Staatsparanoia

Die technische Entwicklung eröffnet dem Staat und seinen Sicherheitsbehörden inzwischen Möglichkeiten, von denen der Staatssicherheitsdienst in der DDR allenfalls träumen konnte: Vorratsdatenspeicherung von Verbindungsdaten, Zugriff auf privat genutzte Festplatten, biometrische Erfassung der Bevölkerung. Es bleibt, wie in allen Fällen technischer Möglichkeiten die entscheidende Frage: Ist alles, was möglich ist, auch sinnvoll? Und wenn ja, für wen?
Das Innenministerium sagt sich: Wenn wir ALLE Informationen kontrollieren, laufen auch die sicherheitsrelevanten Kommunikationen durch unsere Kanäle. Damit stellt sich die Frage, ob auch ALLE sicherheitsrelevanten Informationen durch diese Kanäle fließen?

Das bezweifle ich. Die Sicherheitsdienste schöpfen Daten ab von Quellen, die im Alltagsleben keinerlei Vorkehrungen dagegen ergreifen, von mitlauschenden Dritten abgeschöpft zu werden. Die naive Haltung, wer nichts zu verbergen hat, braucht auch nichts zu befürchten, spielt diesem maßlosen Abschöpfen in die Hände.

Wer seine Informationen schützen will, damit sie vertraulich fließen können, trifft meist Maßnahmen, seine Kommunikation abzuschirmen. Das ist technisch dieser Tage keine große Herausforderung. Ansonsten bleibt der nicht-technisch vermittelte Informationsaustausch oder auch die Schneckenpost bis hin zu Kurierdiensten.

Es ist also davon auszugehen, dass Menschen, die Böses aushecken, dies bei gutem Verstand nicht mittels jener Kanäle tun, die den Sicherheitsbehörden zugänglich sind.

Was soll also das Ganze? Warum fordert der Innenminister die Verfasstheit dieses Landes heraus, die das Individuum und seine Privatsphäre mit besonderen Abwehrrechten ausstattet? Hat Schäuble nichts gelernt aus Nazismus und real-existierendem Sozialismus? Oder hat er gelernt, wie er es anders anfangen muss, um das gleiche Ziel zu erreichen: Totale Kontrolle. Immer schön an der Verfassung basteln, damit sie irgendwann passt. Wer schützt eigentlich die Verfassung vor dem obersten Verfassungsschützer?