Männer und Frauen – die neue Konkurrenz

Teil 1: Neid und Konkurrenz bei Paaren
Teil 2: Wer liebt, der neidet nicht?
Teil 3: Wenn zwei dasselbe begehren
Teil 4: Der soziale Vergleich liegt dem Neid zugrunde
Teil 5: Beruflicher Erfolg, beruflicher Misserfolg – Vergleich macht neidisch

Vergleiche zwischen Männern und Frauen wie bei Heike und Reimund oder bei Tine und Holger sind ein Phänomen moderner Lebenswirklichkeiten. Konkurrierende Interessen zwischen Liebespartnern waren vor rund 200 Jahren, als das romantische Liebesideal entstand, kaum denkbar. Männer und Frauen lebten in voneinander getrennten Welten. Konflikte um Chancen und Entwicklungsmöglichkeiten gab es so gut wie keine. Nicht nur, dass Frauen gar nicht studieren durften.

In der Welt der bürgerlichen Ehe, die sich damals gerade als gesellschaftliches Modell zu etablieren begann, wurden beiden Geschlechtern streng getrennte Aufgabenbereiche zugewiesen: Sie versorgte die Kinder, organisierte den Haushalt und stellte dort das her, was die Familie täglich brauchte. Er kümmerte sich um sein Geschäft, ein Handwerk, ein Handelsunternehmen oder er verdingte sich als Lohnarbeiter. Konkurrenz zwischen den Geschlechtern war kein Thema. Als zu verschieden galten Frau und Mann. Die Unterordnung der Frau unter den Mann wurde als völlig natürlich betrachtet und auch von den meisten Frauen als gegeben akzeptiert.

Vor allem in den letzten vier Jahrzehnten haben sich die Paarbeziehungen mit großer Dynamik verändert. Neue Lebens- und Liebesformen setzten sich seitdem durch. Im Zuge des geschlechterpolitischen Umbruchs verwischten viele der so genannten „natürlichen“ Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Althergebrachte Rollenvorstellungen wurden hinterfragt. Bis dahin wohl erprobte Beziehungsgleichgewichte gerieten durcheinander.

Plötzlich ergänzen Männer und Frauen sich nicht mehr nur, sondern wetteifern um dieselben (knappen) Ressourcen: den beruflichen Erfolg, das Einkommen, die Freizeit, die Aufmerksamkeit im sozialen Umfeld, das Vertrauen der Kinder. Die Konkurrenzsituation sorgt zunächst auch für Unsicherheit. Gerade Männern scheint häufig noch unklar, wie sie mit den neuen Ansprüchen der Frauen umgehen sollen. In dem Maße wie sich das weibliche Selbstverständnis veränderte, entstand eine neue Geschlechterrivalität.

Doch nicht nur die Geschlechterverhältnisse haben sich weiter entwickelt. Auch die Erwartungen an das Leben, die Bedürfnisse und Sehnsüchte haben sich ausdifferenziert: Als selbstverantwortliche Individuen entwerfen Männer und Frauen heute zunächst Lebens- und Zukunftspläne für das eigene Fortkommen. In diese Entwürfe gehen bevorzugt die Optionen ein, die unseren Sehnsüchten und unseren Möglichkeiten nahe kommen: Schulbildung, berufliche Ausbildung oder Studium, Sammeln von Welterfahrung, Reisen, Kinder nicht vor 30, erst einmal das Leben genießen…

Lassen wir uns dann bei passender Gelegenheit auf eine Liebesbeziehung ein, müssen wir aus dieser gut eingerichteten Selbstsicht in die Beziehungsperspektive wechseln. Dort gemeinsam mit dem geliebten Menschen einen Beziehungsentwurf zu entwickeln, erweist sich häufig als schwieriger als wir vorher erwartet haben. Deswegen passiert es nicht selten, dass wir uns zwar in einer Beziehung sehen, aber dennoch nur den eigenen Lebensentwurf verfolgen – häufig in Konkurrenz mit unserem Partner und folglich neidisch, wenn der Partner seinen Lebensentwurf scheinbar besser verwirklicht als wir den unsrigen.

