Schwerins Stadtchef Claussen abgewählt

Vor knapp einem halben Jahr verhungerte in Schwerin ein Mädchen namens Lea-Sophie. Der Oberbürgermeister der Stadt äußerte daraufhin öffentlich: “Es hätte in jeder anderen Stadt passieren können, und der, dem es passiert ist, hat in diesem Fall Pech gehabt.”

Ich verschaffte hier im Blog meiner Empörung über Herrn Claussen etwas Luft und endete mit diesem Satz: “Möge auf soviel Hochmut, Selbstgerechtigkeit und Eiseskälte alsbald Ihr Sturz folgen!” Heute nun war es soweit: In einem Bürgerentscheid stimmten fast 30000 Schweriner dafür, den unfähigen OB in den vorzeitigen Ruhestand zu schicken.

Manchmal gehen Wünsche eben doch in Erfüllung.

ARD-Sendung „Polylux“ gehackt

Ein „Kommando Tito von Hardenberg“ hat sich per Video auf Youtube dazu bekannt, der Redaktion und der Redaktionsleitung (Tita von Hardenberg) der TV-Sendung „Polylux“ die gefälschte Geschichte eines Drogenabhängigen untergeschoben zu haben.

Zitat aus dem Bekennermaterial:

„Wir, Angehörige des „Kommandos Tito von Hardenberg“ der Hedonistischen Internationale haben heute, am 10. April des Jahres 2008 das öffentlich-rechtliche Musik- und Drogenformat „Polylux“ angegriffen. Unser Angriff auf den boulevard-medialen Komplex soll unsere grundlegende Opposition ausdrücken gegen Praktikantenausbeutung und schlechtes Fernsehprogramm.“

Danke für den Hack, „Kommando Tito von Hardenberg“. Danke für diese revolutionäre Tat. Die Verantwortlichen beim gebührenfinanzierten Haussender des Formats, dem Rundfunk Berlin-Brandenberg (RBB), sollten das doch zum Anlass nehmen, die Arbeitsmethoden der Redaktion etwas näher zu beleuchten. Oder den pseudo-coolen, dusseligen und – nunmehr belegt – schlecht recherchierten Schnick-Schnack gleich ganz aus dem Programm streichen.

Demenz, Würde und eine Walter-Jens-Homestory mit fadem Beigeschmack

Diese Woche gibt Inge Jens im STERN einen tiefen, zu tiefen Einblick in das Leben mit ihrem Demenz-erkrankten Ehemann, dem Tübinger Geisteswissenschaftler und Schriftsteller Walter Jens. Dessen gesamtes professionelles Leben gründet auf Text und Sprache, auf Kommunikation, auf Schreiben und Lesen. Doch dieser Teil seiner Identität ist durch die Erkrankung ausgelöscht.

Das Interview ist sicherlich aufrichtig. Aus Frau Jens sprechen Verzweiflung und Hilflosigkeit, aber auch Kälte und Distanz. Dennoch bleibt das Motiv dieser Bloßstellung vollständig im Dunkeln. Was will uns Frau Jens verdeutlichen? Dass es jeden treffen kann? Dass Demenz ganz und gar furchtbar ist, vor allem für die Angehörigen? Oder gibt es in der Familie offene Rechnungen? Was auch immer das Motiv sein mag, aus dem Interview lässt es sich nicht erschließen. Den alten Mann so vorzuführen, scheint mir doch arg unwürdig.

Neulich schrieb Tilman Jens in FAZ: „Meine Mutter, mein Bruder und ich sind uns einig, wir wollen, wir werden sein Leid nicht verstecken.“ Das lässt sich auch als Drohung verstehen.

Denn nun ist diese STERN-Geschichte dabei rausgekommen, weil die Familie das Leid des Professors nicht verstecken will. Warum will sie das nicht? Warum geht die Familie mit dem Leid des Alten hausieren?

Und: Grenzt es nicht an Mißbrauch von Einverständnisunfähigen, wenn solche Bildstrecken wie die im STERN veröffentlicht werden?

Kultureller Völkermord?

Andrian Kreye kritisierte gestern (18.03.08) im Feuilleton der Süddeutschen Zeitung die Verwendung des Begiffs „kultureller Völkermord“ durch den Dalai Lama. Der Begriff sei ein leeres Reizwort ohne völkerrechtliche Grundlage, wohl aber mit historischer Assoziationskette, ein Kampfbegriff. Und wer derlei Assoziationen (Holocaust! Den allerdings Kreye ins Spiel bringt!) wecke, der komme eben zu einfachen Formeln, ohne dass sich die Parallelen erkennen ließen.

