Neues Pflegegesetz – was ändert sich für Pflegeheime

Ab 01.07.2008 gilt das “Gesetz zur strukturellen Weiterentwicklung der Pflegeversicherung“. In verschiedenen Beiträgen habe ich zusammengefasst, was sich für Angehörige und speziell für Menschen mit Demenz ändert.

Heute trage ich stichwortartig zusammen, was sich für Pflegeeinrichtungen verändert.

Vollstationäre Pflegeeinrichtungen (Dauer und Kurzzeit) haben einen Anspruch darauf, Personal speziell für Demenz-Kranke bzw. Menschen mit erheblichem allgemeinem Betreuungsbedarf einzustellen. Diese Betreuungsassistenzen sind von den gesetzlichen und privaten Pflegekassen zu finanzieren.

Pflegeheime können ab Juli 2008 wieder Heimärzte anstellen, wenn die Versorgung nicht mit einer Kooperation von niedergelassenen Ärzten gewährleistet werden kann. Das wird vor allem in Regionen notwendig sein, in denen die niedergelassenen (Haus)-Ärzte gerade mal die ambulante Versorgung der Patienten in ihren Praxen sicherstellen können.

Pflegeeinrichtungen haben sich zukünftig einer Regelprüfung zu unterziehen. Ab 2011 werden sie einmal jährlich unangemeldet geprüft. Bis 2010 müssen alle Pflegeheime mindestens einmal durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) begutachtet worden sein. Werden aufgrund festgestellter Mängel Wiederholungsprüfungen notwendig, gehen die Kosten dafür zu Lasten der Pflegeeinrichtung.

Die Prüfberichte werden veröffentlicht, verständlich und verbraucherfreundlich. Ein Ampel-Schema (rot-gelb-grün) oder eine Sterne-System, in den Einrichtungen prominent platziert, soll das Bewertungssystem für die Kunden und ihre Angehörigen transparenter machen. Die verantwortlichen Verbänden der gesetzlichen und der privaten Pflegekassen sowie alle anderen Beteiligten sollen bis 31.12.2008 dafür ein Modell entwickeln.

Gerade für die letztgenannten Punkte fehlen die Durchführungsbestimmungen. Auch die entsprechenden Qualitätsstandards, nach denen Einrichtungen zu bewerten sind, müssen in den kommenden Monaten erst erarbeitet werden. Das große Problem dabei: Welche Qualitätskriterien halten einer wissenschaftlichen Überprüfung stand? Wie lässt sich Vergleichbarkeit zwischen den Einrichtungen herstellen, wenn deren Ausgangs- und Rahmenbedingungen sehr verschieden sind bspw. durch ganz unterschiedliche Bewohnerstrukturen, mal kränker, mal gesünder?

Oder auch am Beispiel Sturzprophylaxe: Eine Einrichtung hat null Stürze, weil in ihr alle Menschen fixiert werden. Ist die Sturzhäufigkeit ein Qualitätsmerkmal, schneidet die Einrichtung hervorragend ab. Aber wäre dies eine menschenwürdige Art der Betreuung?

All das wird noch für erheblichen Diskussionsstoff sorgen.

Hausärztliche Versorgung reloaded

In Baden-Württemberg haben die AOK, der Ärzteverbund Medi und der regionale Hausärzteverband einen Vertrag zur ambulanten Versorgung von AOK-Patienten nach § 73 b SGB V geschlossen.

Das geht an die Struktur des uns bekannten Versorgungssystems: Der bisherige Quasi-Monopolist für die ambulante Versorgung, die kassenärztliche Vereinigung (KV), ist nämlich von diesem Vertragswerk ausgeschlossen. Der Rest der Republik, alle Spieler im System werden genau beobachten, wie Patienten und Ärzte den Vertrag annehmen und mit Leben füllen. Gespannt sein dürfen wir vor allem, ob bei der AOK am Ende die Kasse stimmt.

Die Vergütungsangelegenheiten sind klar geregelt: Pro Jahr und eingeschriebenem Versicherten 65 Euro, unabhängig davon, ob der Versicherte den Arzt in Anspruch nimmt. Geht der Versicherte zum Arzt erhält der für das entsprechende Quartal weitere 40 Euro (allerdings für maximal 3 Quartale im Jahr). Der Krankheitsstatus wird gesondert abgegolten: Chronisch kranke Patienten werden mit zusätzlichen 25 Euro im Quartal vergütet, diesmal aber für alle vier Quartale.

Auch das ist umstürzlerisch – und die Beteiligten nehmen auch gleich die Bierdeckelmetapher für sich in Anspruch: Ein Vergütungssystem, das auf einen Bierdeckel passt. Die AOK hofft, die Mehrausgaben durch effizientere Versorgung auszugleichen: Weniger Doppeluntersuchungen, mehr preiswerte Medikamente, eine echte Lotsenfunktion der Hausärzte. Den Patienten wird eine Abendsprechstunde angeboten und eine Behandlungsgarantie bis zum Ende des Quartals gegeben. Die bei bisherigen Hausarztverträgen übliche Rückerstattung der Praxisgebühr ist nicht vorgesehen.