Teil 7: Mit dem Neid leben?
Exkurs: Das romantische Liebesideal
Teil 8: Neid – geächtet durch die Gemeinschaft
Exkurs: Neid in griechischer Mythologie und christlicher Religion
Teil 9: Neid – beschädigter Selbstwert als Hintergrund

Neid in Partnerschaften: Literaturangaben

Beruflicher Erfolg, beruflicher Misserfolg – Vergleich macht neidisch

Teil 1: Neid und Konkurrenz bei Paaren
Teil 2: Wer liebt, der neidet nicht?
Teil 3: Wenn zwei dasselbe begehren
Teil 4: Der soziale Vergleich liegt dem Neid zugrunde

Die Beziehung von Heike und Reimund steht als Beispiel für diese Zuspitzung. Anfänglich bewundert er ihren Job als Wertpapierhändlerin. Er interessiert sich für ihre Arbeit und ist neugierig darauf zu erfahren, wie sie mit den Risiken klar kommt, die unweigerlich mit dem Handeln von Aktien einhergehen. Umgekehrt fasziniert Heike an ihm, dass er zu jenen Männern gehört, die sich auch für die emotionalen Belange ihrer Partnerin interessieren – von dieser Sorte hatte sie bis dahin noch nicht so viele getroffen.

Diesen Vorzug genießt sie sehr. So öffnet sie sich ihm und offenbart ihm auch ihre Zweifel, ob sie denn überhaupt in der richtigen Branche arbeite. Anfänglich unterstützt er sie. Nach einigen Wochen bringt er seine Anerkennung immer seltener zum Ausdruck, zumindest auf der beruflichen Ebene. Weiterhin betont er aber immer wieder, wie attraktiv sie als Frau für ihn als Mann sei. Heike empfindet dies zunehmend als versteckte Abwertung beziehungsweise als Reduktion auf ihr Äußeres.

Worauf Raimund anfangs mit Neugier reagiert hat, wertet er mit einem Mal ab. Die beiden verwickeln sich in Auseinandersetzungen über das Wirtschaftssystem und Raimund unterstellt Heike eine Rolle als Profiteurin der wirtschaftlichen Ordnung. Zu dieser Zeit scheitert Reimund zwei Mal damit, sich selbstständig zu machen. Angesichts seiner Misserfolge verändert er sich zusehends und richtet seine Unzufriedenheit verstärkt auf seine Partnerin. In den Disputen über das Wirtschaftssystem lobt er sich selbst: Zum Glück sei er nicht wie sie mitverantwortlich für Ausbeutung und Armut und Sozialabbau.

Seine Veränderung geht nicht spurlos an Heike vorüber: Sie wählt plötzlich aus, was sie ihm erzählt. Obwohl sie hin und wieder euphorisch von der Arbeit zurückkehrt, vermeidet sie es immer öfter, ihre guten Gefühle in den Vordergrund zu stellen. Sie liebt ihre Arbeit, übernimmt gern Verantwortung und mag ihre Kollegen – aber ihrem Freund gegenüber äußert sie sich darüber nur noch verhalten, wenn überhaupt.

Reimund muss zusehen, wie sie an seiner Seite davon zieht und reagiert zunehmend verstimmt und aggressiv. Ihr anfänglich bewunderter Erfolg wird zum Spiegel, in den er blickt, um seine eigene Erfolglosigkeit zu entdecken. Eines Abends räumt er im ersten offenen Gespräch seit langem ein, sich als Mann total entwertet zu fühlen.
Es gelingt ihm nicht, sich über ihren Erfolg zu freuen. Vielmehr wird ihm dadurch die eigene Unzufriedenheit noch deutlicher, und dass er ihr den beruflichen Erfolg missgönnt bzw. eben schlecht redet, weil er selbst beruflich scheitert.

Teil 6: Männer und Frauen – die neue Konkurrenz
Teil 7: Mit dem Neid leben?

Neid in Partnerschaften: Literaturangaben

Der soziale Vergleich liegt dem Neid zugrunde

Teil 1: Neid und Konkurrenz bei Paaren
Teil 2: Wer liebt, der neidet nicht?
Teil 3: Wenn zwei dasselbe begehren

Mandy vergleicht sich mit Mike, denn beide verfolgen ein ähnliches Ziel: ein erfolgreiches Studium. Gerade die Einschätzung von Talenten, Fähigkeiten und Fertigkeiten hängt stark von Vergleichen mit Menschen ab, die sich mit Dingen beschäftigen, die uns selbst viel bedeuten. Doch warum vergleichen wir uns, wenn wir Gefahr laufen, dass der Vergleich zu unseren Ungunsten ausfällt?

