Neues Pflegegesetz – was haben pflegende Angehörige davon?

Am 14.03.08 verabschiedete der Bundestag ein neues Pflegegesetz – das Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesetzlichen Pflegeversicherung. Dessen Eckpunkte habe ich hier zusammengefasst. Ausführlich stellt das Bundesgesundheitsministerium die Veränderungen in diesem Dokument dar.

Vorgestern habe ich beschrieben, was sich für Menschen mit Demenz ändert. Heute fasse ich zusammen, was pflegende Angehörige vom Gesetz erwarten können.

1. In einem akuten Versorgungsfall eines Angehörigen, gewährt das Gesetz einem Arbeitnehmer eine kurzzeitige Freistellung von bis zehn Tagen, um die nötigsten Dinge in die Wege zu leiten. Das soll dazu dienen, entweder eine bedarfsgerechte Pflege zu organisieren oder die Versorgung mit Pflege einfach nur selbst sicherzustellen.

2. Darüber hinaus gewährt das neue Gesetz pflegenden Angehörigen den Rechtsanspruch, für bis zu 6 Monaten befristet von der Arbeit freigestellt zu werden, um selbst die Pflege des Angehörigen zu übernehmen – in Unternehmen mit mehr als 15 Mitarbeitern. Pflegt der Angehörige mehr als 14 Stunden wöchentlich ist schon jetzt geltendes Recht, dass die Pflegekasse die Rentenversicherungsbeiträge zu übernehmen hat. Im Falle einer gesetzlichen Familienversicherung bleibt der Kranken- und Pflegeversicherungsschutz gewährt.

Liegt keine Familienversicherung vor, muss sich der Arbeitnehmer freiwillig in der Krankenversicherung weiterversichern. Dafür zahlt er den Mindestbeitrag. Damit ist auch die Pflegeversicherung abgedeckt. Auf Antrag erstattet die Pflegekasse den Mindestbeitrag zurück. In der Arbeitslosenversicherung bleibt der Arbeitnehmer weiter versichert, die Beiträge erstattet ebenfalls die Pflegekasse.

Innerhalb einer Frist von zwei Wochen (Notsituation) muss die Pflegekasse über den Antrag auf Pflegezeit befinden.

3. Anspruch auf Verhinderungspflege. Wer einen Angehörigen pflegt, hat auch bisher schon Anspruch auf Erholungsurlaub. In der fraglichen Zeit wird dem Angehörigen eine Pflegevertretung zur Verfügung gestellt. Im neuen Gesetz wird die Vorpflegezeit für die erstmalige Inanspruchnahme einer Pflegevertretung von zwölf auf sechs Monate verkürzt. Zudem wird die Zeit des Erholungsurlaubs der Pflegeperson zukünftig bei der Rentenversicherung gutgeschrieben.

4. Das Pflegegeld, also die Geldleistung für Pflegepersonen, wird schrittweise erhöht. Bei Pflegestufe 1 in 10-Euro-Schritten von derzeit 205 Euro auf 235 Euro im Jahr 2012. Bei Stufe 2 von 410 Euro in 10-Euro-Schritten auf 440 Euro. Und bei Stufe 3 von derzeit 665 Euro über 675 (2008) und 685 (2010) bis auf 700 Euro im Jahr 2012.

Neues Pflegegesetz – was haben Demenzkranke davon?

Am 14.03.08 verabschiedete der Bundestag ein neues Pflegegesetz – das Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesetzlichen Pflegeversicherung. Dessen Eckpunkte habe ich hier zusammengefasst. Ausführlich stellt das Bundesgesundheitsministerium die Veränderungen in diesem Dokument dar.

Heute fasse ich zusammen, wie sich die Versorgungssituation für Menschen mit Demenz zukünftig verändert.

1. Zu Beginn einer Demenzerkrankung erfüllen die betroffenen Menschen meist die Kriterien nicht, die an die Vergabe einer qualifizierten Pflegestufe (1-3) verbunden sind. Häufig ist zunächst die Alltagskompetenz beeinträchtigt. Dafür ist die Pflegestufe 0 vorgesehen. Für den damit verbundenen, erhöhten Betreuungsaufwand stehen ab 01.07.08 jährlich bis zu 2400 Euro zur Verfügung. Je nach Aufwand schüttet die Pflegekasse einen Betreuungsbetrag von 100 oder 200 Euro monatlich aus.

