Fisimatenten reloaded

Zu Beginn des Jahres 2007 rief die PR-Agentur „Mann beißt Hund“ dazu auf, das Wort „Fisimatenten“ zu retten. Ich habe mich mit einem Text an der Rettung beteiligt, eine Kategorie im Weblog so genannt und trage das MbH-T-Shirt „Keine Fisimatenten“. Außerdem sage ich häufiger zu unserem Sohn, er möge doch jetzt seine Fisimatenten lassen. Was mir möglich ist, das Wort zu retten und wieder in den Sprachgebrauch einzubauen, tue ich.

Nun hat das Wort gute Chancen, bei einem Wettbewerb des Goethe-Instituts einen herausragenden Platz einzunehmen. Die Kultureinrichtung des Bundes, zuständig für die Verbreitung der deutschen Sprache in der Welt, sucht das beste „Wort mit Migrationshintergrund“. Das beste Wort also, das irgendwann nach Deutschland eingewandert ist bzw. einer anderen Sprache entliehen wurde, um hiesige Angelegenheiten zu benennen.

SPIEGEL Online berichtet heute, Fisimatenten lägen in der aktuellen Hitliste vorn, vor Tohuwabohu.

Wenn Blogger übers Ziel hinaus schießen…

In den Wissenschaftsblogs Wissenswerkstatt und Begrenzte Wissenschaft arbeiten sich die Blogger-Kollegen dieser Tage an der Wissenschaftsrezeptionsfähigkeit der Printjournalisten von SZ, SPIEGEL, Welt & Co. ab. So löblich das Ziel sein mag, der gedruckten Presse zu belegen, wie oberflächlich und mit wenig Sachverstand sie zu Werke geht, so wenig eignet sich nun ausgerechnet der hierfür gewählte Gegenstand, eine Beobachtungsstudie des britischen Dermatologen Sam Shuster: Sex, aggression, and humour: responses to unicycling.

Klar können sich die beckmesserischen Blogger begründet beschweren, dass die hochbezahlten Wissenschaftsjournalisten das Augenzwinkern des Autors übersehen. Klar können Sie eine Reihe von Kriterien aufführen, warum Shusters Arbeit nicht die Kriterien für objektive, nachprüfbare Wissenschaft erfüllt. Klar lässt sich einflechten, wie gut man selber weiß, was Wissenschaft ist – und vor allem, was nicht.

Allerdings offenbaren diese Kritiken ein eher eindimensionales und daher beschränktes Verständnis dessen, was Wissenschaft ist. Einzelfallstudien, ethnographische Beschreibungen, standardisierte Beobachtungen können nach dieser Lesart niemals Wissenschaft sein. Dass wissenschaftliche Objektivität häufig eine Fiktion ist und kaum herstellbar, weil menschliche Subjekte die Wissenschaft betreiben, scheint beiden Bloggern nicht denkbar.

Vielmehr machen sie einen Gegensatz auf zwischen Shuster und jener richtigen Wissenschaft, die uns ihrerseits täglich mit frischem Nonsens, Lug und Trug versorgt: Medikamentenstudien, aufgehübscht mit statistischen Tricks. Leukämiestudien, die Zusammenhänge mit Atomkraftwerksstandorten (wirklichen und geplanten) herausfinden. Auf gefälschtem Material basierende Zell-Experimente. Hysterische Klimaveränderungsberichte, die nun begründen helfen, warum wir doch neue Atomkraftwerke brauchen. Oder die Tabakindustrie, die jahrzehntelang ihre wissenschaftliche Meinung von der Ungefährlichkeit der Tabakfolgewirkungen unter die Leute brachte. Gegen all das ist Shusters Arbeit eine Perle der Wissenschaft!

Darauf sollten die Wissenschaftsjournalisten aufmerksam gemacht werden: Dass sie sich in neun von zehn Fällen zum Sprachrohr von schlechter Wissenschaft machen, möge sie auch noch so objektiv, nachprüfbar oder gar seriös daherkommen.

Schmidt & Pocher als Paar

Der Heidelberger Paartherapeut Ulrich Clement bilanziert im SZ-Magazin den Paarungsversuch von Harald Schmidt und Oliver Pocher, Zitat:

„Schmidt hat sich mit Pocher eine junge Geliebte genommen. Doch man spürt, dass sie ein künstliches Paar sind: zusammengekommen nur, weil Schmidt nach mäßigen Quoten unter Zugzwang stand. Schmidt und Pocher sind keine zwei, die brünstig übereinander herfallen. Aber sie mögen sich. Über die Paarkonstellation von älterem Mann und jüngerer Frau heißt es oft, es gehe nur um Sex, Attraktivität. Meist ist die Idee des Neustarts entscheidender. Das gilt auch für Schmidt.“

Weihnachtsgedanken

Ein Kind verschiebt den Blick auf Rituale, Mythen, auf zauberhafte Wesen und vorgestellte Welten: Ob Felix, der Hase, Lilifee oder Nikolaus, kindlicher Personenkult ist zugleich faszinierend und schwer erträglich. Dies als Erwachsener fördern zu sollen bzw. sich darauf einzulassen, zählt zu den großen elterlichen Herausforderungen. Zumal, wenn das bedeutet, den eigenen Rationalitätsreflex zu zähmen.