Die AOK erwartet etwa 5000 teilnehmende Hausärzte und rund eine Million Versicherte, die sich einschreiben.

Das Projekt startet am 01. Juli 2008.

Funktionelle Beschwerden – Beschwerden mit Funktion

Obwohl die körpermedizinischen Spezialisten funktionelle Beschwerden diagnostizieren, verlangt es sie also nur in Ausnahmefällen danach, mehr über die Funktion der Beschwerden zu erfahren. Der gegenwärtige Abrechnungsmodus unterstützt zudem die Vernachlässigung des Gesprächs zwischen Arzt und Patient. Damit sind gute Voraussetzungen geschaffen, die Beschwerden möglichst lange und in wechselnder Symptomatik aufrecht zu erhalten.

Allerdings gehören auch zur Arzt-Patient-Beziehung zwei Seiten, die bestimmen, was geschieht. Als Patienten fordern wir nämlich das ärztliche Gespräch weit weniger offensiv ein als eine weitere organmedizinische Abklärung. Wir erwarten Hilfe, wünschen uns das Gespräch, sorgen aber nicht dafür, dass es dazu kommt. Vielmehr arrangieren wir uns mit den Ärzten und bohren das gemeinsame Brett an der dünnsten Stelle an.

Anstatt über die Funktion der Beschwerden nachzudenken, hängen wir der Hoffnung an, der nächste Fachmediziner möge doch nun bitte einen organischen Befund vorlegen. Offenkundig ist es uns zu anstrengender, über die psychosozialen Aspekte der Beschwerden zu reden. Wir vermeiden, wie die Ärzte, Antworten bspw. auf die Frage nach dem (psychosozialen) Sinn der Beschwerden – und verlängern auf diese Weise nicht selten unser Leiden. „Dies läßt sich als Ausdruck eines „Kampfes um Legitimität“ der Beschwerden verstehen, insbesondere bei Patienten mit „neuen“ funktionellen Syndromen wie Multiple Chemische Sensitivität oder Chronisches Erschöpfungssyndrom“, sagt Peter Henningsen, Chef der Psychosomatik an der TU München. „Ebenso typisch ist das für Fibromyalgie-Patienten. Das hat nicht nur mit dem Widerstand gegen die Stigmatisierung als psychische Krankheit zu tun, sondern auch mit der moralisch schwierigen Situation im Graubereich zwischen „Nicht-Können“ und „Nicht-Wollen“.

Körperliche Beschwerden, egal ob organisch erklärt oder nicht, beeinträchtigen die Lebensqualität und das psychische Befinden. Umgekehrt produzieren Antriebsarmut, emotionale Leere, Gesundheitsängste und andauernde Herabgestimmheit eine Vielzahl körperlicher Symptome. Was Ei ist und was Henne, läßt sich unter den gegebenen Umständen kaum entscheiden. Für den Umgang mit den Symptomen scheint es sowieso eher nebensächlich, denn die Besserung einer Seite, bessert immer auch das Befinden der anderen. Wenn die Körperbeschwerden nachlassen, steigt auch die Lebensfreude wieder. Wächst die Lebensfreude, richten wir weniger Aufmerksamkeit auf Körpersignale, die sich zu Beschwerden verstärken lassen.

Im Lichte dieser engen Vernetzung des leib-seelischen Wohl- bzw. Missbefindens nach dem Prinzip der kommunizierenden Röhren empfiehlt es sich, das eine nicht künstlich vom anderen zu trennen. Vielmehr gilt es, die Verflechtung zu nutzen und die Funktion der Beschwerden für das eigene Leben zu entdecken, ihnen einen Sinn zu geben, so unsinnig der auf den ersten Blick sein mag. Zudem gilt es, das Vertrauen ins medizinische System zurück zu gewinnen und die Selbst-Verunsicherung zu verringern. Dazu ist es laut Norbert Hartkamp notwendig, der ideologischen Überhöhung von Eigenverantwortung und Selbstkontrollvermögen zu widerstehen: „Wir bekommen eingeflüstert: Erkennen Sie die Krankheit, bevor sie eine Krankheit ist.“ Die neue

Exemplarisch dafür scheint die Diskussion, ob es gut sei, dass sich die gesamte erwachsene Bevölkerung den Darm spiegeln lassen sollte. Dadurch verstehen noch mehr ausgebildete Kranke ihren Körper als Maschine statt als eine systemische Größe des leib-seelischen Erlebens, deren Wohlbefinden nicht ausschliesslich von Blut-, Urin- oder Leberwerten, Hormonspiegeln und Cholesterinpegeln abhängt.

