Das romantische Liebesideal

Teil 1: Neid und Konkurrenz bei Paaren
Teil 2: Wer liebt, der neidet nicht?
Teil 3: Wenn zwei dasselbe begehren
Teil 4: Der soziale Vergleich liegt dem Neid zugrunde
Teil 5: Beruflicher Erfolg, beruflicher Misserfolg – Vergleich macht neidisch
Teil 6: Männer und Frauen – die neue Konkurrenz
Teil 7: Mit dem Neid leben?

Das romantische Liebesideal entsteht gegen Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Im Zuge der Französischen Revolution beginnt das „Zeitalter der Aufklärung“. Monarchien und Fürstenhäuser brechen zusammen. Das Bürgertum steigt zu einer ernst zu nehmenden gesellschaftlichen Macht auf. Die neue Zeit offenbart den Bürgern neue Wahlfreiheiten. Dichtkunst und Literatur werden von den Romantikern des „Sturm und Drang“ beherrscht, die als erste die neuen Freiheiten insbesondere als die Freiheit von emotionalen Zwängen feiern.

Karl Lenz nennt in seinem Buch „Soziologie der Zweierbeziehung“ folgende Merkmale, die an das romantische Liebesideal geknüpft sind:

  • Liebe und Sexualität gehören zusammen.
  • Die bürgerliche Ehe ist die einzig adäquate Form, die Liebe zum Ausdruck zu bringen.
  • Die romantische Liebe erfährt durch die Elternschaft ihre höchste Vollendung.
  • Das Gefühl entsteht, wenn die Person auftaucht, für die diese Liebe bestimmt ist; jede Beziehungsanbahnung und sämtliche Erhaltungsbemühungen sind verwerflich.
  • Es gibt nur die eine, die einzig wahre Liebe mit dem einen Menschen.
  • Diese Liebe gibt die Chance, in seiner Einzigartigkeit anerkannt zu werden, verbunden mit sehr hoher Glückserwartung an die Beziehung.
  • Erst eine wechselseitig erwiderte Liebe wird zur „wahren“ Liebe.

Die romantischen Liebesvorstellungen verdrängen den pragmatischen Entwurf, den die Menschen bis dahin gelebt haben: In einer Ehe sollten sich die Eheleute ergänzen. Sie sollten eine sozialökonomische Schicksalsgemeinschaft gründen, in der sie zum gegenseitigen Vorteil Hab und Gut miteinander teilten. Diesen Vorteil sollten sie nutzen, einer möglichst großen Zahl von Kindern das Überleben zu sichern.

Doch die bürgerlichen Romantiker verachten diesen pragmatischen Entwurf und machen die emotionale Verbundenheit zwischen den Partnern zum entscheidenden Kriterium. Die „wahre“ Liebe zwischen zwei Auserwählten begründet einen „Bund fürs Leben“. In freier Wahl gibt nun das mächtige Liebesgefühl den Ausschlag, wer für wen bestimmt ist. Dabei erfüllt der Partner oder die Partnerin sämtliche Wünsche, befriedigt alle Bedürfnisse und stillt die Sehnsucht, mit dem einen Wesen zu verschmelzen, das genauso denkt und fühlt und handelt.

Literatur: Lenz, K.: Soziologie der Zweierbeziehung. Eine Einführung, Opladen: Westdeutscher Verlag 1998.

Teil 8: Neid – geächtet durch die Gemeinschaft
Exkurs: Neid in griechischer Mythologie und christlicher Religion
Teil 9: Neid – beschädigter Selbstwert als Hintergrund
Exkurs: Schneewittchen und die sieben Zwerge
Teil 10: Neid trägt viele Kleider
Teil 11: Aus der Sprachlosigkeit finden, wenn Neid die Stimmung trübt

Neid in Partnerschaften: Literaturangaben

Männer und Frauen – die neue Konkurrenz

Teil 1: Neid und Konkurrenz bei Paaren
Teil 2: Wer liebt, der neidet nicht?
Teil 3: Wenn zwei dasselbe begehren
Teil 4: Der soziale Vergleich liegt dem Neid zugrunde
Teil 5: Beruflicher Erfolg, beruflicher Misserfolg – Vergleich macht neidisch

Vergleiche zwischen Männern und Frauen wie bei Heike und Reimund oder bei Tine und Holger sind ein Phänomen moderner Lebenswirklichkeiten. Konkurrierende Interessen zwischen Liebespartnern waren vor rund 200 Jahren, als das romantische Liebesideal entstand, kaum denkbar. Männer und Frauen lebten in voneinander getrennten Welten. Konflikte um Chancen und Entwicklungsmöglichkeiten gab es so gut wie keine. Nicht nur, dass Frauen gar nicht studieren durften.