2. Menschen mit eingeschränkter Alltagskompetenz haben halbjährlich Anspruch auf einen Beratungsbesuch durch einen Pflegedienst bzw. eine neutrale, unabhängige Beratungsstelle zu Lasten ihrer Pflegeversicherung.

3. In den letzten Jahren haben sich neue Wohnformen etabliert. Demenz-Wohngemeinschaften sind entstanden. Menschen, die sich für diese Art des Zusammenlebens entscheiden, können nunmehr ihre Leistungsansprüche „poolen“. D.h., mehrere Versicherte nehmen gemeinsam bspw. eine oder mehrere Pflegekräfte in Anspruch, die sich um sie kümmern. So lassen sich Ansprüche auf grundpflegerische und vor allem auf hauswirtschaftliche Versorgung bündeln.

4. Pflegeheime mit vielen Demenz-Erkrankten können nun Personal einstellen, um für Menschen mit erheblichem allgemeinem Betreuungsbedarf zusätzliche Angebote, so genannte Betreuungsassistenzen anzubieten. Die Finanzierungspflicht liegt in vollem Umfang bei den gesetzlichen und den privaten Pflegekassen.

Allerdings: Die Leistungsverbesserung und -ausweitung in der Pflegeversicherung hat ihren Preis. Der allgemeine Beitrag steigt deswegen um 0,25% des Bruttoeinkommens. Für Kinderlose von 1,95% auf 2,2%, für alle anderen von 1,7% auf 1,95%.

Zwei-Klassen-Medizin oder drittklassige Wissenschaft?

Irgendwie verwunderlich, wenn plötzlich eine vor drei Monaten veröffentlichte Arbeit („Waiting times for elective treatments according to insurance status: A randomized empirical study in Germany„) des Kölner Instituts für Gesundheitsökonomie und klinische Epidemiologie (Direktor, beurlaubt: Prof. Karl Lauterbach, MdB) so eine rasante mediale Karriere macht.

Findet hier die gefühlte Wirklichkeit endlich mal ihren wissenschaftlichen Ausdruck? Hat ein Studienautor und Gesundheitspolitiker (Lauterbach) im richtigen Moment dem richtigen Blatt (Kölner Stadtanzeiger) das richtige Interview gegeben – und alle denken, endlich bringt mal einer Fakten, wovon wir sowieso schon lange überzeugt sind? Oder macht da einfach einer seine private Gesundheitspolitik?

Die unterschiedlichen Reaktionen jedenfalls sind im Deutschen Ärzteblatt zusammenfassend dargestellt.

Doch wie viel Substanz hat die Originalarbeit, auf die sich plötzlich alle stürzen – ohne sie gelesen zu haben, wie sich unschwer vermuten lässt?

Wenig, um es vorab auf den Punkt zu bringen:

1. Die häufig zitierten 189 (oder auch: rund 200) Praxen schrumpfen auf 128, die in die tatsächliche Auswertung eingehen. Es handelt sich also um 128 Patiententermine in 5 verschiedenen Fachgebieten, wobei manche stärker (HNO N=46) und manche weniger stark (Gastroenterologie N=10) vertreten waren. Die Aussagekraft ist also noch einmal deutlich kleiner, als gegenwärtig öffentlich diskutiert.

2. Zum Setting gehörte, dass die Anrufer in der jeweiligen Praxis explizit ihren Versichertenstatus (gesetzlich oder privat) zur Kenntnis geben mussten. Das ist eher ungewöhnlich, sowohl von Patientenseite als auch von Praxisseite. Sicherlich gibt es privat Versicherte, die sich mit dieser Info versuchen einen Vorteil zu verschaffen. Und sicherlich gibt es auch Praxen, die nachfragen. Doch Alltag im deutschen System ist das keinesfalls – zumindest nicht so, wie es im Design suggeriert wird. Die Studie erzeugt also erst einmal den Gegensatz (gesetzlich vs. privat), den sie dann später bestätigt findet. Redlich ist das nicht.

3. Das Verhältnis von Privatversicherten zu gesetzlich Versicherten lag in der Studie bei 1:1. In der Wirklichkeit ist das Verhältnis ungefähr 9:1, also auf 9 gesetzlich Versicherte kommt ein Patient mit privater Versicherung. Das mag von Region zu Region variieren, auch in der Region Köln/Bonn/Leverkusen mag der Anteil der privat Versicherten leicht höher liegen. Doch eine derartige Verzerrung zuungunsten der gesetzlich versicherten Patienten im Studiendesign zu verstecken, spricht auch nicht für die Qualität der Studie.