Das spezialisierte Gesundheitssystem

Ein großer Anteil psychosomatisch-funktioneller Erkrankungen in Hausarzt- und Spezialistenpraxis erklärt sich durch die zeit- und kostenintensive Ausschlussdiagnostik. Ein bildgebendes Verfahren hier, ein Laborwert da, eine Darmspiegelung in dieser Praxis, ein Muskelbelastungstest in einer anderen. Einerseits wollen die Behandler wegen des eigenen Haftungsrisikos sicher gehen, nicht doch etwas übersehen zu haben. Andererseits erscheinen organisch unerklärte Symptome im Gewand bekannter körperlicher Erkrankungen: Eine ähnliche Symptomkonstellation von Unterbauchbeschwerden und unregelmäßigem Stuhlgang führt organisch erklärt bspw. zur Diagnose eines Morbus Crohn. Findet der Arzt keine andere organische Ursache, bspw. eine Milchsäureunverträglichkeit, heisst die Kategorie Reizdarmsyndrom.

Das ärztliche Vorgehen ist wenig vertrauenswürdig, denn die Symptome erscheinen als diagnostische Kippfiguren. Je nach eigenem Fachgebiet stellt der Untersucher bestimmte Symptome einer Konstellation in den Vordergrund und rückt die anderen in den Hintergrund. Auf der Basis derselben Symptome (Muskelschmerzen, Müdigkeit und Kopfschmerzen) entscheidet der Rheumatologe, es liege ein Weichteilrheumatismus (Fibromyalgie) vor, während der Neurologe eher ein Chronisches Erschöpfungssyndrom erkennt (vergleiche Tabelle 1).

Britische Untersuchungen aus den letzten Jahren belegen diesen Eindruck: Zwischen 30% und 70% aller Patienten, die in der rheumatologischen Praxis ein Fibromyalgie-Syndrom bescheinigt bekommen, erhalten in einer gastroenterologischen Praxis die Diagnose Reizdarmsyndrom – und umgekehrt. Eine Diagnose erlaubt somit eher Rückschlüsse auf das Fachgebiet des diagnostizierenden Arztes als auf den körperlichen Zustand des Patienten.

Tabelle nach Wessely ea. 1999 (++ charakteristisch für Syndrom, + assoziiert mit Syndrom)

Der so eingeengte Blick und die Vielzahl der Erklärungen, welche die einzelnen Fachleute anbieten, verwirrt die Patienten. Selten sind die Kollegen einer Meinung. Jeder Spezialist offenbart eine eigene Sicht auf die präsentierten Symptome. Entsprechend variabel fallen die Therapievorschläge aus. Wer hat denn nun recht, fragen wir uns anschliessend berechtigt und mit wachsender Sorge. Jeder weitere Arztbesuch nämlich, der nur eine neue Diagnose, aber keine Erklärung und schon gar keine Besserung der Symptome zustande bringt, frustriert uns zusätzlich. Die Zweifel an den Ärzten wachsen. Umgekehrt beginnen die Ärzte über uneinsichtige, querulatorische Patienten zu klagen, deren Sehnsucht nach einer organischen Erklärung für die Beschwerden sie nicht befriedigen können.

Dabei stecken die Mediziner in einem aktuell kaum auflösbaren Systemzwang. Sie wissen um die psychosozialen Einflüsse, welche die Beschwerden gestalten. Sie sind sich dessen bewusst, dass sie sich die Zeit nehmen müßten, länger mit dem Patienten zu reden. Weil das Abrechnungssystem jedoch körpermedizinische Diagnostik und Therapie favorisiert, und dem Gespräch mit dem Patienten nur wenig Raum gewährt, bleiben wichtige Fragen zur besseren Erklärung der Symptome offen. Dem Arzt bleibt nur die Wahl zwischen zwei unerfreulichen Optionen: Entweder er sucht das Gespräch und ruiniert damit seine Existenz. So der Fall in vielen Hausarztpraxen, die auf Umsätze verzichten, wenn sie sich den sonstigen Sorgen und Nöten der Patienten zuwenden. Oder der Arzt behelligt die Patienten unnötiger Weise mit wiederholter Körper-Diagnostik und verschreibt Medikamente (z.B. Schmerzmittel), um die akuten Beschwerden zu lindern. Damit hat er sich zwar ökonomisch abgesichert, aber den Patienten keineswegs optimal versorgt – denn die möglichen Ursachen der Beschwerden bleiben weiter verborgen.

Patienten: Das veränderte Körperbild

Einen weiteren Grund für die starke Präsenz funktioneller Beschwerden im Versorgungsgeschehen diskutiert Norbert Hartkamp, Chefarzt an der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Stiftungsklinikum Mittelrhein in Boppard: „In unserer Kultur hat die Bereitschaft des Einzelnen abgenommen, Schmerz zu ertragen.“ Schmerz und körperliches Leiden sind stark soziokulturell überformt. Die Individuen der postmodernen Industriegesellschaften akzeptieren nur die Abwesenheit jeglicher unangenehmer Empfindungen als wünschenswerten Wohlfühlzustand. Erlebte Beschwerden und daraus resultierende Krankheitsängste werden deswegen möglichst frühzeitig durch einen Besuch beim Experten zu klären versucht.

