Sexuelle Macht und sexuelle Potenz

Teil 1: Neid und Konkurrenz bei Paaren

Teil 28: Neid zwischen den Geschlechtern
Teil 29: Wie umgehen mit den neuen Lebenswirklichkeiten in Partnerschaften?
Teil 30: Männlicher Neid auf Frauen
Teil 31: Gebärneid – Frauen können Leben geben

Neidisch reagiert der Mann jedoch nicht nur auf die Leben schaffende Kraft der Frau. Auch die sexuelle Macht und die sexuelle Potenz der Frau wecken neidische Gefühle beim anderen Geschlecht. Frauen steuern die Beziehungsanbahnung und treffen die Entscheidung, welchen Partner sie an ihrer Seite sehen möchten. Sosehr sich Männer als Verführer betrachten, sosehr sind es die Frauen, die das Spiel bestimmen. Biologisch ist das auch sinnvoll, da die Sexualität der Fortpflanzung dient und die Frau das Kind austrägt. Frauen sichern sich mit der sexuellen Macht die Kontrolle darüber, welchem Mann sie potenziell die Möglichkeit geben, mit ihnen ein Kind zu zeugen. Die sexuelle Macht leitet sich damit folgerichtig aus den weiblichen Fähigkeiten ab, gebären und stillen zu können.

Da der Mann also relativ wenig Kontrolle rund um die Partnerwahl ausübt, fühlt er sich zurückgesetzt und reagiert neidisch auf diese Macht. Um diese Gefühle auszugleichen, übernimmt der Mann nach der Partnerwahl die Kontrolle: Weil er von der Frau gewählt wird und weil er Angst davor hat, die Frau könnte ihn wieder abwählen, versucht er nun innerhalb der Beziehung die Führung zu übernehmen – und die Frau akzeptiert es meist, denn sie ist auch an einem Ausgleich dem Neider gegenüber interessiert.

Zwar gilt die Ehefrau heute nicht mehr als Besitz des Mannes, die nicht einmal einer Arbeit nachgehen darf, ohne dass der Ehemann zustimmt. Doch noch immer nimmt die Ehefrau bei der Hochzeit mehrheitlich seinen Nachnamen an. Sie bleibt zu Hause, um die Kinder zu versorgen. Sie nimmt die allermeisten Elternzeit-Monate in Anspruch. Sie kocht und erledigt den größten Teil der Hausarbeit. Im Rahmen ihrer neuen Wahlfreiheit beanspruchen manche Frauen die Rolle als Hausfrau und Mutter allerdings auch als Teil eines von ihnen selbstbestimmten Lebens.

Die Macht der Frauen zeigt sich nicht nur in der Partnerwahl, sondern auch in der Sexualität. Weibliche Erregungskurven verlaufen physiologisch anders als männliche. So braucht die Frau im Schnitt länger als der Mann, um das sexuelle Feuer in sich zu entfachen. Der Mann nähert sich schneller dem Orgasmus und muss anschließend in der Regel eine Zwangspause einlegen, bevor die Erregung zurückkehren kann. Die Frau hingegen kann ungebremst von einem Höhepunkt zum anderen fliegen. Diese starke orgiastische Kraft der Frau löst ein ungleich stärkeres Kontrollbedürfnis des neidischen Mannes aus als die sexuelle Macht allein.

Dieses Kontrollbedürfnis drückt sich auf zweierlei Weise aus: Zum einen wird der weibliche Körper zum Projektionsfeld männlicher Phantasien: In bildender Kunst, Literatur, in Film und Fernsehen, in Kirche und Religion – immerzu beschäftigen sich vornehmlich Männer mit dem weiblichen Körper und seiner Wirkung auf Männer. Männer grenzen ein, was moralisch gerechtfertigt und was sündhaft, was erlaubt und was verboten ist. Männer bestimmen, was schön ist und was hässlich. Sie definieren das weibliche Körperideal. Damit entscheiden Männer über den Wert des Körpers einer Frau. Sie gestalten und formen ihn, und sie stellen ihn aus.

