HH-Bürgerschaft wirbt für Wahl

Die Hamburger Bürgerschaft startet dieser Tage eine Informationskampagne. Sie soll dazu motivieren, am 24. Februar wählen zu gehen, soll dem Volk das neue Wahlrecht erklären und für Vertrauen in den digitalen Wahlstift werben.

Letzteres mag vielleicht löblich sein, ist langfristig aber zum Scheitern verurteilt.

Wahlstift-Nachrichten 3

Laut NDR suchen die Hamburger Bürgerschaftsparteien nach einem Kompromiss beim digitalen Wahlstift. Gerade der notorische Wahlstiftverfechter von der CDU, Kai Voet van Vormizeele, wird mit den Worten wiedergegeben: Sollte sich die gesamte Opposition dagegen stellen, könne man das Ding einstampfen.

Gut so. Schnelligkeit und Effektivität der Auszählung sind kein Kriterium von Verfassungsrang. Aber die gleiche und die geheime Wahl sind Verfassungsrechte – und die sind durch die Wahlstiftgesetzgebung in Hamburg ernsthaft bedroht!

Auch die Welt Online berichtet von der Suche nach einem Kompromiss: Zukunft des digitalen Wahlstiftes ungewiss.

Wahlstift: Verfassungskonform?

Heute beginnt die angekündigte kleine Serie zum Hamburger Wahlstift. Am Anfang steht die Frage nach der Verfassungsverträglichkeit.

Hamburger Verfassungsrechtler halten den digitalen Wahlstift für nicht verfassungskompatibel (Experten warnen: Digitaler Wahlstift verfassungswidrig). Der Wahlstift gefährde jene Grundsätze des Demokratieprinzips, nach denen Wahlen allgemein, unmittelbar, frei, gleich und geheim zu sein haben.

Diese fünf Grundsätze und deren (Spannungs)-Verhältnis zum digitalen Wahlstift erläuterte Stephanie Schiedermair, Juristin an der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer, in ihrem Vortrag auf der Veranstaltung der Patriotischen Gesellschaft (Wie sicher ist elektronisches Wählen):

Allgemeinheit und Unmittelbarkeit der Wahl: Ist das Wahlgerät so einfach zu bedienen, wie das Ausfüllen des Wahlzettels leicht ist, steht dem Grundsatz der Allgemeinheit nichts im Wege. Auch die Unmittelbarkeit (keine Instanz zwischen Stimmabgabe und Ergebnis, die das Ergebnis verfälschen könnte) ist nicht bedroht, so lange die Wahlgeräte ordnungsgemäß arbeiten – und niemand versucht, das Wahlgerät zu manipulieren.

Die freie Wahl: Die ist selbst durch gezielte Manipulation des Wahlgerätes nicht bedroht. So lange die Entscheidung, die Stimme für diesen oder jenen abzugeben, nicht eingeschränkt wird, ist die Freiheit der Wahl unangetastet. Manipulationen am Wahlgerät verändern eine Entscheidung im Nachhinein, nicht bereits im Vorfeld.

Die gleiche Wahl: Aus diesem Grundsatz leitet das Bundesverfassungsgericht „die Pflicht des Gesetzgebers ab, ein Verfahren zu schaffen, bei dem Zweifel an der Richtigkeit der Stimmauszählung überprüft und das Ergebnis gegebenenfalls korrigiert werden können“. Der Hamburger Wahlstift erfüllt diese Vorgabe des Demokratieprinzips genau dann nicht, wenn nur die digitalen Stimmen zählen – wie aktuell in Hamburg vorgesehen. Die (noch vorhandenen) Papierstimmen sind wertlos, wenn ein Nachzählen dieser Stimmen das Endergebnis nicht mehr korrigieren kann.

Die geheime Wahl: Dieser Grundsatz bedeutet, dass das Abstimmungsverhalten vor Dritten verborgen bleibt. Die Briefwahl verletzt diesen Aspekt des Wahlgeschehens deutlich, wird aber vom BVerfG als kleineres Übel hingenommen. Durch die Briefwahl nehmen mehr Stimmberechtigte am Wahlverfahren teil. Das stärkt die Allgemeinheit der Wahl – und das rechtfertigt eine mögliche Verletzung der geheimen Wahl. Allerdings vergrößert der Wahlstift durch seine Manipulationsanfälligkeit das Risiko, die geheime Wahl zu gefährden. Kostenersparnis und schnelle Verfügbarkeit eines Wahlergebnisses rechtfertigen den Einsatz eines digitalen Wahlgerätes jedoch nicht: „Sie bilden (im Gegensatz zur Briefwahl, Anm. durch Z.) keine tragfähigen verfassungsrechtlichen Gründe, die bei einer Abwägung der Gefährdung der geheimen Wahl gegenübergestellt werden könnten.“

Zusammengefasst heißt das: Zwei Grundsätze einer demokratischen Wahl (gleich, geheim) sind durch den Hamburger Wahlstift akut gefährdet. Deswegen ist das ganze System aus verfassungsrechtlicher Perspektive abzulehnen.