Die veränderte Einstellung den selbst erlebten Schmerzen gegenüber, geht nach Hartkamp einher mit dem Verschwinden körperlicher Versehrtheit in der Öffentlichkeit. Zur gesellschaftlichen Wirklichkeit in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts gehörten bspw. Körperschäden wie amputierte Beine, Arme, Hände und Finger als Kriegsfolgewirkungen. Sie waren selbstverständlicher Teil unserer Wahrnehmung und beeinflussten unsere Vorstellungen dessen, was „normal“ und „akzeptabel“ und individuell tolerierbar ist.

Das ausgeklügelte und technisch hoch gerüstete Gesundheitssystem führt offenbar zu einem Paradoxon. Es verlängert unser Leben, drängt den Schmerz durch Tabletten, Spritzen, Nadeln und Massagen zurück und findet immer neue Wege, bisher Unbehandelbares zu behandeln. Gleichzeitig kommt der Schmerz als funktionelle Beschwerde durch die Hintertür zurück, weil ein schmerzfreies Leben der menschlichen Natur kaum Genüge zu tun scheint – als habe unser Körper das Bedürfnis, das Phänomen Schmerz in die Zukunft zu retten – gegen den Anspruch von Wissenschaft und Forschung, ihn aus unserer Wahrnehmung zu verbannen.

Darüber hinaus haben wir auch die Sicht auf unseren Körper den postmodernen Erfordernissen angepasst: Individuelle Verantwortung für einen Körper, der wie eine Maschine funktioniert. Deren Einzelteile können mit Viagra, Silikon oder Botulin individuell optimiert werden. Skalpell und Fettabsaugpumpe stehen für eine Generalüberholung zur Verfügung. Zudem zerlegt die Medizin der Apparate das körperliche Geschehen in kleine, analysierbare Einheiten. Sie verspricht genaue Befunde und versäumt es, darauf hinzuweisen, dass es sich um Wahrscheinlichkeitsaussagen handelt, die zutreffen können – oder auch nicht. Als Patienten verinnerlichen wir das mechanistische Selbstbild und tragen die damit verbundenen Erwartungen an Heilung und Verbesserung unseres Zustandes in die Praxis unseres Arztes. Entsprechend groß ist die Enttäuschung, wenn die Beschwerden nicht verschwinden.

Gleichwohl sind wir inzwischen alle überzeugt, dass jeder seines eigenen Körpers Gesundheitsschmied ist – entweder durch die Vermeidung individueller Risiken (Rauchen, Bewegungsarmut, Fehlernährung) oder durch die Inanspruchnahme von Vorsorgeprogrammen und Reihenuntersuchungen. Die Ergebnisse bestätigen das: Wir leben gesünder, sportlicher, körperbewusster. Und durch die Fortschritte der Medizin leben wir länger.

Den Körper nur als Maschine zu betrachten, deren Daten wir lesen und interpretieren, die wir gesund erhalten und optimieren können, stärkt unseren Glauben, alle Abläufe liessen sich steuern und regeln. Unangenehmer Weise zeigt uns unsere körperliche Wirklichkeit, wie sehr wir damit einer Illusion erliegen: Krankheit kommt, so oder so, und meistens auf eine Weise, wie wir sie nicht vorher sehen konnten.

Funktionelle Beschwerden sind der beste Beleg dafür.

Morgen: Das spezialisierte Gesundheitssystem

Patienten und Ärzte: Das verschobene Machtgefüge

Ohne Zweifel hat sich unser Verhalten als Patienten in den vergangenen Jahrzehnten dramatisch verändert: Wir sitzen im Schnitt häufiger in einer Arztpraxis. Wir gehen wegen leichterer Beschwerden in die Sprechstunde. Wir sind weniger bereit als frühere Generationen, ein aus dem Gleichgewicht geratenes körperliches Befinden längere Zeit zu tolerieren. Wir achten stärker auf die Signale unseres Körpers, verstärken sie damit allerdings zusätzlich, weil sich die körperlichen Reaktionen in unserem Bewusstsein festsetzen und unsere Aufmerksamkeit fesseln.

Norbert Donner-Banzhoff, in Marburg gleichermaßen als Wissenschaftler und als Hausarzt tätig, erklärt die herab gesetzte Schwelle für einen Arztbesuch mit einer veränderten Sozialisation: „Auffällig ist das am Krankheitsverhalten von Kindern. Schon kleine, banale Störungen oder Wehwehchen veranlassen die Eltern, mit ihren Kindern einen Arzt aufzusuchen.“ Auf diese Weise lernt der Nachwuchs bereits in jungen Jahren, dass körperliches Unbehagen an einen Arztbesuch gekoppelt ist – ohne vorher von den Eltern Methoden und Mittel zur Selbsthilfe zu bekommen.
Veränderte Familienstrukturen tun das Übrige. Weil die Familien weniger Kinder zählen und diese Kinder selten gemeinsam mit Gleichaltrigen aufwachsen, sind die Immunsysteme anfälliger und neigen zu Überreaktionen. Weil die Familienverbände kleiner geworden sind und kaum noch drei Generationen unter einem Dach leben, ist auch das großelterliche Erfahrungswissen nicht unmittelbar verfügbar. Diese sozialen Umstände führen zu einem Mangel an körperlicher Selbstkompetenz – und zu einer erhöhten Inanspruchnahme von Ärzten.
Dem steht eine Zunahme an Wissen und Aufgeklärtheit seitens der Patienten gegenüber. „Die Patienten treten heute selbstbewußter und informierter auf“, stellt Donner-Banzhoff fest. Der Widerspruch zur soeben konstatierten Verunsicherung ist nur ein scheinbarer. Um nämlich unsere Verunsicherung zu kompensieren, nutzen wir alle verfügbaren Informationsquellen: das Internet, Ratgeberbücher oder Gesundheitssendungen des Fernsehens.