Zusammengefasst: Mit einer kleinen, kaum sehr aussagekräftigen Stichprobe versuchen die Autoren in einem Design, das ihre eigenen Vorurteile reproduziert, Ergebnisse zu erzeugen, die sich gesundheitspolitisch vermarkten lassen. Herr Lauterbach gehört bekanntermaßen zu den schärfsten Gegnern der privaten Krankenversicherung.

Um nicht falsch verstanden zu werden: Auch ich bin ein großer Fan der Solidarversicherung. Doch dieser Idee wird ein schlechter Dienst erwiesen, wenn einzelne Interessierte auf diese drittklassige Weise versuchen, gesundheitspolitisch Stimmung zu machen. Die gesamte Studie ist also schon als politisches Manifest konzipiert. Das Schreckgespenst der Zwei-Klassen-Medizin wird absichtlich zu monströser Größe aufgeblasen.

Niemand bestreitet Verwerfungen im deutschen Gesundheitssystem. Ungerechtigkeiten und Ungleichbehandlungen sind gegenwärtig Teil des Systems. Doch schlechte Wissenschaft und Patienten, die durch die Vermarktung schlechter Wissenschaft in Wallung gebracht werden, helfen kaum, Systemfehler politisch zu beheben. Mit der Brechstange und im Alleingang wird auch Prof. Lauterbach das System nicht verändern.

Private Krankenkassen beschweren sich beim Verfassungsgericht

Am kommenden Dienstag vor einem Jahr (01.04.2007) ist die letzte Gesundheitsreform in Kraft getreten, das GKV-WSG (Gesetzliche Krankenversicherung-Wettbewerbsstärkungsgesetz). Fristgerecht erheben nun die privaten Versicherer Einspruch, mit einer Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe.

Warum klagen die Privaten Krankenversicherungen (PKV), obwohl doch das Gesetz scheinbar eines für die GKV ist?

Drei Punkte vor allem erregen die PKVen, denn sie könnten ihnen langfristig die Existenz kosten (eine möglicherweise nicht unbeabsichtigte Nebenwirkung der Reform):

Der erschwerte Zugang zur PKV für GK-Versicherte mit einem Brutto-Einkommen oberhalb von 47000. Früher reichte es, ein Jahr lang über dieser Versicherungspflichtgrenze zu verdienen. Dann war der Arbeitnehmer frei zu entscheiden: GKV oder PKV. Seit 01.04.2007 muss der wechselwillige Besserverdiener mindestens drei Jahre lang den Jahresdurchschnitt halten.

Wenn ich den Geist des SGB V richtig verstehe, ist es dem Gesetzgeber völlig freigestellt, wann er seine pflichtversicherten Arbeitnehmer aus der Sozialversicherungspflicht entlässt, nach einem Jahr, nach drei Jahren, nie. Ich rechne nicht damit, dass dieser Teil der Verfassungsbeschwerde Erfolg haben wird.

Anders sieht es mit dem Basistarif aus, den der Gesetzgeber sich ausgedacht hat: Der soll a) alle (Regel)-Leistungen der GKV beinhalten, b) jeden versichern, der berechtigt ist, eine private Krankenversicherung abzuschließen – ohne Prüfung des Gesundheitsstatus und c) genauso teuer sein, wie der entsprechende Tarif in der GKV.

Bisher beruhen jedoch alle Tarife der PKV auf genauen Erhebungen des individuellen Risikos des Versicherten (Alter + Geschlecht + Gesundheitsstatus = Risiko). Der Basistarif hebelt dieses Prinzip aus – und scheint mir tatsächlich massiv in das Geschäftsmodell der PKVen einzugreifen. Diesem Punkt der Beschwerde gebe ich gute Chancen.