Das Zusammenleben mit dem Kind funktioniert jedoch nur so. Ich muss mich ohne zu zögern dieser kindlichen Wirklichkeit hingeben – oder ich habe verloren. Es vereinfacht ja das Leben auch ungemein, wenn ich nicht mehr zwischen lebendig und nicht lebendig unterscheiden muss. Nicht mehr zwischen vorgestellt und vorgefunden. Nicht mehr zwischen Wesen aus Fleisch und Blut und Fabelwesen.

Interessant dabei ist die Figur des Nikolaus‘ oder des Weihnachtsmannes: Die Erwachsenen inszenieren sie für die Kinder, um ihnen einen Beleg zu liefern, dass die Fabelwesen existieren – und um deren Wirkmächtigkeit zu steigern und zu verlängern. Wenn diese Figuren nie aufträten, kämen die Zweifel an deren Existenz wohl deutlich früher.

Womöglich entwickelt sich in diesen kindlichen Tagen Religiosität. Ein Bezugssystem entsteht, wichtige Bezugsgrößen wie der Weihnachtsmann, der Osterhase oder das Christkind werden in den kindlichen Horizont eingeführt – und immer wieder aufs Neue inszeniert. Dabei wird das menschliche Bedürfnis nach Transzendenz zugleich geschaffen und wieder gestillt. So geraten wir auf unsere andauernde Suche nach einem Mehr, das Sinn stiftet. Auf die Sinnsuche nach mehr als dem, was sich im Leben einfach vorfinden lässt.

„Verwünscht“…

… ist der Titel des diesjährigen Disney-Weihnachtsfilms. Die halbe Stadt ist damit plakatiert. Es liest sich sperrig – und ich bezweifle, ob es diese Art der Wortbildung im Deutschen überhaupt gibt. Die meinen nicht „verwünscht“, die meinen „verwunschen“. Verwünscht haben sich allenfalls die Disney-Verantwortlichen, wenn sie hoffen, ihr deutscher Verleih stattet ihre Werke mit gescheiten Titeln aus.

Wenn ich dann auch noch lese, dass das US-Original „Enchanted“ heißt, verstehe ich die Welt nicht mehr: „Verzaubert“, „verzückt“ – und der Verleih macht „verwünscht“ daraus?

Wer organisiert bei Disney das Qualitätsmanagement?

Heizstrahler im Freien

Neu sind sie ja nicht, diese Heizstrahler, die es Kneipen- oder Café-Besuchern erlauben, auch in klirrender Kälte draußen zu sitzen. An der holländischen Nordseeküste gehören die Teile seit langem in ihrer gasbetriebenen Variante zur Terassenausstattung.

Neu jedoch ist ihre massenhafte Verbreitung bspw. in Hamburg. Nach Wolldecken, die Knie und Lenden des Gastes warm halten sollen, kommen nun die Gastronomen auf die geniale Idee, das Klima rund um den Gast schneller zu erwärmen, als das durch den Klimawandel selbst geschehen kann. Der passiert ja so unendlich langsam – und dem Gast ist ja heute schon kalt.

Komplett gaga für die Außeninstallation allerdings sind jene Elektroheizstrahler, die ansonsten über Wickeltischen hängen – heute gesehen an der Promenade in Neumühlen/Övelgönne. Einerseits verbraten die Dinger sowieso schon enorm viel Strom, andererseits darf niemand ihnen auf einen Abstand von einem halben Meter zu nahe kommen. Der Wärmeeffekt wird also komplett von der kalten Umgebungsluft geschluckt.

Herzlichen Glückwunsch zu so viel unternehmerischer Innovationskraft! Aber das eigene Geld zu verbrennen, ginge wahrscheinlich auch klimafreundlicher…

Herr Wulf Köpke,

Professor, Direktor des Völkerkundemuseums in Hamburg, Verantwortlicher für die Terrakotta-Armee-Ausstellung, deren angebliche Originale allenfalls Replikate sind. Die Süddeutsche Zeitung berichtet heute, Sie hätten in den letzten Tagen viel im Internet recherchiert und seien fündig geworden: „Es gibt kaum ein großes Museum, das nicht schon einmal auf Fälschungen hereingefallen ist. Das tröstet uns nicht. Aber es zeigt, dass wir uns keine mangelnde Sorgfalt vorwerfen müssen.“

Ich traue meinen Augen nicht! Das ist schon sehr dreist, sich so zu verteidigen. Weil anderen auch kopiertes Material als Original untergejubelt wurde, sind Sie exkulpiert? Schützen Sie Ihre Mitarbeiter oder halten Sie die Öffentlichkeit für komplett dämlich? Und sei es drum: Falls Sie sich und Ihre Mitarbeiter in diesem Fall für sorgfältig genug halten, sind Sie gleichsam inkompetent und überfordert. Oder lässt sich aus Ihren Äußerungen eine andere Schlussfolgerung ziehen?