Mit unserem gesammelten Wissen treten wir dem Hausarzt gegenüber. Damit ist das klassische Verhältnis zwischen dem Halbgott in Weiß und dem Empfänger göttlicher Ratschläge zum historischen Auslaufmodell geworden. Weil in der so gestalteten Arzt-Patient-Beziehung der Expertenrat immer auch durch den Patienten angezweifelt werden kann, ergibt sich daraus eine weitere Ursache für verändertes Patientenverhalten: Wir brauchen einen, zwei oder drei weitere Ärzte, um eine bereits erfolgte Diagnose zu bestätigen – oder zu widerlegen.

Die Kombination aus weiter Verbreitung und mangelnder organischer Erklärung der Beschwerden resultiert in einem weiteren Phänomen: Der Etablierung eines öffentlichen Diskurses über die möglichen Quellen der Leiden. Dabei spielen Störquellen außerhalb des Körpers eine Rolle (z.B. Elektrosmog, Erdstrahlen). Oder der symptomauslösende Wirkstoff wird innerhalb des Körpers vermutet (z.B. Amalgam-Füllungen, belastete Nahrung). Beeinflusst durch Medien, Juristen, interessierte ärztliche Spezialisten und die Lobby der Betroffenengruppen verselbstständigen sich die Symptomkonstellationen und werden in den Rang von eindeutig abgrenzbaren Krankheitsentitäten erhoben. Diesem Druck geben Gerichte, Rententräger und Krankenkassen nach und nehmen die Syndrome in den offiziellen Krankheitskatalog auf.

Morgen: Patienten – Das veränderte Körperbild

Funktionelle Störungen bzw. Beschwerden

Ich habe schon in meinem Kommentar zur freien Arztwahl darauf hingewiesen: Etwa ein Drittel aller Beschwerden, mit denen Patienten eine Hausarztpraxis aufsuchen, bleiben organisch unerklärt (Henningsen P, Zipfel S, Herzog W (2007). Management of functional somatic syndromes. The Lancet, 369, 9565, 946 – 955). Die mit der körperlichen Symptomatik verbundene funktionelle Einschränkung gibt den Störungen ganz pragmatisch ihren Namen.

Doch warum organisch bzw. medizinisch unerklärt, wenn es doch der Körper ist, der nicht korrekt funktioniert?

Körperliche Beschwerden an sich sind uns allen wohl vertraut. Manchmal hämmert der Kopf bis zum Zerplatzen. Manchmal schmerzen die Glieder und der Rücken. Manchmal fließt der Schweiß unkontrollierbar. Hin und wieder regt sich der Darm in kaum nachvollziehbaren Zyklen und die Magensäure steigt die Speiseröhre hinauf. Ab und an ertönt ein lästiges Fiepen im Ohr, welches aus uns selbst zu kommen scheint. Ein anderes Mal wird uns schwindelig oder unser Herz beginnt zu rasen…

Epidemiologische Befragungen zeigen, dass innerhalb einer Woche rund drei Viertel der Bevölkerung einmal über ein solches körperliches Symptom klagt. Die meisten der unspezifischen Signale des Körpers verschwinden nach kurzer Zeit. Wir erkennen sie als vorübergehend und entwickeln eigene Selbsthilfeprogramme, den Kater, den Durchfall oder das Pfeifen im Ohr zu kontrollieren. Um die Regungen des Körpers zu verstehen, greifen wir auf nahe liegende Erklärungsmuster zurück, in deren Licht uns die Beschwerden als „normal“ oder „berechtigt“ erscheinen: eine durchzechte Nacht, ein verdorbenes Kantinengericht, laut dröhnende Boxen auf der letzten Drum’n‘Bass-Party.

Darüber hinaus wissen wir um das Wechselverhältnis zwischen Körpersymptomen und psychosozialen Belastungen. Der Zusammenhang ist fest in der Sprache verwurzelt – ohne dass wir uns dessen immer Gewahr sind. Da „klingen Worte immer noch in den Ohren“. Eine Nachricht „macht schwindelig und kippt jemanden aus den Latschen“. Eine Prüfung „schlägt dem Prüfling auf den Magen“. Eine Ungerechtigkeit „versetzt das Blut in Wallung“. Oder ein Verlust „tut im Herzen weh und geht an die Nieren“. So lange wir auf diese Weise eine Erklärung für die leidvollen Körperreaktionen bekommen, die Symptome abklingen und das Gleichgewicht zurück kehrt, kommen wir nicht auf die Idee, damit einen Arzt zu behelligen.