Schließlich, als dritter Aufreger, die Wahltarife. Dabei stören sich die PKVen nicht so sehr an den Wahlpflichttarifen, welche die gesetzlichen Krankenkassen anbieten müss(t)en. Vielmehr sind es die Wahloptionstarife, die eine Gefahr für das Geschäftsmodell der PKV darstellen. Vom Selbstbehalt-, über den Kostenerstattungstarif bis hin zur Zusatzversicherung ermöglicht der Gesetzgeber der GKV, Rabatt- oder Zusatzgeschäfte, die bisher allein der PKV zugefallen sind, mit den eigenen Versicherten anzubahnen. Die Bedrohung ist klar: Warum sollte ich als GKV-Versicherter eine private Pflegezusatzversicherung abschließen, wenn meine gesetzliche Kasse mir für alle meine Bedürfnisse ein komplettes Paket schnürt?

Für diesen Teil der Beschwerde mag ich mich nicht festlegen. Ich könnte mir allerdings vorstellen, dass den GKVen sehr enge Grenzen dafür gesteckt werden, welche optionalen Tarife sie den Versicherten anbieten dürfen.

Inwieweit es sich bei der Klage in Karlsruhe um ein Jammern auf allerhöchstem Niveau handelt, darüber wird das Gericht nicht befinden. Die aktuelle Presserklärung der PKVen zum Geschäftsjahr 2007 jedenfalls erweckt den Eindruck von guter Stimmung und satter Zufriedenheit.

Pflegeversicherung reformiert

Der Bundestag hat heute mit der Mehrheit von CDU und SPD das Pflege-Weiterentwicklungsgesetz (pdf) verabschiedet:

Zentrale Elemente (laut Gesetzesvorlage):

– Schaffung von Pflegestützpunkten
– Individualanspruch auf umfassende Pflegeberatung (Fallmanagement)
– Verbesserung der Rahmenbedingungen insbesondere für neue Wohnformen durch gemeinsame Inanspruchnahme von Leistungen
– erweiterte Einsatzmöglichkeiten für Einzelpflegekräfte
– schrittweise Anhebung der ambulanten und stationären Leistungen
– Ausweitung der Leistungen für Menschen mit eingeschränkter Alltagskompetenz und Einbeziehung von Menschen der so genannten Pflegestufe 0
– Verbesserung der Leistungen zur Tages- und Nachtpflege
– Leistungsdynamisierung
– Erhöhung der Fördermittel zum weiteren Ausbau niedrigschwelliger Betreuungsangebote sowie für ehrenamtliche Strukturen und die Selbsthilfe im Pflegebereich
– Einführung einer Pflegezeit für Beschäftigte
– Stärkung von Prävention und Rehabilitation in der Pflege
– Ausbau der Qualitätssicherung und Weiterentwicklung der Transparenz
– Unterstützung des generationsübergreifenden bürgerschaftlichen Engagements
– Abbau von Schnittstellenproblemen, Förderung der Wirtschaftlichkeit und Entbürokratisierung
– Stärkung der Eigenvorsorge
– Anhebung des Beitragssatzes um 0,25 Prozentpunkte
– Portabilität der Alterungsrückstellungen auch im Bereich der privaten Pflege-Pflichtversicherung.

Fristverlängerung für GKV-Ausstieg der Hausärzte

Der Bayerische Hausärzteverband hat die Frist für den kollektiven Ausstieg seiner Mitglieder aus dem Vertragsarztsystem um 3 Monate bis Ende Juni 2008 verlängert. Verbandschef Wolfgang Hoppenthaller bestätigte die Verlängerung der Ausstiegsfrist. Ob der kollektive Ausstieg (mindestens 70 Prozent der Kollegen müssten in jedem Regierungsbezirk ihre Zulassungen zurückgeben) gelingt, ist sehr ungewiss. Viele Kollegen fürchten um ihre Existenz.

Hintergrund: Gegenwärtig sind niedergelassene Ärzte Zwangsmitglieder ihrer regionalen kassenärztlichen Vereinigung (KV). Diese verteilt die Zulassungen und handelt die Honorare mit den Kassen aus. Nur aufgrund dieser Zulassungen sind die Vertragsärzte berechtigt, die Behandlung gesetzlich versicherter Patienten mit der KV abzurechnen. Geben die Hausärzte ihre Zulassungen zurück, entfällt ihr Honoraranspruch.

Die Kollegen hoffen allerdings zweierlei: 1. Anschließend direkt mit den Krankenkassen ihre Honorare abrechnen zu können – was die Kassen jedoch ablehnen. 2. Die Hausärzte wollen ein eigenes Verhandlungsmandat mit den Kassen erzwingen, an der KV vorbei, von der sie sich nicht angemessen vertreten fühlen.