Zu unseren Grundbedürfnissen gehört es, die eigene Situation, das eigene Befinden relativ zum Befinden eines anderen zu bewerten. Ein solcher sozialer Vergleich dient dazu, sich seiner selbst und der eigenen Stellung in der Welt zu vergewissern. Außerdem schafft der Vergleich Identität: Jemand ist anders als wir – oder ähnlich. Wir ähneln dem anderen – oder wir unterscheiden uns. Auf dieser Grundlage gelangen wir zu unserem Bild von uns selbst, in Abgrenzung von oder in Verbundenheit mit anderen.

Der Vergleich kann wie in Mandys Fall als beinharter Wettbewerb ausgefochten werden, mit Krisen und Krächen. Der Vergleich macht aber auch spielerischen Wetteifer möglich, der ein Paar anspornt und dafür sorgt, Schieflagen in anderen Bereichen wieder auszugleichen. Davon erzählen Tine und Holger: Als Programmierer sitzen beide den ganzen Tag am Schreibtisch vor dem Bildschirm. Um dem Körper Abwechslung zu gönnen, fährt das Paar im Winter gern Ski. Auf den Brettern messen sich beide miteinander.

Da Tine sich beruflich oft benachteiligt erlebt, freut sie sich darüber, beim Skifahren vorn zu liegen: „Siehst du, jetzt liegst du mal hinten!“, sagt sie in einem ihrer Winterurlaube mit Genugtuung. Und fügt dennoch hinzu: „Willst du nicht mal ein bisschen was dazulernen?“
„Nö. Mir reicht, was ich kann“, erwidert Holger gelassen und unbeirrt.

Dennoch beneidet er sie um ihre Art, Ski zu fahren. Er beobachtet sie bewundernd und wünscht sich innerlich das eine oder andere Mal, mit ihr mithalten zu können. Tine genießt es eine Zeit lang, einen Bereich zu haben, in dem sie die Nummer Eins ist. Dabei neckt sie ihn mit seinem mangelnden Ehrgeiz: „Wie kannst du dich nur mit so wenig zufrieden geben?“

Allerdings nutzt sie ihren Vorsprung nicht, um alte Zurücksetzungen zu vergelten. Vielmehr stört es sie irgendwann, dass der Mann an ihrer Seite so leicht als Wald- und Wiesenskifahrer erkennbar ist. Deswegen bietet sie nach reiflicher Überlegung an, ihm das Skifahren richtig beizubringen.

Nach einigem Zögern geht er auf ihr Angebot ein. Und sie erweist sich als gute und faire Lehrerin. Sie versucht nicht, ihm unter die Nase zu reiben, was er alles nicht kann und wie unelegant er mit seinem Fahrstil aussieht. Stattdessen baut sie ihn auf. Sie lässt ihn an ihren Erfahrungen teilhaben. Holger lernt schnell. Er fängt Feuer und entwickelt unerwarteten Ehrgeiz. Er verbessert sich auf eine Weise, die Tine manchmal gar nicht recht ist. Doch sie bereut ihre Entscheidung nicht, ihm dazu verholfen zu haben, auf einem ihr ähnlichen Niveau Ski
zu fahren.

Genauso wenig bereut Holger, sich schließlich doch von seiner Frau begeistern zu lassen. Tine fährt aufgrund ihrer längeren Erfahrung noch immer besser Ski. Sie braucht seine Konkurrenz also nicht zu fürchten. Holger ist nicht mehr neidisch auf seine Frau, denn ihm gelingt es nun nahezu problemlos, mit ihr mitzuhalten.

Tine und Holger gelingt es, die Konkurrenz und den Neid zu nutzen, sich als Paar weiter zu entwickeln. Gelingt es einem Paar nicht, den Kreislauf aus Neid, Missgunst und einer insgesamt feindseligen Atmosphäre zu durchbrechen, ist die Beziehung gefährdet. Irgendwann ist nämlich das eigene Befinden untrennbar mit dem Befinden desjenigen gekoppelt, mit dem wir uns vergleichen: Dann geht es dem einen unweigerlich schlecht, wenn es dem anderen gut geht.

Teil 5: Beruflicher Erfolg, beruflicher Misserfolg – Vergleich macht neidisch
Teil 6: Männer und Frauen – die neue Konkurrenz
Teil 7: Mit dem Neid leben?

