Teil 1: Neid und Konkurrenz bei Paaren
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Verlieben wir uns in einen anderen Menschen, so werden wir nicht selten mit den beschriebenen Dilemmata konfrontiert: Konkurrierende Lebensentwürfe, widerstreitende Interessen und unausgesprochene Ängste können unser Beziehungserleben beeinflussen. All das regt uns dann zu dem Vergleich an, wer mehr von der Beziehung hat, wer mehr investiert, wer die Kosten trägt, wer mehr gewinnt. Gelingt es uns nicht, die gemeinsamen Interessen zu stärken und beiden die Möglichkeit zu geben, sich in der Beziehung zu entfalten, so entwickeln sich schnell Fluchttendenzen.
Und diese führen entweder zum frühzeitigen Ende der Beziehung, denn die Liebe beruht keineswegs mehr darauf, alles bedingungslos zu akzeptieren. Oder wir verstricken uns in einer selbstquälerischen Auseinandersetzung, in der wir erst mühsam offen legen müssen, was uns motiviert, was wir wollen, welchen gemeinsamen Weg wir sehen. Zwei kompromisslose Selbstverwirklicher jedenfalls verfangen sich im Stillstand und verlieren die Gefühle füreinander. Auf diese Weise an den eigenen Entwürfen festzuhalten, ausgelöst und immer wieder verführt durch die bunte Vielfalt der Lebensmöglichkeiten, blockiert den Weg zum eigentlichen Ziel: erfüllender Zweisamkeit. Zwar bleibt die Sehnsucht danach, doch unsere Selbstbezogenheit verhindert es, dass wir sie auch erreichen.
Wir schaffen den Nährboden für neidische Gefühle, für Rivalität und das Aufrechnen von Verdiensten, wenn es uns nicht gelingt,
- dafür zu sorgen, dass beide Partner die Chance haben, ihre eigenen Entwürfe in die Beziehung einzubringen und einen Teil davon umzusetzen;
- zu akzeptieren, dass es unmöglich ist, in der Zweierbeziehung alle eigenen Ideen, Entwürfe und Pläne umzusetzen;
- uns kompromissfähig und versöhnlich zu verhalten;
- zwischenzeitliche Ungleichheiten, die sich nicht verhindern lassen, durch langfristige Pläne, Überlegungen und Strategien auszugleichen;
- die Bedürfnisse des anderen ähnlich schätzen zu lernen wie die eigenen Bedürfnisse;
- uns regelmäßig darüber auszutauschen, wie wir den anderen dabei unterstützen können, die eigenen Bedürfnisse zu erfüllen.
Wir machen es uns nicht leicht, wenn wir versuchen, dem Spannungsbogen zwischen Selbstverwirklichung und Selbstaufgabe zugleich gerecht zu werden. Wahrscheinlich haben wir aber keine andere Wahl. Diesen Ansprüchen zu genügen, erfordert die Fähigkeit zum Kompromiss, die Bereitschaft zu verzichten und den Mut zur Flexibilität. Und sie erfordert die Einsicht, dass Liebe und Partnerschaft nur dem gelingen, der
- die Verschiedenheit des anderen anerkennt,
- dessen Lebensentwürfe genauso ernst nimmt wie die eigenen,
- einen eigenen Beitrag leistet, dass die Lebensentwürfe des anderen gelingen,?
- es zudem aushält, dass die Zeit-, Genuss- und Entwicklungsbudgets nicht zu allen Zeiten der Beziehung gerecht und gleich verteilt sind.