Dementia Fair Congress

Ich halte am kommenden Freitag auf dem 2. Dementia Fair Congress (DFC) einen Vortrag. Thema: „Wenn der Doktor zum Test kommt…“

Ich berichte (ganz subjektiv und tendenziell ziemlich unwissenschaftlich) von meinen Erfahrungen und Erlebnissen in den Gesprächen mit alten und sehr alten Menschen (zwischen 80 und 95), die ich täglich besuche, um mich mit ihnen über ihr Gedächtnis zu unterhalten. Ich nutze endlich mal die Gelegenheit, über diejenigen zu sprechen, die ansonsten in Gruppenunterschieden, Prozentangaben und diagnostischen Kategorien verschwinden.

Ein paar Bonmots habe ich schon preisgegeben:

Begehrt bis ins hohe Alter
Telefonieren mit 90
Hintersinn am Ende eines langen Lebens
„Herr Doktor, krieg ich den nun den Alzheimer?“
Hochbetagt und eitel

Pseudoscience

A little debate in the German Blogosphere (kamenin, Wissenswerkstatt, Kritische Masse, Plazeboalarm, zettmann) inspires me to render some associations on pseudoscience.

The debate was fueled by the wonderful piece of „silly research“ written by Sam Shuster (Sex, aggression, and humour: responses to unicycling) made available to the broader scientific community via the British Medical Journal.

The arguments circle around the reception of Shusters work by science journalists, especially in the printed press. Did they miss the point? And why? Why didn’t they recognize the piece as silly and purposefully beyond any scientific standard? Eventually, the debate touches broader questions: What is good science, what is mock or pseudoscience? And: Is it possible to distinguish one from another?

A recent study in the BMJ investigated „Financial ties and concordance between results and conclusions in meta-analyses“ on antihypertensive drugs. The authors concluded „that financial ties to one drug company are not associated with favourable results but are associated with favourable conclusions“. Journalists love conclusions to be conveyed on to the public. The pharmaceutical companies and their writers do know that for sure. So they push up the results a bit. How’d one recognize whether the interpretation of a single study is pushed up or not? Would scientists see through this all the time?

Besides that you can layout the design of a drug trial to serve your purpose: „Assessing therapeutic efficacy in a progressive disease: a study of donepezil in Alzheimer’s disease„, the AWARE-study is a good example for that. Get a group of Alzheimer patients. Let them take Donepezil for 24 weeks. Then decide whether the treatment was successful or not. Send the successful patients home, exclude them from the trial. Randomise the remaining (so far unsuccessful) patients into a drug and a placebo group. Get the result: Patients in the drug group do benefit or remain stable, patients in the placebo group do decline. (Remember: All patients were getting the drug for 24 weeks prior to randomisation. So they were used to the drug. After randomisation the placebo patients were deprived of the drug – and performed worse. No wonder, as the study uses an CNS-active agent!). Then have your apologists communicate the argument into the world „that you’d miss the late responders if you terminate treatment to early“. Good science? Bad science? Pseudoscience?

Finally another example. This time I was involved myself being charged as a pseudoscientist by another researcher: A story in DER SPIEGEL and a corresponding review on the treatment evidence of cholinesterase inhibitors on Alzheimer’s disease carried out by our research group in the Department of Primary Medical Care has sparked a fierce discussion inside the scientific community and beyond. One part of the scientific community hailed and welcomed our work. Others were not amused. Some professors argued: „Why did you target just the old and weak?“ Others said: „Why us, the psychiatrists? The cardiologists don’t do any better regarding the quality of their evidence.“ The most angry statement condemned our paper as pseudoscience: The kind of irresponsible pseudoscience demonstrated in this paper only fuels this perverse zeitgeist (refusing patients available treatment – annotation by the author).

Once again: What is good or bad science? What is mock or pseudoscience? I think, it’s very hard to distinguish, even for scientists themselves, let alone science journalists. Reducing the answer to some criteria like objectivity-intersubjectivity, replicability, explicity or taxonomy does make it easier (at times). It seperates the wheat from the chaff (at times). Sometimes it’s really easy to decide what a smart paper you’ve just read (as it is the case with Shusters observations). Sometimes it is impossible to figure out what’s between the lines because concealment and camouflage are techniques professionally used in the scientific community and in the research papers published. Hence even reviewers and publishers have difficulties to separate the good from the bad and the fraudulent.