Auf indirektem Wege erlangt der neidische Mann so die Kontrolle über die Leidenschaft des weiblichen Körpers zurück. Dabei wird dieser Körper manchmal mythisch überhöht und manchmal als schwach abgewertet. Einmal gilt die Frau als Heilige und ein anderes Mal als Hure, einmal als Männer verschlingendes Monstrum, ein anderes Mal als brave Hausfrau und Mutter ohne jede Sexualität. Es scheint, als könnten (heterosexuelle) Männer zumindest aus kulturhistorischer Sicht kaum einen „normalen“ Bezug zum weiblichen Körper entwickeln.

Zum anderen äußert sich das Kontrollbedürfnis des neidischen Mannes während des sexuellen Aktes selbst: Viel weiblicher Frust in den Betten entsteht durch die mangelnde Bereitschaft des Mannes, sich auf die verschiedenen Erregungskurven einzulassen. Er achtet gemeinhin nicht nur zu sehr auf seine eigene Befriedigung, sondern verweigert der Frau häufig auch jenen Teil der Befriedigung, zu der ihr Körper sie natürlicherweise in die Lage versetzt: mehrfache Orgasmen. Die stärkere sexuelle Potenz bedroht das fragile männliche Selbst so sehr, dass der Mann sie am liebsten ignoriert. Weil der Mann sich biologisch im Nachteil und seinen Selbstwert angegriffen sieht, missgönnt er der Frau ihren Vorteil. Kurzfristig bewältigt er seinen Neid durch das Ausblenden der weiblichen Bedürfnisse. Die langfristigen Folgen allerdings für die sexuelle Lust des Paares bleiben unbedacht.

Teil 33: Weibliche Kommunikationskultur, Sozialkompetenz, Bindungsfähigkeit
Teil 34: Weiblicher Neid auf Männer
Teil 35: Neidisch auf die gesellschaftliche Macht der Männer?

Neid in Partnerschaften: Literatur

Gebärneid – Frauen können Leben geben

Teil 1: Neid und Konkurrenz bei Paaren

Teil 28: Neid zwischen den Geschlechtern
Teil 29: Wie umgehen mit den neuen Lebenswirklichkeiten in Partnerschaften?
Teil 30: Männlicher Neid auf Frauen

Männlicher Neid auf die Frauen existiert aber nicht erst seit den Umbrüchen der 1960er-Jahre. Die Tatsache, dass Frauen Kinder bekommen und sie nähren können, treibt den Mann seit Menschengedenken um: Der neidische Impuls auf die weibliche Fruchtbarkeit drückt sich in einer Verkehrung der Wirklichkeit schon im biblischen Schöpfungsmythos aus. Eva entspringt Adams Rippe, gerade so, als habe der Mann die Fähigkeit, Leben zu erzeugen. Rolf Haubl (2001, S.181) schreibt dazu:

Wenn die Geburt Evas aus Adam die Herrschaft des Mannes über die – durch die Geburtsszene immer auch zum Kind gemachte – Frau rechtfertigen soll, dann mag das die tröstende Entstellung einer ängstigenden Realität gewesen sein: dass die Frau als Gebärende Gewalt über den Mann besitzt, werden doch alle Männer von Frauen geboren.

Das neidische Schielen der Männer auf die Gebärfähigkeit lässt sich als eine Art Rebellion gegen die eigenen biologischen Grenzen verstehen. Für viele Theoretiker der Psychoanalyse (Karin Horney, Erich Fromm, Bruno Bettelheim) ist dieser Neidimpuls das zentrale Motiv für den übergroßen männlichen Schaffensdrang – außerhalb der Kernfamilie.

Der Neid der Männer auf die Frauen sei Triebfeder für männliche Kreativität. Durch ihn erzeuge der Mann seit Jahrtausenden einen Großteil des so genannten wissenschaftlich-technischen Fortschritts. In seiner aggressiv- destruktiven Ausdrucksform inszeniere er Kriege, ergehe sich in Zerstörungslust und Eroberungs- beziehungsweise Unterwerfungsphantasien.