Fragt sich der Zettmann.

Licht an, Greenpeace und Co.

Das wärmer werdende Klima scheint so manchem schon heute die Hirnzellen zu frittieren. Seltsame Kooperationen formen sich und drängen ins öffentliche Bewusstsein: BILD, Greenpeace, Google, der WWF, der BUND und ProSieben fordern gemeinsam, am kommenden Samstag für fünf Minuten das Licht abzuschalten. Die Ökos paaren sich also mit jenen Schwachmaten, die ansonsten Aufkleber an ihre Leser verteilen: „PKW-Maut, Ökosteuer, Benzinpreis: Ich hab die Schnauze voll!“.

Um im Bild zu bleiben: Das wirft kein gutes Licht auf sie.

Tom Cruise mutig?

Diese Woche erhielt der US-Schauspieler Tom Cruise ein Burda-Bambi – und zwar das für Courage. Seinen Laudator stellte FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher dar. Die versammelte deutsche Medienszene klatschte sich die Hände wund – und der Beobachter fragt sich: Ticken die noch alle richtig?

Mut also. Tom Cruise soll Mut bewiesen haben. Behauptet Schirrmacher. Mut, das Filmstudio United Artists geschäftlich zu übernehmen. Mut, sich ins einigermaßen Scientology-feindliche Deutschland begeben zu haben und schließlich Mut, den Stauffenberg zu spielen – jenen tollen, selig machenden Deutschen, der mutig genug war, sein Leben zu risikieren, um den Führer wegzubomben.

Es ging Stauffenberg und es geht Cruise laut Schirrmacher um das Ansehen Deutschlands in der Welt. Und weil der eine sich keinen Bambi für Mut mehr abholen kann, soll wenigstens der, der den Mutigen spielt, damit geehrt werden.

Wörtlich: Das Ansehen des Landes zu retten, gerade auch im Ausland, war einer der wichtigsten Beweggründe Stauffenbergs bei seiner Tat. Durch Tom Cruises mutige Entscheidung, diese Rolle zu spielen, wird Stauffenbergs Anliegen auf mittelbare Weise doch noch verwirklicht.

So die verquere Logik der Lobhudelei von Herrn Schirrmacher. Was an einer solchen Entscheidung mutig sein soll, erscheint doch sehr rätselhaft. Mutig, weil ein schwerreicher Schauspieler, Produzent und Studio-Besitzer mit ein paar Produktionswidrigkeiten umgehen muss? Mutig, weil er einen Mutigen darstellt? Mutig, weil er ein geschäftliches Risiko eingeht?

Ich glaube, Cruise selbst war sehr überrascht, als ihn irgendwann im Vorfeld der Veranstaltung die Nachricht überbracht wurde, er solle für seinen Mut ausgezeichnet werden. Anders lässt sich seine irre-wirre, fast zehnminütige Dankesrede kaum erklären. Von der eigenen beschissenen Kindheit zu all den Mutigen, die er schon das Privileg hatte, darzustellen hin zu diesem gastfreundlichen, tollen, warmherzigen Deutschland. Für mutig  hält sich Cruise wahrscheinlich selbst nicht, aber die Bühne für den Auftritt nutzt er exzessiv. Seine Kirche und seine Geschäftspartner werden es ihm danken.

Die willfährigen Statisten im Saal beklatschten das absurde Theater frenetisch.

IGLU, PISA & Co.

Die Reaktionen auf die Lesestudie IGLU (pdf) und die vorab veröffentlichten PISA-Ergebnisse sind irritierend: Deutsche Schüler schneiden diesmal besser ab als in den vorangegangenen Tests. Deshalb werden die Ergebnisse nun von der politischen Klasse zum Nennwert genommen. Was draufsteht, muss auch drinstecken.

Sämtliche Kritik an Erhebungs- und Auswertungsmethodik und der mangelnden Vergleichbarkeit können – so ist die Botschaft – vernachlässigt werden. Passen die Ergebnisse, ist es also völlig wurscht, wie sie entstanden sind und wie sie ausgewertet werden. Wenn die Ergebnisse nicht passen, wird minutiös das Studiendesign auseinander genommen oder behauptet, die Studie sei einfach nicht in der Lage das deutsche Schulsystem abzubilden.