Nach all den vollmundigen Ankündigungen ob des Ausstiegs wirkt die Fristverlängerung wie das Eingeständnis, zunächst gescheitert zu sein. Wie viel mehr Hausärzte das dazu motiviert, ihre Praxis aufs Spiel zu setzen, ist völlig offen. Mißlingt die Rebellion, wird sicherlich der Antidepressiva-Konsum unter den Hausärzten zunehmen.

Was bisher geschah:

Hausarzt-Harakiri? (31.01.08)
Versammlung der Hausärzte in Nürnberg am 30.01.08 (Video)
Hausarztversammlung empfiehlt GKV-Ausstieg (12.01.08)
Hausärzte raus aus der GKV? (09.07.07)

Gift gegen Gaga-Gesundheitsfonds

Die Baustelle Gesundheitsfonds verleitet den bunten Gesundheits-Hund der SPD, Karl Lauterbach, Bilder von anderen sinnentleerten Baumaßnahmen zu entwerfen: Er diktierte der Süddeutschen Zeitung in den Block: „Der Fonds ist so überflüssig wie eine Autobahnbrücke ohne Autobahn.“

Allerdings: Wenn Herr Lauterbach sich äußert, ist das gut fürs Publikum, aber die Spieler im System betrachten Aussagen des Gesundheitsökonomen doch recht skeptisch. Einerseits wegen seiner konsequenten Wissenschaftler-Haltung, die mit einer gewissen Sperrigkeit in der Argumentation verbunden ist. Andererseits wegen seiner (vermeintlichen?!) Nähe zu Ulla Schmidt, als deren enger Berater er immer wieder dargestellt wird.

Am Ende ist es jedoch der Chor der Stimmen, der anschwillt, und den Fonds immer schwerer vermittelbar macht: DAK-Chef Rebscher äußerte sich Anfang Februar gegenüber DPA: Der Gesundheitsfonds sei eine „staatliche Beitragseinzugsstelle“. Er solle letztlich nur verdecken, „dass die paritätische Finanzierung der Gesetzlichen Krankenkassen weiter ausgehöhlt und der Arbeitgeber auf Dauer von der Dynamik steigender Ausgaben für die Gesundheitsversorgung abgekoppelt wird“.

Der Hinweis von Rebscher auf die zukünftig noch ungleichere Lastenverteilung zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern ist wichtig, weil er bisher noch kaum bei den Beitragszahlern angekommen ist.

Die Kommunalwahl in Bayern vom vergangenen Sonntag nun leistet ihren Beitrag, den Gesundheitsfonds ernsthaft zu gefährden. Die CSU ist deutlich beunruhigt, dass ihr der Fonds (unter anderem) die Landtagswahl im September verhageln könnte. Deswegen kommt es zu Absetzbewegungen. Bei Reuters ist von CSU-Landesgruppenchef Ramsauer zu lesen: „Der zum Januar 2009 geplante Gesundheitsfonds zur Finanzierung der gesetzlichen Krankenkassen könne nur dann pünktlich starten, wenn dafür die Voraussetzungen stimmten.“

Und darum ist es schlecht bestellt – zumal Bayern (gemeinsam mit Baden-Württemberg) zu den Verlierern gehört: In beiden Ländern verdienen die Arbeitnehmer mehr. Die Kassen bekommen deswegen höhere Beiträge. Bisher kam dieses Beitragsplus nur deren Versicherten zu Gute. Nun müssen diese Mehreinnahmen zunächst in den großen Pott eingebracht werden.

Wie lange werden die Befürworter des Gesundheitsfonds (Kanzlerin, SPD-Spitze) standhalten, wenn die (unabsehbaren und/oder gefühlten) Risiken des Fonds zunehmend die Wahrnehmung der Öffentlichkeit bestimmen?

Wer im übrigen als Wahlbürger daran mitwirken will, die Einführung des Fonds noch einmal zu überdenken bzw. sogar zu stoppen, kann sich an den Petitionsausschuss des Bundestages wenden: Petition gegen die Einführung des Gesundheitsfonds.