Zitiert ist das aus und nachzulesen ist all das ausführlich in der Juristenzeitung (JZ 4/2007, 162-171).

Wahlstift-Nachrichten 2

Heute erschien ein trefflicher Kommentar im Hamburger Abendblatt zum Wahlstift: Digitaler Wahlstift – Schnelligkeit vor Sicherheit. Der Text formuliert sehr pointiert das Unbehagen an einer Technologie, die nicht mehr überprüfbar, zu komplex und zu wenig transparent ist – zumindest für einen so zentralen Baustein der Demokratie wie Wahlen sie darstellen. Das Prinzip einer allgemeinen, unmittelbaren, freien, transparenten und geheimen Wahl, das einer Abstimmung in der repräsentativen Demokratie zugrunde liegt, ist durch den digitalen Wahlstift massiv verletzt.

Durch eine solche Technologie wird allenfalls das Misstrauen in parlamentarische Organisationsformen weiter gestärkt. Und sie ist an dieser Stelle, ich wiederhole mich, wenn ich Rop Gonggrijp zitiere, „eine Nicht-Lösung eines nicht existierenden Problems„.

Verwundert bin ich am Ende nur, dass sowohl die GAL (Parlamentsdatenbank Drucksache 18/4176), als auch die SPD gemeinsam mit der CDU (Parlamentsdatenbank Drucksache 18/4075) den Senat im Frühjahr 2006 aufgefordert haben, die Abstimmungserfassungswunderwaffe in Hamburg erstmals einzusetzen. Damals hat offensichtlich noch keiner die Tragweite erkannt und über die Konsequenzen nachgedacht. Die Abgeordneten scheint eher motiviert zu haben, noch am Wahlabend das Ergebnis zu erfahren. Doch Auszählgeschwindigkeit – neues, komplexes Hamburger Wahlrecht mit Kumulieren und Panaschieren hin oder her – ist kein schützenswertes Gut. Die allgemeine, unmittelbare, freie, gleiche und geheime Wahl aber sehr wohl.

Wahlstift-Nachrichten

Das Hamburger Abendblatt nimmt sich derzeit intensiver dem Wahlstift an, der am 24.02.08 in Hamburg seine Weltpremiere haben soll.

Hier die Links zu den Artikeln seit dem 25.09.07:

Das Kreuz mit dem Wahlstift

Kippt die SPD den digitalen Wahlstift?

Zum Schaden der Demokratie

So funktioniert der Stift

Sicherheitsbedenken gegen den Wahlstift

Experten warnen: Digitaler Wahlstift verfassungswidrig

Holland wählt Papier

Eine sehr angenehme Meldung erreicht uns aus Holland: Das Niederländische Innenministerium entzieht beleglos arbeitenden, digitalen Wahlgeräten die Zulassung. Künftig wird in den Niederlanden wieder mit Papier und Stift abgestimmt. Nur zum Auszählen der Stimmen sollen digitale Geräte verwendet werden dürfen. Eine unabhängige Kommission, eingesetzt nach dem NEDAP-Hack im Herbst 2006, legte ihren Bericht vor, der auf heise.de so zusammengefasst wird:

„Ausgehend von den Grundanforderungen an demokratische Wahlen – genannt werden explizit die Freiheit, Gleichheit, Allgemeinheit, Geheimheit, Integrität, Transparenz und Verifizierbarkeit der Wahl – kommt die Kommission in ihrem jetzt an Innenministerin Anna Theodora Bijleveld-Schouten übergebenen Bericht zu dem Ergebnis, dass die gegenwärtige Generation von Wahlmaschinen diesen Anforderungen an den Wahlprozess nicht genüge. Sie empfiehlt die Beibehaltung der Papierstimmzettel, spricht sich jedoch für computergestützte Ausfüllhilfen sowie Stimmzettel-Scanner zur schnellen Auszählung aus.“

Der Chaos Computer Club, beteiligt an der Schwachstellenanalyse des niederländischen Wahlcomputers, hat eine Stellungnahme auf seine Webseite gestellt.

Hamburger Wahlstift

Erst heute schaffe ich es, hier ein paar Zeilen zur Veranstaltung „Wie sicher ist elektronisches Wählen?“ zu schreiben.

Zur Erinnerung: Die Hamburger sollen am 24.02.2008 als erstes Wahlvolk der Welt ihr Parlament mit einem digitalen Wahlstift bestimmen. Geht es nach der CDU und der Verwaltung, personifiziert durch den Hamburger Landeswahlleiter Willi Beiß soll auch nur die mittels digitalem Stift erzeugte Stimme als gültige Stimme anerkannt werden.