In ihrem Essay Geschlechterneid aus dem Sammelband Neidgesellschaft diskutiert Miriam Lau auch das Human Genome Project unter dem Aspekt des Gebärneids. Wie die Reproduktionsmediziner arbeiten die Genetiker an einem Programm, das nur ein Ziel zu kennen scheint: die Zeugung und Reifung des Kindes bis zur „Geburt“ – und zwar komplett außerhalb des Körpers der Frau. Die Fortschritte sind in der Tat beträchtlich. Befruchtete Eizellen können immer später in den weiblichen Körper verpflanzt werden. Frühchen haben schon ab der 24. Schwangerschaftswoche eine Überlebenschance. Die beiden Prozesse nähern sich allmählich an.

Doch Lau (2001, S. 126) warnt vor voreiligen Schlüssen: Bezogen auf die Entschlüsselung des menschlichen Genoms werden womöglich Diabetiker, Unfruchtbare und Krebskranke vom Gebärneid der Männer profitieren – „wie wir uns überhaupt mit dem Gedanken befreunden sollten, dass der Neid zwischen den Geschlechtern eine hochproduktive Angelegenheit ist, mit der die Menschen ihre konstitutionelle Bisexualität nicht nur einklagen, sondern auch in die Tat umsetzen“.

Aus dieser Sicht setzen die Männer das „Ich will auch“ seit vielen Jahrhunderten mit sehr großer Produktivität in die Tat um. Der Neid der Männer auf die Gebärfähigkeit wirkt sich also gewinnbringend auf die gesamte menschliche Entwicklung aus. Dies manifestiert sich auch im allgemeinen Sprachgebrauch: Wir gehen mit „einem Gedanken schwanger“. Wir behaupten, eine Problemlösung sei „eine schwere Geburt“. Oder wir fragen uns, wessen „Geistes Kind“ dieser oder jener Mensch eigentlich sei …

Literatur:
Haubl, R.: Neidisch sind immer nur die anderen. Über die Unfähigkeit, zufrieden zu sein, München: Beck 2001
Lau, M.: „Geschlechterneid“, in: Die Neidgesellschaft, Berlin: Rowohlt 2001

Teil 32: Sexuelle Macht und sexuelle Potenz
Teil 33: Weibliche Kommunikationskultur, Sozialkompetenz, Bindungsfähigkeit
Teil 34: Weiblicher Neid auf Männer
Teil 35: Neidisch auf die gesellschaftliche Macht der Männer?

Neid in Partnerschaften: Literatur

Männlicher Neid auf Frauen

Teil 1: Neid und Konkurrenz bei Paaren

Teil 28: Neid zwischen den Geschlechtern
Teil 29: Wie umgehen mit den neuen Lebenswirklichkeiten in Partnerschaften?

Wie sehr die neuen, oft durchaus unübersichtlichen Geschlechterverhältnisse mit Neid angereichert sind, deutet manche Auseinandersetzung an: Wie sinnvoll sind Frauenbeauftragte? Warum werden Frauen besonders gefördert (Quoten)? Oder warum stehen bestimmte Bildungsangebote nur Frauen offen? Einen weiteren Hinweis auf neidische Gefühle geben Schuldzuschreibungen, die feministische Bewegung habe die Männer faktisch „kastriert“. Sie habe die Männer zu Pantoffelhelden degradiert, die – in ihrem Selbstverständnis völlig verunsichert – kaum mehr wüssten, wie sie sich Frauen gegenüber verhalten sollten. Hohe Scheidungsraten, Zerfall der Familien, allein erziehende Mütter, sinkende Geburtenraten – für die Auswirkungen der veränderten gesellschaftlichen Bedingungen werden nicht selten die Frauen verantwortlich gemacht, die nicht bereit waren, die eigene Benachteiligung länger hinzunehmen.