Neid in Partnerschaften: Literaturangaben

Wenn zwei dasselbe begehren…

Teil 1: Neid und Konkurrenz bei Paaren
Teil 2: Wer liebt, der neidet nicht?

Neid entsteht also, wenn wir etwas begehren, es nicht bekommen, aber ein anderer es bereits in seinem Besitz hat. Für das Gefühl Neid macht es zunächst keinen Unterschied, ob der Beneidete unser Partner, die beste Freundin oder ein Arbeitskollege ist. In der Liebesbeziehung allerdings sind das positive Liebesgefühl und das negative Neid-Gefühl auf ein und denselben Menschen gerichtet. Deswegen fällt es uns sehr schwer, uns zu unserem Neid zu bekennen – sowohl in unserer Selbstwahrnehmung als auch gegenüber dem geliebten Menschen.

Kretzschmars öffentliches Eingeständnis ist mutig – und gleichzeitig ein Zeichen innerer Stärke.

Der Studentin Mandy fällt es im Gegensatz zu Kretzschmar schwer, sich einzugestehen, dass sie neidisch auf ihren Partner ist: Gemeinsam mit ihrem Freund Mike ist sie seit vier Semestern an einer Bauhochschule eingeschrieben. Sie und Mike haben sich während der Vorbereitungen auf die Abiturprüfungen ineinander verliebt. Sie hat mit ihm Vokabeln gebüffelt, er hat mit ihr mathematische Formeln auseinander genommen. Sie haben es genossen, miteinander zu lernen, sich gegenseitig zu unterstützen und bei den Prüfungen einander die Daumen zu drücken.

Ihr gemeinsames Interesse ist die Architektur. Deshalb bewerben sie sich an derselben Hochschule. Sie versprechen sich, füreinander einzustehen und sich gegenseitig zu unterstützen. Sie wollen ihre Talente und Fähigkeiten zum beiderseitigen Vorteil gemeinsam nutzen. Was der eine nicht kann, soll der andere ergänzen.

Während der ersten Wochen des Studiums geraten Mandy und Mike erstmals an die Grenzen ihres Konzepts: Schnell stellt sich nämlich heraus, dass es Mike deutlich leichter fällt als Mandy, die allgemeinen Anforderungen zu erfüllen. Beispielsweise geht er sehr viel spielerischer mit Computern und Software um.

Entsprechend ihrem Beziehungsideal erwartet Mandy nun, dass Mike ihr hilft, genauso gut zu sein wie er. Mike versucht, was er kann, stellt aber fest, dass er dadurch einen Teil von Mandys Studium für sie übernimmt.

So sehr er sie liebt, so viel zusätzliche Belastung mag er nicht einfach hinnehmen. Mike fühlt sich überfordert und Mandy fühlt sich zurück gesetzt und im Stich gelassen. Sie verdächtigt ihren Freund, sie abhängen zu wollen, um keine lästige Konkurrenz im eigenen Haus ertragen zu müssen. Sie ist enttäuscht von seiner mangelnden Hilfsbereitschaft – zumal er nach ihrer Ansicht gegen gemeinsame Abmachungen verstößt. Die Enttäuschung überlagert ihre neidischen Gefühle darauf, dass ihm alles scheinbar spielerisch gelingt, während sie sich unendlich quälen muss. Das böse N-Wort selbst kommt ihr allerdings nicht über die Lippen…

Teil 4: Der soziale Vergleich liegt dem Neid zugrunde
Teil 5: Beruflicher Erfolg, beruflicher Misserfolg – Vergleich macht neidisch
Teil 6: Männer und Frauen – die neue Konkurrenz
Teil 7: Mit dem Neid leben?

Neid in Partnerschaften: Literaturangaben

Wer liebt, der neidet nicht?

Teil 1: Neid und Konkurrenz bei Paaren

Die Schwimmerin Franziska van Almsick und der Handballer Stefan Kretzschmar waren mehrere Jahre (2000-2004) ein Liebespaar. Den einen galten sie als Traumpaar des Sports, den anderen taugten sie als Beispiel, wie zwei Menschen in einer Beziehung gleichzeitig erfolgreich sein können, ohne sich dabei im Wege zu stehen. Dann überraschte der Handballer die Öffentlichkeit jedoch mit einem Bekenntnis: „Wenn ich mir nur das Sportliche ansehe, dann packt mich der blanke Neid“, sagte Kretzschmar in einem Interview mit der Tageszeitung „Die Welt“ und spielte damit auf die beruflichen Leistungen seiner Partnerin an.