Der Dalai Lama verwende den Begriff nur, um im Westen maximale Aufmerksamkeit zu erzeugen – zumal in der Wiedergabe der Worte in den westlichen Medien das Adjektiv „kulturell“ meist unterschlagen werde. Ich habe mich dem Begriff des Dalai Lama in meinen „Gedanken an Tibet“ durchaus verbunden gefühlt – und erachte ihn keineswegs nur als Marketing-Instrument. Vielmehr differenziert das Begriffspaar durch das Attribut „kulturell“.

Die Tibeter erinnern mich auf ihre Weise an die Aborigines in Australien. Nicht so alteingesessen, sicher. Aber wie diese durch die PoHMs (Prisoners of Her Majesty) und deren Nachfahren in den vergangenen zwei Jahrhunderten werden die Tibeter durch die Han-Chinesen einfach von der Landkarte verdrängt. Die Chinesen besiedeln in Massen das Hochplateau, sind überhaupt (wie die PoHMs) die mächtigere, die hegemoniale Kultur. Diese Kultur besetzt aber nicht nur den Raum. Sie setzt die Regeln, bestimmt die Grenzen der Freiheit und das Ausmaß der Beschränkungen. Zur Not gehen die Eindringlinge über Leichen, um ihre Interessen zu wahren. Den Tibetern (wie den Aborigines) bleibt nur, sich zu arrangieren, sich anzupassen, sich unterzuordnen – und langfristig unterzugehen.

Der Identitätsverlust für das tibetische Volk als Gruppe ist irreparabel. Einzelne können sich dem sicherlich entziehen, ergreifen die Chancen und Möglichkeiten, die ihnen geboten werden. Doch die Kultur ist dem Untergang geweiht. Überleben wird Folklore, der Rest versinkt in der Depression. Insofern: Kultureller Mord an einem Volk trifft schon, was sich dort seit Jahrzehnten abspielt.

Gedanken an Tibet

Die aktuellen Ereignisse in Tibet rufen alte Bilder in mir wach: Vor fast 21 Jahren, am chinesischen Nationalfeiertag 1987 (01. Oktober) erlebte ich einen ähnlichen Ausbruch von Verzweiflung, Wut und Frustration gegen eine übermächtige chinesische Herrschaft, wie sie sich dieser Tage wieder in Lhasa Bahn bricht: Tagsüber brennende Polizeiautos und Polizeistationen, Barrikaden auf den Straßen. Demonstranten. Später hallten Schüsse durch die Nacht.

Ausländer bekamen in ihren Hotels die Nachricht zugestellt, sich nicht auf den Straßen zu bewegen. Für unsere Sicherheit hätten die Behörden nicht mehr garantieren können, ließen sie uns wissen. Am Morgen danach war Lhasa „befriedet“. Totenruhe. Patroullierende Soldaten. Anspannung. Unsicherheit. Die Provinz wurde danach abgeriegelt, allerdings nur oneway: Ausländer, die da waren, durften (auch für uns damals irritierend) bleiben. Nur hinein führte kein Weg.

Es wundert mich nicht, wenn ich heute im Fernsehen Tibeter sehe, die ausgerechnet die Fassade der Bank of China zerlegen. Das Symbol der Fremdherrschaft, Finanzier einer sicherlich auch in Tibet rasanten Wirtschaftsentwicklung, die allerdings die Tibeter zu Fremden im eigenen Haus macht. Die Chinesen haben längst die Mehrheit übernommen. Zu DDR-Zeiten kursierte der Witz, wie China einen (Bruder)-Krieg gegen die Sowjetunion gewinnen könnte: Sie schicken einfach ein paar Hunderttausend Leute in russische Kriegsgefangenschaft… Auf diese Weise gewann China den unerklärten, schleichenden Krieg gegen Tibet und seine Bewohner. Die Partei schickte zehntausende Han-Chinesen auf das Hochplateau. Sie bevölkern die Städte und Dörfer und sind die Chefs im Land.

Dass Frust, Wut und Verzweiflung sich immer wieder entladen müssen, haben sich die Chinesen selber zuzuschreiben. Niemand muss die teilweise seltsamen Rituale und religiösen Gepflogenheiten der Tibeter gut finden, um den chinesischen Umgang mit diesem Volk arrogant, rassistisch, unwürdig und unentschuldbar zu nennen. Wenn der Dalai Lama heute vom kulturellem Völkermord spricht, kommt er der Wirklichkeit im Himalaya dieser Tage beängstigend nahe.

