Mit dem Kind im Gespräch…

Als ich unseren Sohn heute aus der Kita abholen wollte, weigerte er sich lange Minuten beharrlich – indem er einfach unbeirrt weiterspielte und dabei „Backe backe Kuchen, der Bäcker hat gerufen“ sang. Nach der vierten oder fünften Aufforderung, sich von mir anziehen zu lassen, vertröstete mich das Kind plötzlich mit den Worten: „Ja, gleich.“

Ansonsten im Alltag ist diese unbestimmte Zeitangabe reine Routine. Sie macht es allenfalls erforderlich einzuschätzen, was der andere unter „gleich“ versteht. Sie jedoch das erste Mal aus dem Mund meines 21,5 Monate alten Kindes zu hören, beeindruckte mich nachhaltig: Jetzt kann er also aktiv Zeit schinden.

Wahlstift vor dem Ende?

Wie die TAZ in ihrer morgigen Ausgabe (05.11.07) schreibt, gibt es in der Hamburger SPD-Fraktion nur noch einen Wahlstiftbefürworter:

„Wie die taz aus SPD-Fraktionskreisen erfuhr, votiert nur noch ein SPD-Abgeordneter für den Wahlstift. Damit wäre die allein regierende CDU einzige Befürworterin des Geräts. Zwar haben SPD und Grüne Alternative Liste nur 57 Stimmen und die Union 63. In der SPD rechnet man aber offenbar damit, dass die CDU den Stift nicht gegen den Willen der anderen Fraktionen durchsetzen wird.“

CDU-Wahlstiftfan van Vormizeele hat schon öffentlich angekündigt, den Stift nicht gegen die anderen Parteien durchsetzen zu wollen. Das Hamburger Abendblatt zitiert ihn am 26.10.07 so: „Wir wollen den Einsatz des digitalen Wahlstiftes nach wie vor nicht im Alleingang durchsetzen.

Wenn also die taz nicht völlig daneben liegt, haben die letzten Stündchen des digitalen Wahlstiftes geschlagen, zumindest in Hamburg.

Lärmschutz gegen Kinder

Im Hamburger Kindergartenprojekt „Marienkäfer“ wurde gestern der Grundstein für eine Lärmschutzwand gelegt. Lärmschutzwand? Kindergarten? Alles in Ordnung bei den Fischköppen?

Das ist passiert: Vor zwei Jahren klagten Anwohner gegen den alten Standort des Marienkäfer. Das Hamburger Landgericht gab den Lärmbelästigten zum Entsetzen vieler Leute recht. Das Projekt musste weichen und eine neue Bleibe suchen. Die Auflage: Eine 60 m lange und zwei Meter hohe Lärmschutzwand.

Vielleicht zeigt diese Grundsteinlegung, wie es wirklich steht in diesem Land um das Zusammenleben mit Kindern – und um das Zusammenleben überhaupt…

Mehr Infos:

Kindergarten Marienkäfer: Erste Einigung (Hamburger Abendblatt 25.08.05)
Zu laut! Kita Marienkäfer muss ausziehen (Hamburger Abendblatt 02.11.06)

Helm auf und los! Baustart für „Marienkäfer“ (Hamburger Abendblatt 03.11.07)
Marienkäfer: Dem Bürgermeister war’s wohl peinlich (HH-Heute 02.11.07)

Fatih Akin: Auf der anderen Seite

Mit seinem Film „Auf der anderen Seite“ (eine Palme in Cannes 2007 für das beste Drehbuch) stellt Fatih Akin den zweiten Teil seiner Liebe-Tod-und-Teufel-Trilogie vor. Der Tod steht also im Zentrum, so wie die Liebe Gegenstand des ergreifenden, ungezügelten Dramas „Gegen die Wand“ ist.

Akin verschachtelt zwei zunächst voneinander unabhängige Geschichten, um vom Tod zu erzählen. Hier die Geschichte von Yeter, einer Türkin, die in Deutschland zu Tode kommt, dort die Geschichte von Lotte, einer Deutschen, die in der Türkei stirbt. Verklammert werden die beiden Episoden durch die Figur des türkisch-stämmigen Germanistik-Professors Nejat Aksu, der die Hamburger Uni verlässt und sich in Istanbul eine Buchhandlung für deutschsprachige Literatur kauft.

Leider kommt Akin dem Tod nicht wirklich nah. Der Sensenmann ist zwar Teil des Plots. Allerdings dient er nur als Scharnier zwischen den Filmteilen. Akin erforscht den Tod nicht. Er dreht und wendet ihn nicht, wie das zu erwarten wäre, wenn der Tod zentraler Inhalt des Films ist. Stattdessen überkommt der Tod die Handelnden ohne Vorwarnung und reißt sie aus dem Leben – weil sie zufällig den falschen Menschen begegnen oder im falschen Moment am falschen Ort sind. Eine Auseinandersetzung mit dem Tod ist so allenfalls für die (Über)-Lebenden möglich. Doch auch die kehren recht schnell in die Bewältigung des eigenen Alltags zurück.

Zudem tragen die Figuren an der Last des Ensemblefilms: Für jede Figur werden viele Fragen nicht beantwortet, weil Raum und Zeit fehlen, sie zu beantworten. Da viele Personen im Mittelpunkt stehen, tut es keine so richtig – und so stark die Charaktere situativ agieren, so blass bleiben sie bezüglich Ihres Antriebes über die Zeit. Biographisch am weitesten spannt sich dabei die Geschichte von Nejat Aksu.

Was imponiert ist die wieder ausgezeichnete Schauspielerarbeit, der treibende Soundtrack und das sichere Timing – auch wenn der Film erst nach ein paar Längen richtig in Fahrt kommt. Die kulturellen Mehrdeutigkeiten, mit denen Akin zu jonglieren vermag wie kein Zweiter, machen seine Filme wertvoll weit über den deutsch-türkischen Kontext hinaus.

Biometrischer Reisepass

Ab heute wird jeder, der einen neuen Reisepass beantragt, vom Staat genötigt, zwei Fingerabdrücke abzugeben. Keine schöne Vorstellung, wo doch solche Maßnahmen bisher immer nur irgendwelchen Verdächtigen galten…

Zu verdanken haben wir das unter anderem dem verdienstvollen Wirken von Herrn Schily, der nun in den Aufsichtsräten zweier Firmen sitzt, die biometrische Sicherheitstechnik anbieten.

Hier ein paar Links zum Thema:

Boykottaufruf gegen die Abnahme von Fingerabdrücken für Reisepässe (heise.de 15.06.07)
Von Kinder-, Vorrats- und Passdaten (heise.de 28.08.07)
„Feuchte Hände“ vor Ausgabe der neuen Pässe mit Fingerabdrücken (heise.de 02.10.07)
Der elektronische Reisepass (Chaosradio Express 08.10.07)
Fingerabdruck im Reisepass: Risikoexperiment an der Bevölkerung beginnt (CCC 16.10.07)
CCC warnt vor Risiken und Nebenwirkungen des neuen Reisepasses (heise.de 16.10.07)