Der Handballer Kretzschmar neidisch auf die Schwimmerin van Almsick? Ein Liebender neidisch auf die geliebte Freundin? Für die meisten von uns ist es zunächst schwer nachzuvollziehen, warum ausgerechnet in einer Liebesbeziehung neidische Gefühle entstehen sollten. Vielmehr sind wir davon überzeugt, dass wir als Liebende stets an das Wohl des anderen denken, füreinander da sind, gemeinsame Interessen verfolgen.

Liebende ergänzen einander, wachsen miteinander, entwickeln sich. Die Liebe ist der Kitt, der alles verbindet. Konkurrierende Interessen gibt es nicht. Stattdessen teilt das Paar gemeinsame Ziele und ist motiviert, es sich und dem anderen möglichst gut gehen zu lassen.

Das hinter diesem Konzept stehende romantische Liebesideal machen wir bewusst oder unbewusst zur Grundlage unserer Partnerschaften. Aus dieser Perspektive scheint es unsinnig, Liebe und Neid in einem Atemzug zu nennen. Dennoch hat der Neid des Liebenden Kretzschmar einen ganz plausiblen Hintergrund: Van Almsick gewann schon mehrere Silber- und Bronzemedaillen bei Olympia. Kretzschmars Traum von einer Medaille blieb hingegen unerfüllt.

Was Kretzschmar widerfährt, ist ganz alltäglich. Immer wieder geraten wir in Situationen, in denen wir unsere eigene Situation mit der eines anderen Menschen vergleichen: So beneidet mancher Ehemann und Vater die Frau an seiner Seite wegen ihres vertrauten Verhältnisses zu den Kindern. Aber er vermag darüber nicht zu sprechen. Stattdessen verkleidet er seine Gefühle mit einem Satz wie diesen: „Musst du die Kinder immer in Schutz nehmen? Kein Wunder, dass sie zuerst zu dir kommen, wenn sie was ausgefressen haben.“

In einem anderen Fall kritisiert eine Frau ihren Freund im Wettstreit um den besseren Diäterfolg: „Du hast dir schon so viel weggejoggt. Jetzt könntest du wirklich mal wieder anfangen, normal zu essen.“ Sie neidet ihm die sichtbare Gewichtsabnahme, weil die Kur bei ihr nicht so schnell angeschlagen hat wie bei ihm. Obwohl also genau das eintritt, weshalb beide die Diät beschlossen haben, gelingt es ihr nicht, sich über die Fortschritte des Freundes zu freuen. Genauso wenig sieht sie sich in der Lage, statt über sein Gewicht über ihren Neid zu sprechen. Dazu müsste sie sich den Neid selbst eingestehen.

Teil 3: Wenn zwei dasselbe begehren
Teil 4: Der soziale Vergleich liegt dem Neid zugrunde
Teil 5: Beruflicher Erfolg, beruflicher Misserfolg – Vergleich macht neidisch
Teil 6: Männer und Frauen – die neue Konkurrenz
Teil 7: Mit dem Neid leben?

Neid in Partnerschaften: Literaturangaben

Neid und Konkurrenz bei Paaren

Vor zehn Jahren erschien im mvg-verlag mein Ratgeber: „Schön für dich… – Neid und Konkurrenz in der Liebesbeziehung.“

Aus diesem Grund (wieder)-veröffentliche ich das Manuskript, das seitdem in selten benutzten Ordnern auf meinem Rechner liegt oder Teile davon an anderen Stellen des Netzes versunken sind.

Titelbild Neid und Konkurrenz

 

Für das Buch habe ich insgesamt 10 Interviews mit Paaren durchgeführt, die bereit waren, über Neid, Missgunst, den damit verbundenen Ansporn und die Entwicklungsmöglichkeiten zu sprechen. Unter den Paaren sind Freunde und Bekannte, aber auch unbekannte Fremde, die sich auf eine Anzeige hin gemeldet haben oder durch Freunde und Bekannte auf mein Neid-Projekt aufmerksam gemacht wurden. Alle Namen in den folgenden Texten sind selbstverständlich verändert.

