlassen und ihre Zulassungen zurückzugeben.

Bereits im vergangenen Sommer kündigte sich ein solcher Schritt an. Nun wird der Verband konkret – und beruft zum 30.01.08 eine Generalversammlung nach Nürnberg ein. Dann sollen die Mitglieder kollektiv ihren Austritt aus der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) erklären.

Hausärzte raus aus der GKV?

Der Verband der bayrischen Hausärzte hat auf seiner Delegiertenversammlung vergangenes Wochenende in Würzburg das einstimmige Votum der Delegierten erhalten, seine Mitglieder aus der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) herauszuführen. Der Vorstand des Landesverbandes darf ab sofort damit beginnen, den Ausstieg aus dem System gesetzlicher Krankenkassen und kassenärztlicher Vereinigung zu organisieren.

Paragraf 95b und Paragraf 72a SGB V regeln den Umgang mit den Verzichtserklärungen der niedergelassenen Vertragsärzte.

Mir ist völlig unklar: Wird das geduldet? Wird das angefochten? Zahlen die Kassen widerspruchslos den einfachen GOÄ-Satz, wie von den Initiatoren des GKV-Verzichts entworfen? Pokern die Hausarztfunktionäre zu hoch? Könnte jemand feststellen, dass sich auch mit nur der Hälfte niedergelassener Hausärzte eine gute primärärztliche Versorgung aufrecht erhalten liesse? Oder handelt es sich sowieso nur um strategisches Positionieren, weil gegenwärtig die Fallpauschalen für die ambulante Versorgung verhandelt werden? Am Ende doch alles nur heiße Luft?

Fragen über Fragen. Ich warte mit Spannung auf den weiteren Verlauf dieser Auseinandersetzung.

Wahlpflichttarife der Krankenkassen

Die gesetzlichen Krankenkassen sind seit dem 01.04.2007 verpflichtet, ihren Versicherten Tarife für die Teilnahme an besonderen Versorgungsformen anzubieten:

  • Integrierte Versorgung (IV)
  • Disease-Management-Programme (DMP)
  • besondere ambulante ärztliche Versorgung
  • Modellvorhaben
  • Hausarzt-zentrierte Versorgung

Bestimmte Angebote, bei denen die Patienten bspw. die Praxisgebühr rückerstattet bekommen, haben die Krankenkassen bereits im Angebot. Gerade die Chroniker-Programme (DMP) sind für die Kassen attraktiv, da sie über den so genannten Risikostrukturausgleich und damit verbundene Ausgleichszahlungen im Pool der Kassen davon profitieren.

Einen Tarif zur Hausarzt-zentrierten Versorgung ist gegenwärtig jedoch kaum zu bekommen. Zwar bietet die Barmer Ersatzkasse ihren Versicherten einen Hausarztvertrag. Allerdings erfüllt der (eventuell) nicht die Vorgaben des Gesetzgebers. Ein Verfahren gegen diese Verträge ist vor dem Bundessozialgericht in Kassel anhängig. (update)
Aus Kostengründen ist seitens der Versicherer gegenwärtig kaum mit einem flächendeckenden Hausarzt-Tarif zu rechnen – zumal der Gesetzgeber versäumt hat, ein Datum ins Gesetz zu schreiben, bis wann die neuen Pflichttarife einzuführen sind. Wer einen Hausarzttarif von seiner Kasse will, diese aber abwiegelt oder auf später vertröstet, meldet sich am besten bei der Dienstaufsichtsbehörde, dem Bundesversicherungsamt in Bonn, Tel.: 0228 619-0.

Gesundheitsreform – Änderungen GKV

In zwei Beiträgen (Teil 1 und Teil 2) habe ich zusammengefasst, welche Kernelemente das am 01.04.2007 in Kraft getretene Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-WSG) enthält. Heute schiebe ich einen Zeitplan nach (Quelle: Gesundheitsministerium). In den kommenden Tagen werde ich hier Informationen zu einzelnen Aspekten der Reform veröffentlichen.

Heute weise ich auf die Änderungen bei der gesetzlichen Krankenversicherung hin. Die Änderungen in der privaten Krankenversicherung (PKV) poste ich übermorgen.

zum 01.04.2007

– Versicherungspflicht für alle, die der GKV zugeordnet sind
– Medizinische Versorgung:

    • Ausweitung der ambulanten Versorgung durch Krankenhäuser
    • Ausbau der Palliativversorgung
    • finanzielle Verbesserungen für Träger von Kinderhospizen
    • Rechtsanspruch auf Reha-Leistungen
    • Impfungen und Vater-/Mutter-Kind-Kuren sind Pflichtleistungen
    • Betriebskostenzuschuss bei ambulanten Geburten im Geburtshaus
    • Verbesserung der Übergänge vom Krankenhaus in die Rehabilitation und Pflege
    • Rechtsanspruch auf häusliche Krankenpflege in Wohngemeinschaften und anderen neuen Wohnformen

– Arzneimittel:

    • Einführung von Kosten-Nutzen-Bewertungen
    • Abgabe von einzelnen Tabletten an Patienten

– Neue Wahltarife:

    • Unter anderem für besondere Versorgungsformen wie Hausarztmodelle, Chroniker-Programm (Wahlpflichttarife der Krankenkassen)
    • Selbstbehalte, Kostenerstattung, Rückvergütung (Wahloptionstarife der Krankenkassen)

zum 01.01.2008

– Präzisierung der Ein-Prozent-Regelung für Chroniker

zum 01.11.2008

– Festlegung des einheitlichen Beitragssatzes durch die Bundesregierung

zum 01.01.2009

– Start des Gesundheitsfonds für die Gesetzlichen Krankenkassen
– Einführung des einheitlichen Beitragssatzes