Wenn Frau Schavan Forschungsgeld verteilt…

Letzte Woche verkündete Forschungsministerin Schavan, der Bund wolle ein Art Nationales Demenzzentrum gründen.

Die Initiative beruht auf einer Ankündigung aus dem vergangenen Jahr, ein Institut ins Leben zu rufen, das die Betreuung und Versorgung der Demenzkranken im Land stärkt. Es sollte die Krankheitsursachen, Möglichkeiten der Prävention und Früherkennung, die Entwicklung wirksamer Therapien und die Untersuchung der psychosozialen Folgen von Demenzen erforschen. Frau Schavan damals: „Es geht auch um die besten Formen der Pflege und Versorgung. Die Forschung für den Menschen steht im Mittelpunkt.“

Und was ist in der vergangenen Woche daraus geworden? Ein umgetauftes Zentrum für sämtliche neurodegenerativen Erkrankungen. Eine Kommission, die ausschließlich aus Grundlagenforschern und einer Pflegewissenschaftlerin besetzt ist. Faktisch eine Kungelrunde, die (vor)-ausgewählte Forschungseinrichtungen einlädt, die 60 Millionen Euro jährlich unter sich zu verteilen.

Die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin (DEGAM) kritisiert die Pläne der Ministerin:

„Grundlagenforschung ist fraglos nötig und die auserwählten Wissenschaftler sicherlich qualifiziert. Dennoch ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die Konzeption des Instituts einseitig ausgerichtet ist. Die Grundlagenforschung kann auf absehbare Zeit weder den heute Erkrankten, noch ihren Angehörigen bzw. denjenigen nutzen, die jeden Tag die Last der Versorgung tragen. Zur Lösung dieser alltäglichen Versorgungsprobleme, die gleichwertig auf der Agenda des Instituts stehen muss, kann die Mehrzahl der Kommissionsmitglieder jedoch schon deswegen nicht beitragen, weil sie damit keine Erfahrungen hat.“

Leider macht das ganze Verfahren (Ankündigung, Entscheidung über Vergabe innerhalb der kommenden vier Wochen, Einladungen an vorab informierte medizinische Fakultäten, die Kommissionsbesetzung) den schlechten Eindruck, für Frau Schavan und die auserwählten Wissenschaftler stünde das Labor im Mittelpunkt, keineswegs aber der Mensch.

Forschungszentrum für Demenz und Parkinson

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung plant ein „Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen“. Es soll innerhalb der Helmholtz-Gemeinschaft entstehen. Die Forschung zu Erkrankungen wie Demenz und Parkinson soll in einem neuen Helmholtz-Zentrum gebündelt werden.

Zu den Aufgaben ein Zitat aus der Pressemitteilung: „Schwerpunkte sind die Erforschung von Krankheitsursachen, Möglichkeiten der Prävention und Früherkennung, die Entwicklung wirksamer Therapien und die besten Formen der Pflege und Versorgung.“ 50 bis 60 Millionen Euro sollen jährlich zusätzlich dafür bereit gestellt werden.

Demenz – Unterversorgung mit Medikamenten

Heute, zum Weltalzheimertag, nutzen wieder all jene die Gunst der Stunde, die die Öffentlichkeit glauben machen wollen, Alzheimer-Patienten seien unterversorgt. So wiederholt die Deutsche Gesellschaft für Gerontopsychiatrie in schöner Regelmäßigkeit, nur soundso viele Patienten mit Alzheimer bekämen die adäquate (und sie meinen damit, medikamentöse) Therapie. In diesem Beitrag in der Ärztezeitung wird mit einem Anteil von 50% aller ambulant versorgten Alzheimer-Patienten hantiert.

Pharmaindustrieerzeugtes Geschwafel wird nicht intelligent, wenn es andauernd wiederholt wird. Niemand von denjenigen, die Webseiten wie alois.de, alzheimerinfo.de oder medizinnews.de betreiben, setzt sich dem Risiko aus, seriös zu argumentieren. Dann würden deren jämmerliche Zahlengebäude nämlich zerplatzen wie Seifenblasen. Es ist grob beleidigend für jeden Behandler im Feld, wenn er mit Nonsens-Studien konfrontiert wird, die angeblich belegen, wie unterversorgt (mit Medikamenten) Demenz-Patienten sind.