Neid ist eine Emotion, die jede kennt, ein Gefühlszustand, der jedem vertraut ist: Ein anderer genießt einen Vorteil, Erfolg oder Gewinn, den wir selbst gern verbucht hätten. Besonders schwierig wird es, wenn der Beneidete der eigene Partner oder die Partnerin ist, denn Neid und Liebe scheinen sich auszuschließen. Kein Paar sieht sich gern mit diesem Gefühl konfrontiert. Die Konkurrenz unter Liebenden wird stattdessen gerne verschwiegen und aus der Kommunikation des Paares ausgeblendet.

Ein Gefühl wie Neid braucht uns aber nicht zu beschämen. Als Reaktion auf einen Vergleich, der zu unseren Ungunsten ausgeht, ist das völlig normal. Besser ist es, den Neid einzugestehen und nach Alternativen zu suchen, um unsere (unerfüllten) Wünsche, Sehnsüchte und Bedürfnisse zu erkennen. Erst dann können wir nach Möglichkeiten suchen, solche Wünsche umzusetzen. Am Ende geht es darum, sich selber nicht mehr beachteiligt oder zurückgesetzt zu fühlen.

Wie es bei Paaren zu Neid und Konkurrenz kommt und welche Möglichkeiten es gibt, darauf zu reagieren, erzähle ich in den folgenden Blogeinträgen. Teil 2 beginnt mit der Schwimmerin Franziska van Almsick und dem Handballer Stefan Kretzschmar, dem Traumpaar aller Sportenthusiasten in den 00er Jahren… Wer liebt, der neidet nicht?

Teil 2: Wer liebt, der neidet nicht?
Teil 3: Wenn zwei dasselbe begehren
Teil 4: Der soziale Vergleich liegt dem Neid zugrunde
Teil 5: Beruflicher Erfolg, beruflicher Misserfolg – Vergleich macht neidisch
Teil 6: Männer und Frauen – die neue Konkurrenz
Teil 7: Mit dem Neid leben?
Exkurs: Das romantische Liebesideal
Teil 8: Neid – geächtet durch die Gemeinschaft
Exkurs: Neid in griechischer Mythologie und christlicher Religion
Teil 9: Neid – beschädigter Selbstwert als Hintergrund
Exkurs: Schneewittchen und die sieben Zwerge

Neid in Partnerschaften: Literaturangaben

Verband der Krankenkassen beklagt Diagnose-Doku der niedergelassenen ÄrztInnen

Dieser Tage gab es Zoff zwischen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und dem Krankenkassen-Spitzenverband. Die einen rechneten vor, wie viele ÄrztInnen in der ambulanten Versorgung fehlen, die anderen präsentierten u.a. Zahlen, wie viele ÄrztInnen zuviel am Tropf der GKV hängen.

Über den Zahlenspielen blieb eher verborgen, dass die GKV noch einen weiteren Stein gegen die niedergelassenen ÄrztInnen geworfen hat, indem der Verband die Qualität der Abrechnungsdiagnosen beklagt:

„Es ist völlig inakzeptabel, wenn Diagnosen übertrieben aufgeschrieben werden, um mehr Honorar für die Ärzteschaft herauszuholen. Es hat sich gezeigt, dass die von den Ärzten selbst aufgeschriebenen Diagnosen keine geeignete Basis für die Steigerung der ärztlichen Vergütung sind. Hier muss der Gesetzgeber neue Bedingungen schaffen.“

Oha. Hier wirft ein Verband mit Steinen, dessen Mitgliedsunternehmen, die Gesetzlichen Krankenkassen, selber im Glashaus sitzen. Waren es nicht die Krankenkassen, die zur Einführung des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleiches (vulgo: Morbi-RSA) 2009 niedergelassenen ÄrztInnen Briefe geschrieben haben, damit diese die abzurechnenden Diagnosen besser, genauer, also morbi-RSA-günstiger für Kassen kodieren? Wird nicht den Kassen auch immer wieder Upcoding vorgeworfen? Beklagt nicht das Bundesversicherungsamt immer wieder Versuche der Kassen, die Zahlen zu verbessern, um mehr Geld aus dem Gesundheitsfonds zu kriegen?