Bei etwa einem Viertel der Betroffenen entwickelt sich jedoch eine dauerhafte Störung der körperlichen Befindlichkeit. Die Symptome verselbstständigen sich, der Kopf hämmert fortgesetzt, der Durchfall dauert wochenlang. Das körperliche Unwohlsein beginnt, den alltäglichen Gang der Dinge und die Lebensqualität zu beeinträchtigen. Halten die Beschwerden weiter an, sehen wir keinen anderen Ausweg, als uns in die fachkundigen Hände eines Mediziners zu begeben. Der Fachmann soll nun klären, welche körperliche Veränderung das Symptom erzeugt.

In dem Moment nämlich, in dem die Beschwerden länger andauern, als wir es gewohnt sind, tritt die Sorge vor einer körperlichen Ursache in den Vordergrund. Mögliche psychologische Erklärungsmuster verlieren an Erklärungskraft. Angesichts der erlebten, massiven Beeinträchtigung, die ja unseren Arztbesuch erst auslöst, erscheint es uns zwingend, dass mit unserem Körper „etwas nicht stimmt“.

Leider erweist sich unsere Annahme, dass stark beeinträchtigende, körperliche Symptome auch organisch erklärbar sein müssten, häufig als falsch. So zeigt eine repräsentative Erhebung (Hessel A, Geyer M, Schumacher J, Brähler E (2002). Somatoforme Beschwerden in der Bevölkerung Deutschlands. Zeitschrift für psychosomatische Medizin und Psychotherapie 48, 1, 38-58), wie verbreitet Körperbeschwerden ohne organischen Befund bei den Patienten sind: 30% der Befragten berichteten Rückenschmerzen, die das Wohlbefinden stark beeinträchtigten, für die der Arzt auch nach zwei Jahren keine (körperlichen) Ursachen finden konnte. Darüber hinaus klagten im selben Zeitraum 25% über Gelenkschmerzen, 20% über Schmerzen in Armen und Beinen, 19% über Kopf- und Gesichtsschmerzen, 13% über Völlegefühl. Damit bekommt mindestens ein Drittel der Patienten in Deutschland eine „Diagnose ohne Befund“ attestiert.

Und dann sprechen die Ärzte von funktionellen Beschwerden.

Morgen: Was passiert, wenn der Arzt nichts findet?

Die freie Arztwahl – ambulante Versorgung hat ihren Preis

Die freie Arztwahl gehört zu den Grundfesten des deutschen Gesundheitssystems. Doch die Erfahrung zeigt: Sie schadet den Patienten und treibt die Kosten in die Höhe…

Wenn der Bauch wehtut oder der Kopf dröhnt, wenn Glieder oder Muskeln schmerzen, gehen viele Leute zum Arzt. Die meisten Patienten sind in solchen Fällen fest davon überzeugt, dass mit ihrem Körper “irgendetwas nicht stimmt”. Denn in unserer Kultur ist es fast zwingend, für solche Leiden den Körper verantwortlich zu machen.

Das Problem ist nur: Bei knapp einem Drittel aller Patienten lassen sich keine organischen Ursachen für die Erkrankung feststellen – und das gilt selbst, wenn sich stark beeinträchtigende körperliche Symptome zeigen. In den Facharztpraxen für Kardiologie, Neurologie oder auch Orthopädie können gegenwärtig kaum mehr als die Hälfte der Symptome organisch erklärt werden.

Auf der Suche nach einer organischen Ursache lassen sich Patienten mit solch einer “funktionellen Symptomatik” häufiger untersuchen, stärker invasiv behandeln und unter größerem Kostenaufwand laboranalytisch vermessen als der durchschnittliche Patient einer Praxis. Im Zweifel gilt offenbar: Kommt es zu einer “Diagnose ohne Befund”, liegt die nächste Praxis nicht weit – der freien Arztwahl sei Dank.

Jede aufgesuchte Ärztin erwähnt nun einen anderen Namen für die Beschwerden – und zwar in Abhängigkeit vom eigenen Fachgebiet: Was für die Internistin wie ein Reizdarm aussieht, stellt sich der Rheumatologin wie ein Weichteilrheumatismus dar. Nur in Ausnahmefällen kommt es irgendwann zu einem körperlichen Befund.

Die Konsequenzen einer solcherart organisierten Versorgungsstruktur sind offensichtlich: Patienten mit funktioneller Symptomatik sind zwar ökonomisch wertvoll, dennoch nicht unbedingt gern gesehen. Sie gelten oft als schwierig oder sogar querulatorisch, und sie erweisen sich häufig als stark beratungsresistent.

Die vorsichtige Nachfrage der Ärztin, ob eventuell auch Stress oder sonstige psychosoziale Belastungen für die Beschwerden verantwortlich gemacht werden könnten, quittieren Patienten häufig mit der Gegenfrage, ob die Ärztin meine, sie seien verrückt – im besten Fall. Im schlechtesten Fall verliert die Behandlerin ihre Kundschaft. Die freie Arztwahl beschleunigt solche Beziehungsabbrüche, wenn sich die Medizinerin nicht den Kundenwünschen und -erwartungen gemäß verhält.