Die Beweiskette: Es gibt eine Million (wahlweise 650000) Alzheimer-Fälle in Deutschland. In den Verordnungsstatistiken werden allerdings nur Antidementiva-Tagesdosen für einen Teil dieser Patienten ausgewiesen. Deswegen ist daraus der Schluss zu ziehen, der große Rest der Leute sei unterversorgt… Ein Beispiel dafür, wie solche Fiktionen produziert werden, liefert der Gesundheitsökonom Reinhard Rychlik im Auftrag des Verbandes Forschender Arzneimittelhersteller.

Als ob es nicht mindestens ein halbes Dutzend Gründe gäbe, die Medikamente einem alten, wahrscheinlich auch an anderen Erkrankungen leidenden Menschen nicht zu verordnen: Patienten sprechen nicht auf die Behandlung an. Patienten sind bereits in schwerem Stadium der Erkrankung. Patienten brechen die Therapie ab, weil die Nebenwirkungen zu heftig sind. Patienten sind gar nicht in der GKV versichert – und tauchen deswegen in den Verordnungsstatistiken nicht auf. Patienten weigern sich, die Medikamente zu nehmen bzw. sich überhaupt behandeln zu lassen. Von all dem abgesehen: Auch die Zweifel am Nachweis der Wirksamkeit sind keineswegs ausgeräumt.

Die insgesamt dürftige Beweisführung wird uns nun seit mehreren Jahren immer wieder aufgetischt. Gehaltvoller sind die Beiträge nicht geworden, aber die These prägt sich ein – zumal es dieser Tage sehr en vogue ist, den schlimmen Versorgungsstand von Alzheimer-Patienten zu beklagen.

Erinnerung = Paradies?

Jean Paul, der Glückliche, konnte einst, in einer Zeit als die durchschnittliche Lebenserwartung noch unter 60 Jahren lag, das Bonmot verkünden: „Die Erinnerung ist das einzige Paradies, aus dem wir nicht vertrieben werden können.“

Hunderttausende Alzheimer-Kranke belegen heute, wie vergänglich Aphorismen sind, auch wenn sie manchmal nach Zeit überdauernder, tief schürfender Einsicht klingen.

IQWiG sieht Nutzen für Alzheimer-Wirkstoffe

Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) veröffentlichte gestern seinen Abschlussbericht zur Nutzenbewertung der Alzheimer-Wirkstoffe Donepezil, Rivastigmin und Galantamin. Das IQWiG kommt zu dem Schluss, dass die Wirkstoffe „bei Patienten mit leichter oder mittelschwerer Alzheimer-Demenz den Abbau ihrer kognitiven Fähigkeiten geringfügig verzögern“ können.

Allerdings ist dieser Nutzen aus der Sicht unserer Arbeitsgruppe nur dann erkennbar, wenn die methodische Qualität der wissenschaftlichen Studien außen vor gelassen wird. Wie bereits im Beitrag „Alzheimer-Medikamente – Stand der Dinge“ erwähnt, bewertet das IQWiG die methodische Qualität der Studien ähnlich kritisch wie wir – kommt aber zu anderen Schlüssen.

Jetzt, im Endbericht, in der Aussage zum Nutzen, spielen methodische Mängel der Studien keine Rolle mehr. Damit entzieht sich das IQWiG leider der unbedingt notwendigen Debatte darüber, welchen Einfluss welche methodischen Mängel auf Studiendurchführung, -auswertung und -publikation haben und wie Studienergebnisse (also der vermeintliche Nutzen für die Patienten) in diesem Licht zu betrachten sind.

One in Four – Anti-Stigma-Video

Eine Kollegin, die im Projekt Entstigmatisierung von Gedächtnisstörungen arbeitet, entdeckte dieser Tage dieses bewegende Video gegen Ausgrenzung, Vorurteil und Stigmatisierung. Der Film wirbt für das Verständnis von Menschen (Einer von Vier), die anders sind, die in einer anderen Wirklichkeit leben, oder die im Alter anders werden, weil ihr Gedächtnissystem immer größere Lücken aufweist – bis hin zum Verlust der Persönlichkeit.

