Spielplatzgedanken

Wir sorgen uns um die Atemluft in unseren Städten. Die Verwaltungen erlassen Feinstaubverordnungen. Dreckschleuder-Autos sollen gar eine Gebühr bezahlen oder ganz aus den Innenstädten ferngehalten werden. Zudem bemühen wir Eltern uns, unsere Kinder mit dem Besten zu versorgen, was wir ermöglichen können…

Dann gehen wir mit den Zwergen an einem warmen, trockenen Frühlingstag auf den Kinderspielplatz, auf dem sich schon mehrere Dutzend andere Kinder tummeln – und dort gehörigen Staub aufwirbeln. Wahrscheinlich ist die Staubkonzentration so hoch, dass Behörden den Spielplatz schlössen, wenn sie denn messen würden, und Atemschutzmasken nötig wären.

Alles nur ein (verkraftbarer) Widerspruch zwischen dem Wunsch nach guter Luft einerseits und andererseits der Unmöglichkeit, diese zu jeder Zeit gewährleistet zu bekommen? Oder symptomatisch für die Gegensätze, in deren Spannungsfeld wir uns täglich bewegen, ob mit oder ohne Kindern?

– Das Klima und unser Lebensstil.
– Das Kind in unserer Obhut und in Fremdbetreuung.
– Bionahrung hier, konventionell Hergestelltes dort.
– Tierschutz – Tierverbrauch.

Wem fallen weitere Beispiele ein?

Heute in der Kita…

Das Kind nestelte an seinen Schuhbändern, während ich ihm die Jacke überziehen wollte. Ich sagte laut: „Na ja, diese Schuhe kannst du ja doch nicht allein ausziehen.“ Bei seinen Hausschuhen mit Zugband und ohne Schnürsenkel funktioniert das schon bestens. In diesem Moment hörte ich die Stimme seiner Kita-Betreuerin in meinem Rücken, die mir trocken zur Kenntnis gab: „Hast du eine Ahnung, was das Kind alles schon kann!“ Keine zehn Sekunden später war das Schuhband offen und der Schuh ausgezogen… Und ich staunte nicht schlecht.

Ich bin nun darauf vorbereitet, dass mir das Kind demnächst häufiger solche Aha-Erlebnisse beschert.

Auer-Blog-Gastautor

Ab morgen, Montag, den 26.03.2007, werde ich für sieben Tage das Weblog „Systemische Kehrwoche“ des Carl-Auer-Verlages in Heidelberg befüllen.

Nebenbei will ich Herrn Puchmayer gern den Gefallen tun und einen Link auf sein Weblog einrichten.

Und was gibt’s ansonsten zu melden? Der Sohn geht erstmals auf eigenen Beinen durch den Flur, wackelig noch, aber frei. Und er sagt: „Papa“ sowie „Wauwau“. Papa noch nicht so ganz klar in meine Richtung, aber immerhin – und Wauwau? Na ja, alle nicht-Menschen sind Wauwau: Hunde, Tauben, andere Vögel, Katzen, Mäuse, egal ob in echt oder als Abbildung beispielsweise auf der Hundefutterdose.

Faszinierend sind auch seine Umarmungen: Er wirft sich einem an den Hals und klopft mir dabei mit der linken Hand auf die Schulter. Er scheint seine Umgebung sehr genau zu studieren.

Der lange Weg zum aufrechten Gang

Ganz begeistert waren heute Papa (Das ist ja phantastisch!), Mama (Super!) und Sohn (strahlte über beide Ohren) als der Kleine das erste Mal aus der Klappmesserstellung den Oberkörper aufrichtete und mehr als fünf Sekunden selbständig stand. Das vollbrachte er dann noch einige Male mehr – und fühlte sich prächtig dabei.

Ich bin erstaunt, wie sehr mich die kindliche Entwicklung mitreißt, wie sehr es mich berührt, wenn das Kind plötzlich auf schwankenden Beinchen das Gleichgewicht hält. Da sich der Zwerg schon seit Oktober (etwa) an Wänden, Schränken, Stühlen oder meinem Hosenbein aufrecht halten kann, habe ich allerdings viel früher mit dem ersten selbständigen Schritt gerechnet. Eine überschießende Erwartung, ein Trugschluss, meiner Ungeduld geschuldet. Ich habe das Ergebnis gesehen, aber nicht den Weg dahin. Sich irgendwo hochzuziehen und dann zu stehen, ist eben doch eine andere Leistung als sich aus eigener Kraft aufzuklappen. Allerdings ist mir nun von erfahrener Seite versichert worden, dass Aufrichten und tatsächliches Gehen innerhalb von ein, zwei Wochen ins kindliche Programm aufgenommen werden.

Ich bleibe gespannt und voller Erwartungen. Mit der Kindsmutter außer Konkurrenz ist ansonsten gegenwärtig nichts so unterhaltsam wie das Kind.