Ohne Zweifel hat sich das Verhalten der Patienten in den vergangenen Jahrzehnten verändert: Sie sitzen im Schnitt häufiger in einer Arztpraxis. Sie gehen wegen leichterer Beschwerden in die Sprechstunde. Sie sind weniger bereit als frühere Generationen, ein aus dem Gleichgewicht geratenes körperliches Befinden längere Zeit zu tolerieren. Gesundheit ist in diesem Sinne zu einer Ware geworden, die sich erwerben lässt, wenn sie nach subjektivem Ermessen (scheinbar) abhanden gekommen ist.

Darüber hinaus sind Schmerz und körperliches Leiden stark soziokulturell überformt. Die jeweilige Kultur entscheidet etwa, ob der Geburtsschmerz allein der Frau, allein dem Mann oder beiden zusteht. Die Individuen der postmodernen Industriegesellschaften allerdings akzeptieren nur noch die Abwesenheit jeglicher unangenehmer Empfindungen als wünschenswerten Wohlfühlzustand. Wer unter einer Beschwerde leidet und deshalb von Krankheitsängsten geplagt wird, versucht möglichst frühzeitig durch den Besuch bei mindestens einer Expertin zu klären, was man dagegen tun könne.

Die freie Wahl einer Ärztin verstärkt diese konsumistische Haltung. Der Körper und das körperliche Erleben zerfällt in seine funktionsfähigen und nicht funktionsfähigen Einzelteile, deren Reparaturbedarf in freier Entscheidung einer entsprechenden Spezialistin überantwortet wird. Schmerzt ein Gelenk, ist entweder die Orthopädin oder die Rheumatologin zuständig, schmerzt der Kopf, wird die Neurologin tätig – oder auch die Hals-Nasen-Ohren-Ärztin.

Das wäre nicht weiter schlimm, wenn die Selbstüberweisung der Patienten an eine behandelnde Spezialistin mit den möglichen Ursachen einer körperlichen Funktionsstörung in Einklang stünde. Doch die Entscheidung, eine bestimmte Expertin aufzusuchen, um Beschwerden abzuklären, beruht auf ausgesprochen unzuverlässigen Vermutungen darüber, in welchem Organsystem die Ursache für die Störung zu suchen sein könnte. Die Erfahrung lehrt: Dort, wo es wehtut, liegt in den seltensten Fällen die Ursache für den Schmerz.

Allein dies könnte als Grund schon genügen, der Hausärztin größeres Gewicht in der Versorgung der Patienten zuzugestehen. Beide könnten dann gemeinsam herausfinden, welche weitere Abklärung der Beschwerden sinnvoll und notwendig sein könnte. Doch damit nicht genug: Verschiedene Ärzte aufzusuchen, um mehrere “unabhängige” Meinungen in Erfahrung zu bringen, birgt weitere Gefahren für die Gesundheit.

Zum einen wird der Glaube an eine organische Ursache verfestigt. Zum anderen wachsen Verwirrung und Verunsicherung. Jede Spezialistin kauderwelscht den Betroffenen zwischen Tür und Angel ein paar Begriffe ins Ohr – und empfiehlt dieses oder jenes Präparat und eine Wiedervorstellung, wenn die Beschwerden sich nicht bessern.

Gleichzeitig führen die verschiedenen Medikamente, die unabhängig verschrieben, aber nun gemeinsam eingenommen werden, zu Nebenwirkungen, die wiederum kaum kontrollierbar sind. Oft hat die Patientin dann den Eindruck, die ursprünglichen Beschwerden verschlimmern sich. Die Folge: Sie sucht eine weitere Ärztin auf. Ein Teufelskreis.

Das vielstimmige Konzert ärztlicher Meinungen, die unabhängig voneinander verordnete Verschreibungen und die Selbstüberweisungen zu den gefühlt richtigen Spezialistinnen, gefährden die Gesundheit der Patienten, gerade von jenen, deren Beschwerden keinerlei organische Schädigungen zugrunde liegen. Eine (verpflichtende) hausärztliche Versorgung für alle GKV-Patienten, bei der die Hausärztin auch die Einordnung von Befunden und die weitere Behandlungsberatung vergütet bekommt, könnte solche system-bedingten Gefahren von den Patienten abwenden.

Das ideologisch überfrachtete Gut der freien Arztwahl zu opfern, scheint ein kleiner Preis, verglichen mit dem Gewinn, der daraus erwüchse: Besser versorgte Patienten.

Vom Risiko, privat versichert zu sein…

In der öffentlichen Diskussion um die Zwei-Klassen-Medizin wird zweifelsfrei vorausgesetzt, dass es irgendwie besser wäre, privat versichert zu sein: Ein privat Versicherter bekomme angeblich eher einen Arzttermin, habe Zugang zu den besseren Medizinern, den besseren Therapien und werde insgesamt im System bevorzugt behandelt.