Soll heißen: Wer mit einem regulären Kuli sein Kreuzchen macht, wird aussortiert. Soll aber auch heißen: Wer per Brief wählt, dessen Stimmen werden anschließend nicht nur einfach ausgezählt. Vielmehr zeichnet ein Helfer die Stimmen nach, um sie zu digitalisieren. All das heißt schließlich: Die Papierstimme wird faktisch abgeschafft. Nachzählen der Stimmzettel und eine resultierende Ergebnisabweichung (wie in einem Testwahllokal in Mainz) haben dann keinen Einfluss mehr auf das Endergebnis.

Verabschiedet die Hamburger Bürgerschaft ein Wahlgesetz, das die elektronischen Stimmen, nicht die Papierstimmen das Endergebnis bestimmen, wird die Möglichkeit einer Gegenprobe faktisch ausgeschlossen. Das Papier, auf dem sich die Stimmen befinden, wird entwertet. Ein Nachzählen wird nämlich dann per Wahlgesetz für sinnlos erklärt.

Das gesamte Wahlstiftsystem wirft weit reichende Fragen auf: Verfassung? Sicherheit? Finanzen? Interessen? Die will ich hier in den kommenden Tagen etwas näher beleuchten.

Wie sicher ist elektronisches Wählen?

In der kommenden Woche (Dienstag, 18.09.07, 1800 Uhr, Reimarus-Saal, Trostbrücke 6, 20457 Hamburg) findet in Hamburg eine Veranstaltung zum elektronische Wahlstift statt. Veranstalter sind die Patriotische Gesellschaft von 1765, Mehr Demokratie e.V., wahlrecht.de und der Chaos Computer Club.

Bei der Bürgerschaftswahl im Februar 2008 wird Hamburg als erstes Bundesland einen digitalen Wahlstift einsetzen, um die Kreuze der Wähler zu erfassen. Diese technische Neuerung wirft eine Menge Fragen auf – u.a. jenen nach Daten- und Verfahrenssicherheit: Ist die Wahl dann noch geheim? Kann ich sicher gehen, dass meine Stimme auf dem elektronischen Medium abgespeichert ist? Auf solche und andere Fragen sollen an diesem Abend Antworten gegeben werden.

Was es sonst so auf sich hat mit elektronischen Wahlmaschinen, ist hier zu lesen: Wahlmaschinen, nein danke.

Wahlmaschinen: Nein, danke!

So wenig wir Wahlstifte brauchen, um unsere Abgeordneten zu wählen, so wenig sind dafür Wahlmaschinen nötig – zumal sie als „Black Box“ keiner Kontrolle zugänglich und für Manipulationen anfällig sind.

Der Hack der holländischen Bürgerinitiave „Wir vertrauen Wahlcomputern nicht“ im Oktober 2006 belegt das: Zunächst sprach der Geschäftsführer des Herstellers (NEDAP) davon, Hacker absolut hätten keine Chance, das Gerät zu manipulieren. Dass man auf den Wahlmaschinen auch Schach spielen könne, würde er gern vorgeführt bekommen. Nachdem die Bürgerrechtler zwei Speicherbausteine in der Maschine ausgetauscht hatte, erfüllten sie den Wunsch des NEDAP-Geschäftsführers: Sie installierten ein Schachprogramm. Der Wahlcomputer eröffnete d2 auf d4.

Öffentliche Petition zur ersatzlosen Streichung von § 35 Bundeswahlgesetz (Stimmabgabe mit Wahlgeräten).
Der CCC beobachtete die Cottbuser OB-Wahl. Außerdem: Cottbus zieht Konsequenzen und verabschiedet sich von Wahlcomputern.
Interview mit dem holländischen (H)A(c)ktivisten Rop Gonggrijp zu Wahlcomputern und dem NEDAP-Hack, den er mitverantwortet: Eine Nicht-Lösung eines nicht existierenden Problems.

Wahlstifte für Hamburg – Nein, danke!

In Hamburg werden zur Bürgerschaftswahl 2008 flächendeckend so genannte digitale Wahlstifte eingesetzt. Ein solcher Stift ist mit einer Doppelfunktion ausgestattet: Damit lässt sich auf Papier ein Kreuz machen, und im selben Moment wird die Wahlentscheidung elektronisch erfasst. In Rheinland-Pfalz wurden die Stifte getestet: Wahlstift-Test bei der Landtagswahl in Rheinland-Pfalz 2006, mit ernüchterndem Ergebnis. Es spart kaum Zeit, die Ergebnisse müssen korrigiert werden, das Wahlgeheimnis ist gefährdet.

Weitere Infos zu Wahlstiften/elektronischer Stimmabgabe:
23C3: „Das Bundesinnenministerium hat das Wahlrecht gehackt“
Heise-Meldung zur Wahlstiftentscheidung in Hamburg
GAL Hamburg kommentiert die Senatsentscheidung zum Wahlstift
Test der Wahlstifte in Hamburg-Wandsbek 2005
Empfehlungen des Europa-Rates zur elektronischen Stimmabgabe

Expertentreffen zur elektronischen Stimmabgabe

Gibt es Möglichkeiten, dagegen etwas zu unternehmen? Oder müssen wir zunächst auf Gerichtsurteile warten?