„Der Mond ist aufgegangen“, frisch betextet

Weil die meisten gängigen Schlaflieder fürs Kind entweder deprimierend sind oder völlig anachronistisch, habe ich mir für „Der Mond ist aufgegangen“ einen eigenen Text geschrieben, den das Kind gesungen bekommt.

(nach Matthias Claudius, 1778)

Der Mond ist aufgegangen
und alle Sternlein prangen,
Am Himmel hell und klar.
Der Tag geht schlafen leise,
du machst jetzt eine Reise.
Mit Träumen wild und wunderbar.

Die Sonne ist verschwunden,
Sie dreht woanders Runden.
Doch bald kommt sie zurück.
Bis dahin sollst du schlafen,
begleitet von den Schafen,
die dir erzähln vom Lebensglück.

Die Schäfchen solln dich schützen,
die Ruhe soll dir nützen,
zu schöpfen neue Kraft.
Dann morgen in der Frühe,
erwachst du ohne Mühe,
erholt, belebt und voll im Saft…

Copyleft: Thomas Zimmermann. All rights reversed.

Die Gute-Nacht-Spieluhr lädt ein zum Tanz…

Seit einigen Wochen reagiert mein Sohn auf Melodien (Radio, CD, ein Plastikente mit drei Auswahlknöpfen) mit ungelenken, gleichwohl rhythmischen Bewegungen. Er hockt auf Knien, reckt einen Arm oder beide Arme in die Luft, grinst und zappelt.

Zur Geburt nun bekam das Kind von einer Freundin einen gelben Spieluhr-Mond geschenkt (einen halben, zunehmenden, dickbäuchigen, mit Knubbelnase, um genau zu sein), handgemacht aus Filz und mit Hut. Die Spieluhr ziehen wir jeden Abend auf, wenn das Licht aus ist und das Kind im Bett liegt. Der Kleine nahm die Melodie (Mozarts kleine Nachtmusik) gelassen hin und schlief irgendwann ein – wenn er nicht schon vorher eingeschlafen war.

Nahe liegend, dennoch unerwartet, was heute geschah: Er stellt sich auf, hält sich mit einer Hand am Gitter des Bettes fest und reckt den Arm mit einem Finger in die Höhe, grinst und zappelt.
Klar, auch zu Mozart lässt sich rocken.

Und was denkt der Systemiker in mir? Früh übt sich, wer Muster unterbrechen möchte, um aus einem alten Trott rauszukommen.

Jörg Schönbohm – der antiquierte Mann

Jetzt wirft sich ein ehemaliger General in den (Erziehungs)-Kampf. Jörg Schönbohm, Innenminister in Brandenburg, unterstellt Frau von der Leyen im Berliner Tagesspiegel, sie habe ein „antiquiertes Männerbild„.

Geschenkt. Die Wirklichkeit ist vielschichtig – und viele Männer übernehmen inzwischen Erziehungsaufgaben.

Die richtig derbe (Selbst)-Aussage des Interviews mit Schönbohm ist eine andere – und macht leider viel weniger Furore: „Und ich finde es auch nicht in Ordnung, dass sie (die Ministerin, Anm. von Zettmann) unterschlägt, wie wichtig die Liebe der Mutter und ihr persönlicher Kontakt für das Kind besonders in den ersten drei Jahren sind. Alle Wissenschaftler sind sich einig, dass Mütter für die Entwicklung der emotionalen Intelligenz von Kindern in dieser Phase maßgeblich sind.“

Da hängt er sich aber weit aus dem Fenster, der Ex-General. Und entlarvt sich selbst: Frauen sind für die Emotionen zuständig. Wollte Schönbohm nicht eine Bresche für den modernen Mann schlagen? Der nun leider doch ohne emotionale Intelligenz ist? So wie der arme Ex-General womöglich? Armer, alter Haudegen. Antiquierter Mann. In einer solch reduzierten Erlebniswelt zu leben…

Und überhaupt: Welche Daten, welche Studien belegen das? Wo sind die Quellen? Welche Wissenschaftler sind sich worüber einig? Nie sind sich ALLE Wissenschaftler über etwas einig, selbst bei den Bewertungen zum Klimawandel gibt es Abweichler. Zudem verwechselt der arme alte Mann leider Funktion und deren Inhalt: Zuwendung, Struktur, Stabilität, Geborgenheit, Wärme und noch ein paar andere Sachen sind maßgeblich – und es ist am Ende mehr oder weniger egal, ob die von Mama, Papa, Oma oder einer anderen vertrauensvollen Bezugsperson kommen. Alles andere ist ideologisch verbrämter Quark.

Wie kinder-(un)freundlich ist Deutschland?

