Der Statistiker in mir rebelliert, wenn wieder einmal Wahlergebnisse öffentlich diskutiert werden. Zwar könnten es alle wissen, dennoch wird es ignoriert: Prozentzahlen hängen von ihrer Ausgangsgröße ab. Gewinne und Verluste bei einer Wahl können nur dann wirklich aufeinander bezogen werden, wenn die Wahlbeteiligung in etwa gleich bleibt.
Das war in Hessen der Fall. Wobei der Verlust von 12% fast beschönigend wirkt, wenn Herrn Koch in absoluten Stimmen tatsächlich ein Viertel seiner Wähler abhanden kommen: Statt 1,333 Millionen hat er diesmal nur 1,009 Millionen Stimmen erhalten.
Noch einmal anders liest sich das Ergebnis in Niedersachsen. Hier gingen 530000 Menschen weniger zur Wahl als 2003. Der „Wahlsieger“ Wulf alleine, der knapp 6 Relativprozente verliert, büßt fast eine halbe Million Stimmen ein (statt 1,925 Mio wie 2003 wählen ihn nur noch 1,455 Mio). Allerdings wandern die in die Nicht-Wählerschaft ab – und kommen anderen Parteien nicht zugute wie in Hessen.
Richtig paradox wird der Relativprozenteffekt bei der FDP und den Grünen. Beide freuen sich an (moderat) gestiegenen Prozentzahlen (FDP +0,1 auf 8,2%, Grüne +0,4 auf 8,0%). Faktisch haben beide deutliche Stimmenverluste zu verbuchen: Während die FDP rund 46000 Kreuzchen weniger auf sich vereinen konnte, verloren die Grünen 31000.
Leider bleibt diese Sicht auf die Zahlen in der Wahlberichterstattung außen vor. Kein Journalist nimmt das zum Anlass, aus den ewigen Siegerposen mal ein bisschen die Luft rauszulassen. Auch am Tag danach nicht. Schade eigentlich.