Ich habe im vergangenen Jahr zwei Kindergruppen erlebt: Die Krabbelgruppe meines Sohnes und seine PEKiP-Gruppe. Dabei hat mich zweierlei beeindruckt. Einerseits die strenge, biologische Programmatik, die sich entfaltet. Andererseits das weite, individuelle Spektrum, das im Rahmen des biologischen Programms möglich ist. Erst liegt das Kind auf dem Rücken, nach einer gewissen Zeit dreht es sich selbständig. Es robbt, es krabbelt, es sitzt, es stellt sich auf, es macht die ersten Schritte seitwärts, gestützt durch Stühle, Regalbretter, Wände, die elterlichen Hände.
Dieses Programm läuft bei allen Kindern innerhalb bestimmter Zeitfenster ab, manchmal etwas früher, manchmal etwas später. Nach etwa einem Jahr sind alle auf einem ähnlichen Stand.
Und so vielfältig ist die sich entfaltende Normalität: Ein Kind ist hurtig unterwegs, ein anderes wählt bedächtigere Wege, die Welt zu entdecken. Das eine Kind steht bereits mit 5 Monaten, bewegt sich allerdings kaum von der Mutter weg. Ein anderes Kind ist eher in sich gekehrt und spielt vorort. Das andere kann kaum stillsitzen, schmeißt ein Objekt durch die Gegend und hat das nächste Ziel schon ausgespäht. Wieder ein anderes Kind guckt sich erst um, bevor es handelt. Ein anderes stürzt sich sogleich ins Geschehen.
Die Mischung aus „natürlichem“ Programm und individueller Ausprägung führt schließlich zu einzigartigen Charakteren. Es ist faszinierend, das zu beobachten. Während wohl zukünftig der Einfluss des Programms auf die Entwicklung abnimmt, nimmt der kulturelle Einfluss zu. Schon die Sprachentwicklung, obwohl auch biologisch vorbestimmt, wird offenbar durch kulturelle Reize deutlich stärker beeinflusst als durch die genetisch-biologischen Abläufe. Wer den Plappermonologen seines Kindes zuhört und in sie einstimmt, erzeugt Plapperdialoge. Und wer Lieder singt, hat die Freude des Kindes erst recht auf seiner Seite. Scham über die mangelnde, eigene Stimmbildung ist an dieser Stelle erfahrungsgemäß völlig fehl am Platze. Das versteht auch der mithörende Nachbar…