Gesundheitsfonds

Was verbirgt sich eigentlich hinter dem öminösen Gesundheitsfonds über den dieser Tage wieder so heftig debattiert wird? (Quelle: GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (pdf))

  • Die Krankenversicherungsbeiträge (Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteil) und ein geringer staatlicher Anteil werden in einen großen Gesundheits-Topf geschüttet.
  • Das Bundesversicherungsamt (BVA) verwaltet den Fonds als Sondervermögen.
  • Daraus erfolgt die Zuweisung einer Grundpauschale pro Versichertem sowie von alters-, geschlechts- und krankheitsadjustierten Zu- und Abschlägen an die Krankenkassen.
  • Mit den Zuweisungen werden die standardisierten Leistungsausgaben (Regelversorgungskatalog laut GBA) abgegolten.
  • Der Fonds muss Liquiditäts- bzw. Schwankungsreserve bilden. Reicht die nicht aus: Bund gibt zinsloses Darlehen.
  • Ist Zuweisung durch den Fonds nicht ausreichend, kann die Kasse individuellen Zusatzbeitrag erheben (entweder 1% vom Brutto oder €8).
  • Schätzerkreis beim BVA legt erstmals zum 01.11.2008 den Beitragssatz für alle GKV-Versicherten fest.

Der Fonds ist ein Hybridwesen der Großkoalition: Vorne kommt die Bürgerversicherung rein, hinten kommt die Kopfpauschale wieder raus. SPD und CDU haben sich darauf verständigt, weil damit je nach Wahlausgang 2009 beide Parteien weiter an den eigenen Modellen basteln können.

Der Fonds wird der gesundheitspolitische Dauerbrenner im Vorwahljahr 2008.

Steigen die Kassenbeiträge?

Selbstverständlich steigen die Kassenbeiträge!

Unklar ist allerdings, in welche Höhen Sie Ende 2008 steigen, um dann in den Gesundheitsfonds zu fließen. Das Institut für Gesundheitsökonomik im München (pdf) errechnete für die arbeitgebernahe Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft einen Beitragssatz von 15,5%. Herr Lauterbach und seine Experten sehen den Beitrag zwischen 15 und 15,4%. Kommt der Fonds, wie er im GKV-WSG von SPD und CDU vereinbart wurde, werden die Kosten für viele Versicherte und deren Arbeitgeber wachsen.

Und warum ist das so?

Im Herbst 2008 wird der Finanzbedarf der GKV frisch eingeschätzt. Ein Schätzerkreis im Bundesversicherungsamt legt dann den Beitragssatz für alle Krankenkassen einheitlich fest. Der Bedarf des Fonds sollte zumindest auf ein, zwei Jahre abgedeckt sein. Medizinischer Fortschritt und eine bessere Vergütung der Ärzte fordern Anpassungen des Bedarfs nach oben. Der einheitliche Beitragssatz wird im Herbst 2008 also höher ausfallen als der durchschnittliche Beitragssatz heute. Insbesondere Versicherte der gegenwärtig eher preiswerten Betriebskrankenkassen (BKK) müssen sich auf deutlich erhöhte Beiträge gefasst machen.

Neues Pflegegesetz auf dem Weg

Heute verabschiedete das Bundeskabinett einen Gesetzentwurf zur Reform der Pflegeversicherung (Pflege-Weiterentwicklungsgesetz, pdf). Laut dem federführenden Bundesministerium für Gesundheit enthält die Gesetzesinitiative folgende Eckpunkte:

1. Stärkung der ambulanten Versorgung nach persönlichem Bedarf
2. Ausgestaltung der finanziellen Leistungen
3. Einführung einer Pflegezeit für Beschäftigte
4. Stärkung von Prävention und Rehabilitation in der Pflege
5. Ausbau der Qualitätssicherung und Weiterentwicklung der Transparenz
6. Unterstützung des generationsübergreifenden bürgerschaftlichen Engagements
7. Abbau von Schnittstellenproblemen
8. Förderung der Wirtschaftlichkeit und Entbürokratisierung
9. Stärkung der Eigenvorsorge und Anpassung der privaten Pflegepflichtversicherung an die Regeln des GKV-WSG
10. Finanzierung: Die Beitragssätze werden ab 01.07.2008 um 0,25% steigen, von jetzt 1,7% auf 1,95% (mit Kindern), ohne Kinder von jetzt 1,95% auf 2,2%.

