Zwischen Vereinbarkeitslüge und verlogenener Betroffenheit

Die beiden ZEIT-Redakteure Marc Brost und Heinrich Wefing haben Anfang 2014 im eigenen Haus ein Befindlichkeits-Essay veröffentlichen dürfen, das Mitleid erweckt – wegen der Rührseligkeit der Autoren und der Zwangsherrschaft, die ZEIT-Chefs über ihre Mitarbeiter ausüben müssen, wenn man den Berichten der beiden glauben mag. Von der Hölle (zwischen Kindern, Familie und Job) ist in dem Essay die Rede – und von der Vereinbarkeitslüge.

Immerhin erlauben es die bösen ZEIT-Chefs den durch sie geschundenen Männern, sich auf der eigenen Firmenseite über dieses Chefs-Zwangssystem zu beklagen. Beeindruckend. Das würde mir das UKE sicherlich nicht gönnen.

Jetzt befeuern Brost und Wefing die Vereinbarkeitsdebatte mit einem Buch, das mit dem Essay von vor einem Jahr eröffnet wird und genauso betitelt ist: „Geht alles gar nicht“. Die Autoren setzen den Diskurs fort („Jetzt reden die Väter“), den die Journalistinnen Susanne Garsoffky und Britta Sembach im letzten Herbst aus weiblicher Sicht vorangebracht hatten: „Die Alles-ist-möglich-Lüge“.

Leider haben die Brost und Wefing ihren Essay nicht wirklich ausgebaut, sondern nur ein bisschen aufgeblasen. Zum Buch hochgejazzt wird die Klageschrift mit Interviews, die zum Ziel haben, die These der Autoren zu stützen. Es wird gar nicht erst der Versuch unternommen, jemanden zu finden, der die These widerlegt.

Mich erstaunt, wie trotzig erwachsene Männer darauf beharren können, nichts ändern zu wollen – an den eigenen Ansprüchen und Erwartungen, an der Arbeitslast, an der Unvereinbarkeit im Allgemeinen und im Besonderen, nichts. Konsequenterweise sind diese Männer auch felsenfest überzeugt, gar nichts ändern zu können. Dafür sollen die anderen sorgen. Es braucht „gesellschaftliche Veränderungen, politische Reformen, ein Umdenken in den Unternehmen“.

Halt. Stopp. Wie war das mit dem Unternehmen, für das die beiden arbeiten? Spätestens hier offenbart sich die Pose der Autoren, die einer ehrlichen Haltung im Weg steht: Waren sie zunächst betroffen, sind sie spätestens bei ihrem Forderungskatalog verlogen. Brost und Wefing sind eben nicht bereit, selber einen ersten Schritt zu gehen. Job Sharing, Teilzeit, Verzicht hier oder da, um etwas anderes zu gewinnen? Verzicht auf ein Smartphone auf dem Spielplatz? Geht alles gar nicht.

Der Arbeitgeber ist offensichtlich eher stolz und veröffentlicht nun auch einen Auszug aus dem Buch. In den Chefetagen des Verlags scheint sich niemand wirklich angesprochen zu fühlen, wenn es im Buch um „die Chefs“ und die „Unternehmen“ geht, die dafür sorgen, dass das Leben der Väter zur Qual wird. Und die gequälten Väter? – Haben sich ihren Text in den vergangenen 12 Monaten (nebenberuflich) abgerungen – natürlich wieder zu Lasten der Familie, wie der Danksagung am Ende des Buches zu entnehmen ist, nicht etwa zu Lasten ihres Engagements bei DIE ZEIT.

PS.: Lange bevor beide Bücher erschienen sind, empfahl die Bloggerin und Unternehmerin Nicola Wessinghage sich vom Alles-ist-möglich-Mythos zu verabschieden. Folgerichtig setzt sich Wessinghage in ihrem Blog mit beiden Büchern auseinander: Mit den Männern und mit den Frauen.