Deutschland diskutiert über eine Studie, die UNICEF dieser Tage veröffentlicht hat. Leider ist es wieder das Mittelmaß, an dem sich die Interpreten und Kommentatoren weiden…

Ein Blick auf die letzten Seiten (sources and background information) der 52-seitigen pdf-Datei genügt, um zu erkennen, dass es sich um einen Aufguss der bereits hoch und runter diskutierten PISA-Daten handelt. Hinzu kommen Daten aus einer Reihe anderer Quellen, zum Teil Ende der 90er Jahre erhoben. Das Material weist Lücken auf, deswegen liegen beispielsweise die Niederlande vorn.

Und dann das Ranking…
Sechs Dimensionen. Aus den Rängen in diesen Dimensionen wurde ein mittlerer Rang errechnet. Grobschlächtiger und methodisch unsinniger kann Wissenschaft kaum sein. Die Rankings zur Ausbildungsqualität medizinischer Fakultäten, an denen ich beteiligt bin, belegen, wie wichtig es ist, vor allem die Rahmenbedingungen zu erfassen und diese als Einflußfaktoren in das Ranking einzubeziehen.

Warum also die Aufregung? Ich vermute, es ist gerade schick in diesem Land, die Kinderunfreundlichkeit zu beklagen. Da kommen mittelmäßige, besser: zweifelhafte Daten gerade recht. Jammern über die Lage ist in Deutschland eben weiterhin quotenträchtig, auflagenstützend und nah am „gesunden“ Volkserleben.

Wie Kinder sich entwickeln…

Ich habe im vergangenen Jahr zwei Kindergruppen erlebt: Die Krabbelgruppe meines Sohnes und seine PEKiP-Gruppe. Dabei hat mich zweierlei beeindruckt. Einerseits die strenge, biologische Programmatik, die sich entfaltet. Andererseits das weite, individuelle Spektrum, das im Rahmen des biologischen Programms möglich ist. Erst liegt das Kind auf dem Rücken, nach einer gewissen Zeit dreht es sich selbständig. Es robbt, es krabbelt, es sitzt, es stellt sich auf, es macht die ersten Schritte seitwärts, gestützt durch Stühle, Regalbretter, Wände, die elterlichen Hände.

Dieses Programm läuft bei allen Kindern innerhalb bestimmter Zeitfenster ab, manchmal etwas früher, manchmal etwas später. Nach etwa einem Jahr sind alle auf einem ähnlichen Stand.

Und so vielfältig ist die sich entfaltende Normalität: Ein Kind ist hurtig unterwegs, ein anderes wählt bedächtigere Wege, die Welt zu entdecken. Das eine Kind steht bereits mit 5 Monaten, bewegt sich allerdings kaum von der Mutter weg. Ein anderes Kind ist eher in sich gekehrt und spielt vorort. Das andere kann kaum stillsitzen, schmeißt ein Objekt durch die Gegend und hat das nächste Ziel schon ausgespäht. Wieder ein anderes Kind guckt sich erst um, bevor es handelt. Ein anderes stürzt sich sogleich ins Geschehen.

Die Mischung aus „natürlichem“ Programm und individueller Ausprägung führt schließlich zu einzigartigen Charakteren. Es ist faszinierend, das zu beobachten. Während wohl zukünftig der Einfluss des Programms auf die Entwicklung abnimmt, nimmt der kulturelle Einfluss zu. Schon die Sprachentwicklung, obwohl auch biologisch vorbestimmt, wird offenbar durch kulturelle Reize deutlich stärker beeinflusst als durch die genetisch-biologischen Abläufe. Wer den Plappermonologen seines Kindes zuhört und in sie einstimmt, erzeugt Plapperdialoge. Und wer Lieder singt, hat die Freude des Kindes erst recht auf seiner Seite. Scham über die mangelnde, eigene Stimmbildung ist an dieser Stelle erfahrungsgemäß völlig fehl am Platze. Das versteht auch der mithörende Nachbar…

Mein kleiner Gesell…

Mein kleiner Gesell,
du hast es nicht leicht,
die Unbill ist hart,
die hienieden dich eicht.

Meist läuft die Nase,
mal schmerzt das Ohr,
dann tränt mal das Auge,
garnichts schützt dich davor.

Es schwirren die Keime,
so durch dich hindurch,
mal bist du erhitzt,
mal so kalt wie ein Lurch.

Bald geht es dir besser,
das seh ich genau,
du killst die Keime,
– leider sind die sehr schlau…

Sie tarnen sich frisch,
sind nicht zu belehren,
dein Körper muss üben,
sich ihrer zu wehren.

So zeigt dir die Unbill,
ihren garstigen Schlund.
Lehn’ Köpfchen an mich,
– und dann schlaf dich gesund!

Copyleft: Thomas Zimmermann. All rights reversed.