Einen Job für Roland Koch!!

Wäre Roland Koch nicht so schwer vermittelbar, hätte er bestimmt schon ein Jobangebot – und der Stillstand in Hessen wäre vorbei. Zwar kommt gerade Bewegung in die Angelegenheit, denn Frau Roth (OB in Frankfurt) wird als mögliche Ministerpräsidentin ins Spiel gebracht. Es könnte aber auch sein, dass sie auf diese Weise für das Amt verbrannt werden soll, weil sich andere gerne in dem Job sähen.

Egal, wer es macht, das gegenwärtige Problem heißt Koch. Erinnern wir uns, wie die SPD mit wahlgebeutelten Ministerpräsidentenkandidaten umgeht: Sigmar Gabriel verlor in Niedersachsen. Heute: Minister. Peer Steinbrück verlor in NRW. Heute: Minister. Oder noch weiter zurück: Ein Herr Klimmt verlor im Saarland – und wurde dann mal ein paar Monate Verkehrsminister. Oder Hans Eichel. Verlor Hessen an Koch und wurde der Nachfolger von Lafontaine als Finanzminister. Fast ließe sich behaupten, eine Wahlniederlage für die SPD macht den Verlierer ministrabel.

Doch wie gesagt, Koch ist schwer vermittelbar – zumal im Merkel’schen Kabinett gerade keine Stelle frei ist. In die Industrie zu wechseln, böte sich an. Doch: Welches Unternehmen, gar noch ein internationales, möchte sich mit einem Mann belasten, der in der Öffentlichkeit ein solches Image hat: Scharfmacher, schwarz-konservativ, dass er noch im Kohlenkeller Schatten wirft, xenophop und ziemlich unbelehrbar! Jeder, der einigermaßen bei Trost ist, macht einen großen Bogen um eine solche Bewerbung. Was also tun mit Herrn Koch?

Da der Mann eine Mission zu haben scheint, ist darauf keine leichte Antwort zu finden. Sich als Anwalt neu zu erfinden, wie Herr Merz das tut, fällt Koch wahrscheinlich noch schwerer als dem Mann aus dem Sauerland. Wem also etwas einfällt, der kann das hier ins Weblog schreiben oder es gleich der CDU Hessen andienen.

Gerd Baier in Hamburg

Der Heidelberger Jazzpianist Gerd Baier tritt am Freitag, den 29.02.08, im Hamburger Stellwerk auf. Ich kann allen Jazz-Interessierten sehr empfehlen, sich den Mann, wenn er in Hamburg gastiert, nicht entgehen zu lassen. Er spielt keinen Jazz, den wir schon tausend Mal irgendwo gehört haben. Er macht vielmehr innovative Musik, von der wir gerne mehr kennenlernen möchten. So ging es zumindest mir, als ich Baier vor einigen Jahren beim Bansko Jazz Fest in Bulgarien mit dem Northside Quartet erlebt habe.

Nach Hamburg tourt Baier zusammen mit einem Bass (Boris Friedel) und einem Schlagzeug (Dirik Schilgen). Gemeinsam firmieren sie als „Gerdband“. Als Pressetext liest es sich so, was wir zu erwarten haben:

Contemporary Jazz
Mit dem Pianisten Gerd Baier kommt einer der außergewöhnlichsten Musiker Deutschlands nach Hamburg. Abseits der ausgetretenen Wege hat er von Anfang an konsequent seinen eigenen Stil vertreten. Diese Eigenwilligkeit hat ihn auf große Bühnen Europas, in angesehene Venues der Jazzszene wie auch in die Clubs von New York gebracht. Das Geheimnis seines Erfolgs liegt in der Mischung aus brillanten Themen, klugen Arrangements und bewegenden Improvisationen. Bassist Boris Friedel und Schlagmann Dirik Schilgen sind Gleichgesinnte im Geiste, die auf der Bühne selbstständige Standpunkte besetzen, eigene Ideen verwirklichen. Äußerlich ein herkömmliches Jazztrio entsteht eine erregende Musik ganz eigener Spielart, die Geist und Sinne betört, ein Rausch der Klänge und Rhythmen. Kurz, hingehen ist ein Muss für all diejenigen, die etwas anderes wollen als altbekannten Mainstream oder ewig gleiche Sessionmusik.

Hingehen!