Barmer Hausarztvertrag unzulässig

Das Bundessozialgericht in Kassel hat den Hausarztvertrag der Barmer Ersatzkasse für unzulässig erklärt (Aktenzeichen B 6 KA 27/07 R). Die enge Kooperation zwischen einem Hausarzt und einer Hausapotheke erfülle die Voraussetzungen für eine integrierte Versorgung nach §140 SGB V nicht: „Das System mag seine Vorteile haben, auch für die Versicherten. Eine sektorenübergreifende Zusammenarbeit verschiedener Fachbereiche sieht der Senat aber nicht.“ (dpa-Meldung via arbeitsrecht.de)

Eine solche Zusammenarbeit ist notwendig, um kassenseitig 1% der Gesamtvergütung einbehalten zu können, um sie im Rahmen eines integrierten Versorgungsvertrages an die beteiligten Ärzte und Apotheken auszuschütten.

Gegen die Ersatzkasse geklagt hatte die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Thüringen. Das Landessozialgericht in Thüringen hatte zuvor zugunsten der KV entschieden.

Die Reaktion der Barmer Ersatzkasse ist hier nachzulesen. Die Stellungnahme des Deutschen Apothekerverbandes findet sich hier.

Hausarzt-Harakiri?

Die bayerischen Hausärzte haben sich gestern in Nürnberg getroffen, um einen Ausstieg aus dem KV-System zu beraten. Wolfgang Hoppenthaler, Vorsitzender des Bayerischen Hausärzteverbandes bewertet die Veranstaltung als vollen Erfolg.

Der Konflikt, in erster Linie mit der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB), schwelt schon lange und eskalierte im Sommer letzten Jahres in seine heiße Phase. Die Hausärzte sehen sich am Gängelband der KVB, wollen besser bezahlt werden (was sonst!) und protestieren gegen die immer mieseren Arbeitsbedingungen mit immer höherem Dokumentationsaufwand und Beschneidungen ihrer therapeutischen Freiheit. Sie fürchten zudem um die Gewährleistung der flächendeckenden Versorgung, wenn nicht mehr genügend Ärzte bereit sind, den Job des Allgemeinarztes im ländlichen Raum zu übernehmen.

Allerdings ist völlig unklar, ob sich die Hausärzte nicht selber ins Knie schießen, wenn sie ihre Zulassungen kollektiv zurück geben. Ist doch in § 95b Absatz 1 des 5. Sozialgesetzbuches zu lesen: „Mit den Pflichten eines Vertragsarztes ist es nicht vereinbar, in einem mit anderen Ärzten aufeinander abgestimmten Verfahren oder Verhalten auf die Zulassung als Vertragsarzt zu verzichten.“ Das nun wäre exakt hier der Fall.

Doch wie das deutsche Sozialrecht gestrickt ist, verbietet es den Ärzten zwar kollektiv auszusteigen, hält aber auch eine Lösung vor, wenn sie es dennoch tun: Dann dürfen die Ärzte nach § 95b Absatz 3 das „1,0fache des Gebührensatzes der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ)“ mit der Krankenkasse abrechnen. Und darauf spekulieren die Mediziner selbstverständlich.

Dem steht jedoch ein spektakuläres Urteil des Bundessozialgerichtes (BSG) vom letzten Jahr entgegen, über das ich schon berichtet habe: GKV-Aussteiger ohne Kostenerstattung. In diesem Verfahren ließ es das BSG eben nicht zu, dass die Zahnärzte, die kollektiv aus dem KZV-System ausgestiegen waren, ihre Kosten zum einfachen GOÄ-Satz mit den Krankenkassen abrechnen konnten.

Inwieweit das den bayerischen Hausärzten erlaubt sein wird, ist gegenwärtig völlig unklar – und wird sicher die Sozialgerichte beschäftigen. Vielleicht stehen die Allgemeinmediziner am Ende ziemlich dumm da, wenn sie freiwillig aus dem System austreten und einfach andere Kollegen ihren Job übernehmen: Ärzte aus Tschechien, Ärzte aus anderen Bundesländern und anderen Fachgebieten…

Hausarztversammlung empfiehlt GKV-Ausstieg

95% der Delegierten einer Versammlung des Bayerischen Hausärzteverbandes haben den 8000 niedergelassenen Hausärzten in Bayern empfohlen, das System der Gesetzlichen Krankenversicherung zu verlassen und ihre Zulassungen zurückzugeben.

Bereits im vergangenen Sommer kündigte sich ein solcher Schritt an. Nun wird der Verband konkret – und beruft zum 30.01.08 eine Generalversammlung nach Nürnberg ein. Dann sollen die Mitglieder kollektiv ihren Austritt aus der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) erklären.