Darin zeigt sich der Neid auf jene, die sich daranmachen, ihr Schicksal nicht länger nur zu ertragen, sondern es zu verändern. Diejenigen, denen der Sonderstatus abhanden kommt, möchten denjenigen, die zu ihnen aufschließen, nicht gönnen, an Macht, Erfolg und Reichtum teilzuhaben und dieselben Entwicklungschancen nutzen zu können. Dieses Muster, jemanden neidisch auf Abstand zu halten, erklärt sich aus der Befürchtung, in der Konkurrenz mit dem anderen Geschlecht nicht mehr mithalten zu können. Der Neid zielt sozusagen darauf ab, ein zukünftig erwartetes Ergebnis möglichst vermeiden zu helfen.

Bestätigt wird dieser Eindruck von einer Untersuchung des Marktforschungsinstituts Europressedienst Bonn, über die das Handelsblatt am 06.01.2003 berichtet. Das zusammengefasste Ergebnis dieser Studie mit 1500 befragten Frauen in Führungspositionen lautet: Hinter jeder erfolgreichen Frau steht ein Mann, der sie behindert. Die männlichen Kollegen der Frauen nehmen deren Fähigkeiten nicht ernst und ignorieren ihre Aussagen. Bei 70 Prozent der Frauen in Führungspositionen stellen sich auch noch die eigenen Beziehungspartner in den Weg. Offenbar sind viele Männer neidisch auf ihre erfolgreichen Frauen. Sie unterstützen ihre Partnerin nicht, sondern erschweren ihr vielmehr mit Vorwürfen und Nörgeleien das Leben. Außerdem überlassen sie den Frauen die gesamte Hausarbeit. „Frauen müssen einen stetigen Kampf ausfechten, um sich gegenüber den männlichen Kollegen durchzusetzen“, lautet das Fazit der Untersuchung. Auch die direkten Vorgesetzten sind oft wenig solidarisch. Nur 30 Prozent der Frauen fühlen sich von ihnen unterstützt.

Auch in einigen meiner Interviews berichten die betroffenen Frauen von diesem Konflikt: Die erfolgreiche Frau gerät in Konkurrenz zu einem Mann, der sie zunächst bewundert und später entwertet, weil er nicht mit ihr mithalten kann. Weil es den Männern nicht gelingt, ihren eigenen beruflichen Weg so zu gestalten, wie sie es sich ersehnen, schauen sie neidisch auf ihre Frauen, die unbeirrt ihren Weg gehen. Den Frauen wiederum macht dieser männliche Neid erheblich zu schaffen. Die eine vermeidet es mehr und mehr, aus ihrem beruflichen Alltag zu berichten. Eine andere erzählt nicht mehr, wen sie beruflich trifft. Wieder eine andere sieht sich mit persönlichen Entwertungen konfrontiert, die sie klein machen und verletzen sollen: „Was für Bücher liest du denn? Von dir hätte ich aber etwas anderes erwartet!“

Teil 31: Gebärneid – Frauen können Leben geben
Teil 32: Sexuelle Macht und sexuelle Potenz
Teil 33: Weibliche Kommunikationskultur, Sozialkompetenz, Bindungsfähigkeit
Teil 34: Weiblicher Neid auf Männer
Teil 35: Neidisch auf die gesellschaftliche Macht der Männer?

Neid in Partnerschaften: Literatur

Wie umgehen mit den neuen Lebenswirklichkeiten in Partnerschaften?

Teil 1: Neid und Konkurrenz bei Paaren

Teil 28: Neid zwischen den Geschlechtern

Viele Männer finden sich noch schwer in den neuen Zeiten zurecht, in denen bestimmte Rollen nicht mehr ausschließlich ihnen zustehen. Sie ernähren die Familie nicht mehr allein. Sie beanspruchen bestimmte Berufe nicht mehr exklusiv. Häufig passiert es sogar, dass sie gar keine Arbeit mehr haben. Arbeit stellt für viele Männer aber weiterhin die wichtigste Möglichkeit dar, sich selbst zu bestätigen und sich wertvoll zu fühlen. Damit fehlt diesen Männern die Quelle für den eigenen Selbstwert.