Den niedergelassenen ÄrztInnen vorzuwerfen, sie würden ein fehlsteuerndes Anreizsystem zu ihren Gunsten einsetzen, ist unredlich, denn das ökonomische Rational dahinter gilt für die Kassen genauso: Wer schlecht kodiert, verliert. Der Morbi-RSA ist sehr komplex und kann sowohl von den Niedergelassenen als auch von den Krankenkassen zur Optimierung der Erlöse genutzt werden. Als Mittel zur politischen Auseinandersetzung ist der Ausgleichstopf denkbar ungeeignet.

Zum Weiterlesen seien ein paar Aufsätze empfohlen, die den Morbi-RSA bewerten:

Gaßner M et. al (2010). Sind die Diagnosezahlen nach Einführung des morbiditäts­orientierten Risikostrukturausgleichs angestiegen? – Gesellschaft und Sozialpolitik (pdf).

Göpffahrt D (2012). Zweites Jahr Morbi-RSA – Stabilität und Bestätigung – Gesellschaft und Sozialpolitik (pdf).

Schäfer T (2013). Stichproben nach § 42 RSAV. Gutachten im Auftrag des Bundesversicherungsamtes (pdf).

Zu viele oder zu wenige Haus- und FachärztInnen?

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) streiten sich wieder einmal darüber, ob es zu viele oder zu wenige niedergelassene Haus- und FachärztInnen in Deutschland gibt.

Auslöser ist ein Bericht der BILD-Zeitung, der sich auf KBV-Zahlen beruft und behauptet, es seien fast 4600 Arztsitze nicht besetzt, 2600 hausärztliche und 2000 spezialistische Sitze.

Bizarr daran ist zunächst einmal, dass diese Zahlen auf der KBV-Webseite nicht zu finden sind. Statt nun die Zahlen näher zu erläutern, veröffentlicht die Presseabteilung der KBV das Statement des KBV-Vorsitzenden mit dem Zitat, das er der BILD-Zeitung autorisiert hat.

Naturgemäß hat die GKV eine andere Sicht auf die Dinge: Einfach nur mehr Ärzte löst keine Versorgungsprobleme.

Das stimmt genauso, wie es stimmt, was Herr Köhler von der KBV sagt: In den kommenden Jahren werden viele Tausend niedergelassene ÄrzteInnen ihren Kassensitz zurückgeben – und sehr viele davon werden es schwer haben, eine Nachfolgeregelung zu organisieren.

Betrachte ich beide Seiten der Versorgungs-Medaille haben beide Recht: Auf der einen Seite fehlen in vielen Orten ÄrztInnen – und das inzwischen nicht mehr nur auf dem Land, auch in Hamburg-Steilshoop, in Hamburg-Horn oder Hamburg-Fischbek-Neugraben. Auf der anderen Seite bildet das Land genügend ÄrztInnen aus. Sie sind nur nicht bereit, sich auf das Risiko der ambulanten Versorgung einzulassen. Außerdem haben heutige ÄrztInnen andere Vorstellungen vom eigenen Leben, andere Ideen zur Arbeitszeit und dazu, wie sie Familie und Beruf vereinbaren wollen. Doch statt darüber ins Gespräch zu kommen, rasselt die KBV noch weiter mit dem Säbel:

„Wenn die Krankenkassen es nicht als das wichtigste Ziel ansehen, ihren Versicherten die bestmögliche Versorgung zu bieten, dann gehören sie abgeschafft.“

Was steckt hinter einer solchen Äußerung? Will die KBV eine staatliche Kostenträgerschaft für alle? Oder will sie ein teures Privatversicherungssystem, weil hier die Honorare (noch) mehr oder weniger ungedeckelt abgerechnet werden können? Oder ist das einfach krude Lobby-Arbeit, um die Politik vor sich herzutreiben? Auf Kriegskurs mit den Versicherern zu gehen, hält auf jeden Fall die eigenen Reihen zusammen – und lenkt den Blick weg von den eigenen Versäumnissen.

Klug ist auf jeden Fall anders.

Teil 2 der Auseinandersetzung zwischen Niedergelassenen und GKV-Spitzenverband.

Vergesst Arzt-Wartezeiten-„Studien“!

Oder nehmt den privaten Versicherungsgesellschaften die Möglichkeit, Vollverträge für Krankenversicherungen abzuschließen! Überlasst den Privaten das Zusatzgeschäft, die gesetzlichen Kassen übernehmen das Vollversicherungsgeschäft ALLER. Das wäre die Lösung, um das Wartezeiten-Problem abzuschaffen.