In der Welt der bürgerlichen Ehe, die sich damals gerade als gesellschaftliches Modell zu etablieren begann, wurden beiden Geschlechtern streng getrennte Aufgabenbereiche zugewiesen: Sie versorgte die Kinder, organisierte den Haushalt und stellte dort das her, was die Familie täglich brauchte. Er kümmerte sich um sein Geschäft, ein Handwerk, ein Handelsunternehmen oder er verdingte sich als Lohnarbeiter. Konkurrenz zwischen den Geschlechtern war kein Thema. Als zu verschieden galten Frau und Mann. Die Unterordnung der Frau unter den Mann wurde als völlig natürlich betrachtet und auch von den meisten Frauen als gegeben akzeptiert.

Vor allem in den letzten vier Jahrzehnten haben sich die Paarbeziehungen mit großer Dynamik verändert. Neue Lebens- und Liebesformen setzten sich seitdem durch. Im Zuge des geschlechterpolitischen Umbruchs verwischten viele der so genannten „natürlichen“ Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Althergebrachte Rollenvorstellungen wurden hinterfragt. Bis dahin wohl erprobte Beziehungsgleichgewichte gerieten durcheinander.

Plötzlich ergänzen Männer und Frauen sich nicht mehr nur, sondern wetteifern um dieselben (knappen) Ressourcen: den beruflichen Erfolg, das Einkommen, die Freizeit, die Aufmerksamkeit im sozialen Umfeld, das Vertrauen der Kinder. Die Konkurrenzsituation sorgt zunächst auch für Unsicherheit. Gerade Männern scheint häufig noch unklar, wie sie mit den neuen Ansprüchen der Frauen umgehen sollen. In dem Maße wie sich das weibliche Selbstverständnis veränderte, entstand eine neue Geschlechterrivalität.

Doch nicht nur die Geschlechterverhältnisse haben sich weiter entwickelt. Auch die Erwartungen an das Leben, die Bedürfnisse und Sehnsüchte haben sich ausdifferenziert: Als selbstverantwortliche Individuen entwerfen Männer und Frauen heute zunächst Lebens- und Zukunftspläne für das eigene Fortkommen. In diese Entwürfe gehen bevorzugt die Optionen ein, die unseren Sehnsüchten und unseren Möglichkeiten nahe kommen: Schulbildung, berufliche Ausbildung oder Studium, Sammeln von Welterfahrung, Reisen, Kinder nicht vor 30, erst einmal das Leben genießen…

Lassen wir uns dann bei passender Gelegenheit auf eine Liebesbeziehung ein, müssen wir aus dieser gut eingerichteten Selbstsicht in die Beziehungsperspektive wechseln. Dort gemeinsam mit dem geliebten Menschen einen Beziehungsentwurf zu entwickeln, erweist sich häufig als schwieriger als wir vorher erwartet haben. Deswegen passiert es nicht selten, dass wir uns zwar in einer Beziehung sehen, aber dennoch nur den eigenen Lebensentwurf verfolgen – häufig in Konkurrenz mit unserem Partner und folglich neidisch, wenn der Partner seinen Lebensentwurf scheinbar besser verwirklicht als wir den unsrigen.

Teil 7: Mit dem Neid leben?
Exkurs: Das romantische Liebesideal
Teil 8: Neid – geächtet durch die Gemeinschaft
Exkurs: Neid in griechischer Mythologie und christlicher Religion
Teil 9: Neid – beschädigter Selbstwert als Hintergrund

Neid in Partnerschaften: Literaturangaben