Dieser rosige Blick auf die Wirklichkeit der privaten Krankenversicherung (PKV) dient vor allem einem Zweck: Die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) wegen ihrer vermeintlich schlechteren Versorgung abzuwerten. Seht her, wie gut es dem privat, wie schlecht es dem gesetzlich Versicherten geht. In den vergangenen Wochen hat sich niemand zu Wort gemeldet, der darauf hinweist, dass es sich bei der Bevorzugung privat Versicherter um (häufig) unnütze Überversorgung handelt. Im letzten Jahr berichteten die Zeitschrift Capital und die FAZ – In den Klauen der Halbgötter aus journalistischer Sicht über das Phänomen.

Ein Blick auf die Rahmenbedingungen genügt, und vom schönen Schein der PKV bleibt nicht mehr viel übrig. Alles fängt bei der Risikoprüfung an, die ein Wesensmerkmal dieser Krankenversicherung ist. Wer krank ist, alt oder mit einem anderen Malus behaftet, zahlt höhere Beiträge oder wird gleich abgelehnt. Wenn nicht der Beamtenstatus eine Privatkasse dazu verleitet, denjenigen zu versichern. Eine psychische Erkrankung in der Vorgeschichte kann zu einem gesenkten Daumen seitens der PKV führen. Daraus resultiert eine insgesamt, im Vergleich zur GKV, gesündere Versicherten-Population. Seit dem 01.07.2007 ist es gleichwohl möglich, ohne Risikoprüfung in die PKV aufgenommen zu werden bzw. zurückzukehren.

Dass allerdings diese eher gesünderen Patienten in einer Studie Qualität der Gesundheitsversorgung in Deutschland berichteten, sie gingen häufiger zum Facharzt, würden häufiger stationär behandelt und häufiger nicht-akut-notwendigen OPs ausgeliefert, verwirrt dann doch. Außerdem bekamen privat Versicherte in der Studie, an der das IQWiG beteiligt war, häufiger unnötige Doppeluntersuchungen, warteten kürzer sowohl bei den Fachärzten als auch bei geplanten Operationen. Da schließt sich der Zwei-Klassen-Medizin-Kreis: Weil es sich um die lukrativeren Patienten handelt, werden sie zwar bevorzugt behandelt, kommen deswegen gleichwohl in den Genuss möglicherweise unnützer Überversorgung.

Doch zu viel des Guten reicht nicht. Die PKV erstattet den behandelnden Ärzten immer wieder Heilversuche, die allenfalls dem Geldbeutel des Behandlers dienen kaum aber dem Patienten. Lucentis bei trockener Makula-Degeneration (MD) ist ein nicht unbeliebter Versuch von Augenärzten, ihren privatversicherten Patienten, die ihren Blick nicht mehr scharf stellen können, Hoffnung zu verticken. Was für die feuchte, die altersbedingte MD erlaubt ist, kann doch für die trockene nicht so falsch sein! Eine Zulassung jedoch gibt es für diese Indikation nicht.

Doch nicht nur Überversorgung ist problematisch bei der PKV. Auch Unterversorgung ist zu vermelden, bspw. in der Versorgung von schwangeren Frauen und Wöchnerinnen. Geburtsvorbereitungskurse werden nicht erstattet. Und Wöchnerinnen stellt die PKV keine Haushaltshilfe zur Verfügung, wie die GKV es tut, auch nicht, wenn der Bedarf erwiesen ist. Auch finanziert die PKV keine Rückbildungsgymnastik. All das gehört zum Privatvergnügen der Schwangeren. Schwangerschaft sei eben keine Krankheit.

Zum Schluss noch eine Bemerkung zum Versicherungsbeitrag. Die PKV nimmt in der Regel weniger Beitrag als die GKV (Arbeitnehmer- plus Arbeitgeberanteil). Dafür allerdings gibt es in der PKV die Versicherung von Familienmitgliedern nur gegen Aufschlag oder gar einen eigenen Beitrag.

Wer die GKV also nur an der Höhe des Beitrages bemisst, sollte nicht zur Seite schieben, was es dafür gibt: In einer vierköpfigen Familie, in der nur einer verdient, zahlt auch nur einer Beitrag – zumindest so lange die Eltern verheiratet sind. Aber das ist eine andere, eine familien-, keine gesundheitspolitische Baustelle…

Demenz, Schlaganfall, Qualität der Versorgung

Unter dem Titel „Den Schwerkranken das Leben erleichtern“ erschien heute im Hamburger Abendblatt eine Zusammenfassung unserer Arbeit hier am Institut für Allgemeinmedizin, Uni-Klinik Hamburg-Eppendorf.

Wir arbeiten an wichtigen Zukunftsthemen (Ich verstehe mich sowieso als Zukunftsforscher!) wie der Versorgung von Schlaganfallpatienten, der Versorgung und der Lebensqualität von Menschen mit Demenz, all das aus Patientensicht, aus Sicht der versorgenden Hausärzte, der Pflegedienste, der Angehörigen. Dafür haben wir Mittel in zweistelliger Millionenhöhe eingeworben, die Personalstärke vervierfacht in den vergangenen fünf Jahren.

Ein Laden, der brummt, der Themen setzt und vorantreibt. Ein Laden, zu dem ich gerne gehöre, :-).