Klar, Zusatzverträge könnten dann abgeschlossen werden, die einen bevorzugten (privilegierten) Zugang zur Ärztin möglich machten. Heute sind Krankenhaus-Chefarzt-Zusatzpolicen auch eine schöne Geldquelle für alle Chefärztinnen und Versicherungen, die von den Patientinnen gespeist wird.

Doch handelt es sich überhaupt um ein Problem, wenn der eine länger wartet als die andere?

Oder um ein Symbol dafür, wie grob ungleich sich das deutsche Gesundheitssystem gegenüber gesetzlich versicherten und privat versicherten Patientinnen verhält?

Seit Jahren, angefangen mit der methodisch bedenklichen Arbeit der Arbeitsgruppe um den (damals wie heute als MdB beurlaubten) SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach, wird die Wartezeit von GKV- und PKV-Patientinnen als Indikator hochgejazzt – für, ja, wofür überhaupt? Für Karl Lauterbachs Zwei-Klassen-Medizin-Hypothese?

Inzwischen gibt es Umfragen von den Grünen, der AOK Rheinland/Hamburg, eine Stichprobe der Tageszeitung „Die Welt“. Alle verkünden mit derselben Inbrunst den billigen Schluss: Bei nicht-akuter Terminvergabe kommen Privatpatientinnen schneller dran. Leider wird hier der Geschmack von Äpfeln gegen den Geschmack von Bananen aufgewogen. Ein Apfelbaum (GKV) kann keine Bananen (PKV) produzieren.

So what? Ist das schlimm? Ist das ein Grund, sich schlechter zu fühlen? Ist das schon Medizin zweiter Klasse?

Dem entgegne ich: Wer solche Probleme hat, braucht sich vor nichts mehr zu fürchten.

Niemand der Wartezeiten-Instrumentalisierer hat einen Beleg geliefert, dass Kassenpatientinnen eine schlechtere Behandlung (im Sinne eines medizinischen Outcomes) erfahren hätten. Hier werden marktwirtschaftliche Hyperventilations-Reize (Warte-Zeiten! Warten-Schlangen! Mangelwirtschaft! Sozialismus!) für preiswerte Stimmungsmache eingesetzt.

Massenmedial und parteipolitisch unterfüttert werden anti-aufklärerische Schimären durchs Dorf getrieben, um die Wut der Leute auf die vermeintlich besser Gestellten zu inszenieren. – Und mit den Wartezeiten wird eine dämliche Debatte inszeniert und befeuert, die denjenigen, die es sich leisten können suggeriert: Kommt zur PKV, hier müsst ihr nicht lange warten. Die Linke inszeniert den Volkszorn, die PKV freut sich über die angenehme Stimmungsmache pro-Privatversicherung.

Richtig grob wird der Unfug, wenn der alte Mythos recycled wird, erst die bessere Vergütung der PKV sorge für viele Versorgungsangebote, von denen dann auch gesetzlich Versicherte profitieren. Ein niedergelassener Arzt möge mir ein Leistung zeigen, die er abrechnen kann mit seiner kassenärztlichen Vereinigung, die er nicht abrechnet, nur weil er vielleicht keine Privatpatienten zu versorgen hat. Was ein Blödsinn!

Ob in einen Apparat oder eine andere Leistungsausweitung des eigenen Angebots investiert wird, hängt doch klar von der arzteigenen Kalkulation ab: Schafft er einen Apparat an, kann er damit entweder die GKV-Patienten abrechnen, weil das Angebot zum Leistungskatalog der GKV gehört. Die PKV-Leute sind dann ein Zubrot. Oder aber er kann den Apparat nur mit den Privaten abrechnen und vertickt die Leistungen auf private Rechnung auch an Kassenpatientinnen.

Das Niveau der Debatte ist erschreckend. Und ich wünschte mir, die gesetzlich Versicherten würden endlich anfangen, die Idee der solidarischen Versicherung besser zu verstehen.

Brust zeigen für Gesetzliche Krankenversicherung

Der Chef der privaten Krankenversicherung Debeka, Uwe Laue, fordert die Politik auf, die Zugangshürden zur Privaten Krankenversicherung zu senken.

Ich will das nicht.

Ich finde es schon unerträglich genug, dass der Staat seinen Beamtinnen und Beamten erlaubt, sich der solidarischen Krankenversicherung zu entziehen.