Demenz, Würde und eine Walter-Jens-Homestory mit fadem Beigeschmack

Diese Woche gibt Inge Jens im STERN einen tiefen, zu tiefen Einblick in das Leben mit ihrem Demenz-erkrankten Ehemann, dem Tübinger Geisteswissenschaftler und Schriftsteller Walter Jens. Dessen gesamtes professionelles Leben gründet auf Text und Sprache, auf Kommunikation, auf Schreiben und Lesen. Doch dieser Teil seiner Identität ist durch die Erkrankung ausgelöscht.

Das Interview ist sicherlich aufrichtig. Aus Frau Jens sprechen Verzweiflung und Hilflosigkeit, aber auch Kälte und Distanz. Dennoch bleibt das Motiv dieser Bloßstellung vollständig im Dunkeln. Was will uns Frau Jens verdeutlichen? Dass es jeden treffen kann? Dass Demenz ganz und gar furchtbar ist, vor allem für die Angehörigen? Oder gibt es in der Familie offene Rechnungen? Was auch immer das Motiv sein mag, aus dem Interview lässt es sich nicht erschließen. Den alten Mann so vorzuführen, scheint mir doch arg unwürdig.

Neulich schrieb Tilman Jens in FAZ: „Meine Mutter, mein Bruder und ich sind uns einig, wir wollen, wir werden sein Leid nicht verstecken.“ Das lässt sich auch als Drohung verstehen.

Denn nun ist diese STERN-Geschichte dabei rausgekommen, weil die Familie das Leid des Professors nicht verstecken will. Warum will sie das nicht? Warum geht die Familie mit dem Leid des Alten hausieren?

Und: Grenzt es nicht an Mißbrauch von Einverständnisunfähigen, wenn solche Bildstrecken wie die im STERN veröffentlicht werden?