Gelber Curry und das Gedächtnis

Im American Journal of Epidemiology erschien im November 2006 ein bemerkenswerter Aufsatz einer Forschergruppe aus Singapur: Curry Consumption and Cognitive Function in the Elderly: Die Autoren meinen nachgewiesen zu haben, dass der häufige Verzehr von gelbem Curry zu einer besseren Gedächtnisleistung, gemessen im Mini-Mental-State-Test, führt.

Die Substanz, die im Mittelpunkt steht: Curcumin, vom Curry-Gewürz Turmeric, seine anti-oxydativen und entzündungshemmenden Wirkungen. In tierexperimentellen Studien reduzierte Curcumin beta-amyloid, jene Ablagerungen, die eng in Zusammenhang mit der Alzheimer-Erkrankung stehen. In dieser epidemiologischen Studie kontrollierten die Autoren für insgesamt 21 konfundierende Variablen: Alter, Geschlecht, diverse Erkrankungen, den Genuss von scharfen Chilischoten und eine Reihe anderer Größen.

Ergebnisse des Vergleichs zwischen den drei Bevölkerungsgruppen (Chinesen, Malayen, Inder):

Viel Curry-Konsum (also mindestens wöchentlich bis täglich) ist mit einer (adjustiert) besseren Leistung im MMS verbunden. Jene Gruppen mit wenig oder gar keinem Curry-Verzehr (einmal im halben Jahr oder seltener) schneiden im MMSE im Schnitt um einen Punkt schlechter ab. Bei all dem überlappen die Vertrauensbereiche.

Mir stellen sich die Ergebnisse so dar: Wie viel Curry die Inder auch essen, die Chinesen haben immer die bessere Leistung im MMSE. Das schreiben allerdings die Autoren nicht. Trotz Kontrolle für Bildung, gibt es weiterhin einen heftigen Bildungseffekt. Also, wer lange zur Schule geht, oder gar studiert, hat als gesunder Mensch auch ohne Curry-Konsum gute Chancen im Leistungstest gut abzuschneiden.

Alzheimer-Medikamente – Stand der Dinge

Die (öffentliche) Diskussion in Deutschland über die modernen Anti-Dementiva (Cholinesterase-Hemmer) begann mit einer Meldung im SPIEGEL im August 2004. Im Zuge unserer systematischen Übersichtsarbeit zur Wirksamkeit der Medikamente Donepezil, Rivastigmin und Galantamin gab ich zu Protokoll: „Ich würde die Medikamente meiner Oma nicht geben“, denn die Studien strotzen vor methodischen Mängeln, die nachgewiesenen Effekte sind klein und ihr klinischer Nutzen ist sehr umstritten.

Der Aufschrei bei Psychiatern, Gerontologen, der Alzheimer-Gesellschaft und industrie-finanzierten Lobby-Vereinen wie der Hirnliga e.V. war groß.

  • „Warum stürzen Sie sich gerade auf die Alzheimer? Diese Menschen kriegen sowieso schon so wenig!“
  • „Sie verunsichern die Patienten.“
  • „Bei den Kardiologen ist die Datenlage doch auch nicht anders!“
  • „Ein Schmarr’n.“

Als die Ergebnisse unserer Arbeit im British Medical Journal erschienen, verschärfte sich der Ton zunächst noch einmal: David G. Wilkinson, persönlich betroffen, weil wir eine seiner Galantamin-Studien kritisiert haben, verstieg sich zu diesen Sätzen:

„To paraphrase Oscar Wilde this kind of review panders to the cynics who know the price of everything but the value of nothing.[…] If this stance is also taken by the similar committee in Germany the Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) it will be a triumph for the English and German Generals and a complete betrayal of those suffering in the trenches yet again. The kind of irresponsible pseudoscience demonstrated in this paper only fuels this perverse zeitgeist.“

Inzwischen hat das IQWiG seinen Vorbericht veröffentlicht. Das Institut bewertet zwar die methodische Qualität der Studien ähnlich kritisch wie wir – es kommt aber am Ende zu einem deutlich freundlicheren Fazit. In unserer Stellungnahme zum Vorbericht haben wir darauf hingewiesen: Es ist ein Widerspruch, die Studien nach strengen Regeln methodisch zu bewerten, dann aber die Ergebnisse der methodischen Bewertung bei der Einschätzung der Wirksamkeit außen vor zu lassen.

Wir warten gespannt auf den Endbericht.