Update, 09.04.08: Neues Pflegegesetz – Was haben Demenzkranke davon?
Update, 13.04.08: Neues Pflegegesetz – Was haben pflegende Angehörige davon?

GBA gegen Pflicht zur Früherkennung

Der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA), ein Gremium, in dem Ärzte, Krankenkassen und Patienten über Leistungen der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) entscheiden, beschloss in seiner Auslegung von § 25 SGB V, der im letzten Gesundheitsreformgesetz frisch verankert wurde:

„Auch künftig soll es keine verpflichtende Teilnahme an den von der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) angebotenen Gesundheits- und Krebsfrüherkennungsuntersuchungen geben. Stattdessen sollen sich gesetzlich Versicherte von einem Arzt mit Erreichen des Anspruchsalters einmalig über Vor- und Nachteile der jeweiligen Früherkennung beraten lassen.“ (Zitat Pressemitteilung GBA)

Eine sinnvolle Begrenzung der Absichten des Gesetzgebers, jene Versicherten durch erhöhte Zuzahlungen zu bestrafen, die chronisch erkranken und die nicht regelmäßig bspw. zur Krebsfrüherkennungsuntersuchung gegangen sind.

Angesichts erheblicher wissenschaftlicher Zweifel an der Prognosesicherheit von Früherkennungstests und möglichen Risiken durch falsche Befunde (Brustkrebs bei sehr jungen Frauen) bzw. invasive Verfahren (Darmspiegelungen) setzt der GBA ein Zeichen gegen den Präventions- und Vorsorgewahn führender Gesundheitspolitiker.

Ärzte IGeLn sich ein

Das wissenschaftliche Institut des AOK-Bundesverbandes, WIDO, veröffentlichte gestern Daten einer Patientenbefragung (3000 Teilnehmer, bundesweit) über Zusatzleistungen niedergelassener Ärztinnen und Ärzte, die Krankenversicherte aus eigener Tasche bezahlen.

Diese so genannten Individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL) können nicht im Rahmen der GKV abgerechnet werden – und dienen als Zubrot im Praxis-Umsatz. Außer der einen oder anderen Reiseschutzimpfung sind die angebotenen Leistungen medizinisch überflüssig.

Laut WIDO IGeLn hauptsächlich Gynäkologen und Augenärzte, aber auch Urologen, Hautärzte und Orthopäden schaffen sich diesen Nebenmarkt, dessen Volumen seit der vorhergehenden Befragung im Jahr 2005 leicht gewachsen ist (+2%).

Patienten mit mehr Bildung und einem höheren Einkommen nehmen häufiger IGeL-Leistungen in Anspruch bzw. bekommen diese häufiger angeboten und willigen ein. Allerdings unterlassen es die Behandler in zwei Dritteln der Fälle, die eigentlich erforderliche, schriftliche Vereinbarung mit den Patienten zu treffen. In etwa einem Fünftel der Behandlungsfälle findet die Transaktion Leistung gegen Geld – laut Aussagen der Patienten – sogar ohne Rechnung statt, Brutto für Netto also.

Zu wenig noch, wie ich finde, denn erst dann wird es doch richtig lukrativ.

Hausärzte raus aus der GKV?

Der Verband der bayrischen Hausärzte hat auf seiner Delegiertenversammlung vergangenes Wochenende in Würzburg das einstimmige Votum der Delegierten erhalten, seine Mitglieder aus der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) herauszuführen. Der Vorstand des Landesverbandes darf ab sofort damit beginnen, den Ausstieg aus dem System gesetzlicher Krankenkassen und kassenärztlicher Vereinigung zu organisieren.

Paragraf 95b und Paragraf 72a SGB V regeln den Umgang mit den Verzichtserklärungen der niedergelassenen Vertragsärzte.

Mir ist völlig unklar: Wird das geduldet? Wird das angefochten? Zahlen die Kassen widerspruchslos den einfachen GOÄ-Satz, wie von den Initiatoren des GKV-Verzichts entworfen? Pokern die Hausarztfunktionäre zu hoch? Könnte jemand feststellen, dass sich auch mit nur der Hälfte niedergelassener Hausärzte eine gute primärärztliche Versorgung aufrecht erhalten liesse? Oder handelt es sich sowieso nur um strategisches Positionieren, weil gegenwärtig die Fallpauschalen für die ambulante Versorgung verhandelt werden? Am Ende doch alles nur heiße Luft?

Fragen über Fragen. Ich warte mit Spannung auf den weiteren Verlauf dieser Auseinandersetzung.

BVA bremst Kassen

Laut einem Bericht der Berliner Zeitung „Tagesspiegel“ versagt das Bundesversicherungsamt den gesetzlichen Krankenkassen, Tarife mit zusätzlichen Leistungen wie Chefarztbehandlung und Einzelzimmerzuschlag anzubieten.

Die privaten Krankenversicherungen (PKV) wehren sich vehement gegen die Konkurrenz aus den Reihen der gesetzlichen Versicherer. Bisher schließen nämlich die Privaten solche Verträge exklusiv mit den Versicherten ab – auch und gerade mit Versicherten, die regulär gesetzlich krankenversichert sind.

Wahlpflichttarife der Krankenkassen

Die gesetzlichen Krankenkassen sind seit dem 01.04.2007 verpflichtet, ihren Versicherten Tarife für die Teilnahme an besonderen Versorgungsformen anzubieten:

  • Integrierte Versorgung (IV)
  • Disease-Management-Programme (DMP)
  • besondere ambulante ärztliche Versorgung
  • Modellvorhaben
  • Hausarzt-zentrierte Versorgung

Bestimmte Angebote, bei denen die Patienten bspw. die Praxisgebühr rückerstattet bekommen, haben die Krankenkassen bereits im Angebot. Gerade die Chroniker-Programme (DMP) sind für die Kassen attraktiv, da sie über den so genannten Risikostrukturausgleich und damit verbundene Ausgleichszahlungen im Pool der Kassen davon profitieren.

Einen Tarif zur Hausarzt-zentrierten Versorgung ist gegenwärtig jedoch kaum zu bekommen. Zwar bietet die Barmer Ersatzkasse ihren Versicherten einen Hausarztvertrag. Allerdings erfüllt der (eventuell) nicht die Vorgaben des Gesetzgebers. Ein Verfahren gegen diese Verträge ist vor dem Bundessozialgericht in Kassel anhängig. (update)
Aus Kostengründen ist seitens der Versicherer gegenwärtig kaum mit einem flächendeckenden Hausarzt-Tarif zu rechnen – zumal der Gesetzgeber versäumt hat, ein Datum ins Gesetz zu schreiben, bis wann die neuen Pflichttarife einzuführen sind. Wer einen Hausarzttarif von seiner Kasse will, diese aber abwiegelt oder auf später vertröstet, meldet sich am besten bei der Dienstaufsichtsbehörde, dem Bundesversicherungsamt in Bonn, Tel.: 0228 619-0.

Elektronische Gesundheitskarte

Die Krankenkassen stehen vor der flächendeckenden Einführung der elektronischen Gesundheitskarte (eGK). Obwohl schon zum 01.01.2006 geplant, laufen gegenwärtig nur Modellversuche. Bis Ende 2008 soll die Karte bundesweit verfügbar sein.

Allerdings haben sich inzwischen verschiedene Ärzteorganisationen (Kassenärztliche Bundesvereinigung, Bundesärztekammer, Hausärzteverband, Marburger Bund) in einer gemeinsamen Erklärung gegen die Einführung der Karte gewandt, wenn sie die anfallenden Kosten nicht gesondert vergütet bekommen.

In seltener Einmütigkeit haben nun die gesetzlichen und die privaten Krankenkassen an die Ärzte und ihre Standesvertreter appelliert, das Vorhaben nicht zu blockieren. Die Erklärung der Ärzteschaft bezeichneten sie als einen Versuch, „Druck auf die Kostenträger bei den Verhandlungen zur Finanzierung der Erstausstattung der ärztlichen Praxen mit entsprechender Praxishard- und software auszuüben. Ärgerlich sei es, dass versucht werde, Ängste bei den Patienten im Hinblick auf die Datensicherheit zu schüren, um damit eigene finanzielle Interessen durchzusetzen.“