Frauen dagegen können inzwischen häufig zwischen Kind, Küche und Karriere wählen. Viele Frauen bringen die Fähigkeit auf, alle drei Bereiche miteinander zu koordinieren. Männer müssen sich dafür zunächst die entsprechenden Managementtechniken aneignen. Dabei wird deutlich, dass es viel einfacher ist, eine Technik zu erlernen, wenn der Lernende bereit ist, sich innerlich darauf einzulassen – ohne Wenn und Aber, ohne Ressentiments. Wer jedoch nur widerwillig in eine Frucht beißt, die zudem noch als saurer Apfel aufgefasst wird, dem fällt es entsprechend schwer, mit den anstehenden Aufgaben zu Recht zu kommen.

Klar: Männer meistern ihre Aufgaben anders als Frauen. Deshalb kommt es in Beziehungen zu Auseinandersetzungen darüber, welcher Weg der beste ist, die Kinder zu erziehen oder die Hausarbeit zu erledigen. Männer neigen oft dazu, die Dinge zu stark zu vereinfachen und schnell zufrieden mit sich zu sein. Frauen handeln häufiger unter einem Perfektionsdrang, der dazu führt, dass sie mit keiner ihrer Leistungen zufrieden sind.

Dabei könnten beide Seiten voneinander lernen: Die Männer steuern Wege zur Vereinfachung bei. Die Frauen lenken den Blick auf die größeren Zusammenhänge. So ließen sich kooperativ die besten Wege finden, die Aufgaben zu lösen, ergebnisorientiert und nachhaltig. Zwischen Männern und Frauen entstünde keine unerfreuliche Konkurrenz um Kinder und Küche, sondern sie würden beginnen, sich auf neue Weise wechselseitig zu ergänzen.

Teil 30: Männlicher Neid auf Frauen
Teil 31: Gebärneid – Frauen können Leben geben
Teil 32: Sexuelle Macht und sexuelle Potenz
Teil 33: Weibliche Kommunikationskultur, Sozialkompetenz, Bindungsfähigkeit
Teil 34: Weiblicher Neid auf Männer
Teil 35: Neidisch auf die gesellschaftliche Macht der Männer?

Neid in Partnerschaften: Literatur

Neid zwischen den Geschlechtern

Teil 1: Neid und Konkurrenz bei Paaren

In den letzten 50 Jahren sind die starren Rollenmodelle, die früher Männer- und Frauenwelten streng voneinander trennten, aufgebrochen und einer neuen Flexibilität gewichen. Frauen ergreifen gesellschaftliche Macht und Mitsprache. Sie suchen sich Berufe, in denen sie Erfüllung finden. Sie entscheiden sich für Kinder oder gegen sie. Sie machen Karriere oder gehen bewusst einen Weg abseits vom Stress der Arbeitswelt. Manche sind beruflich erfolgreich und ziehen Kinder groß. Nachdem sie über Generationen benachteiligt waren, begrüßen die Frauen nun die neuen Entwicklungschancen – auch wenn zwischenzeitlich Ernüchterung über einige Beharrungskräfte eingetreten ist.

Anders die Männer: Sie verlieren durch den Umbruch der Geschlechterverhältnisse an Ansehen, Einfluss und Macht. Während die meisten Frauen ihre Lebensmöglichkeiten erweitern, sehen viele Männer diese Chance noch nicht. Sie müssen auf Privilegien verzichten und haben Schwierigkeiten, die neuen Aufgaben in der Kindererziehung und im Haushalt auch als neue Chancen zu sehen. Vielen Männern fällt es schwer, in der Begleitung und Betreuung ihrer Kinder im frühen Lebensalter und in der damit verbundenen häuslichen Arbeit eine hinreichende Herausforderung zu sehen. Vielmehr erfahren sie sich in einer solchen Situation als von der Welt abgekoppelt, in ihrer Entwicklung benachteiligt und strukturell unterfordert. Männer sehen sich also verstärkt mit jenen Erfahrungen konfrontiert, die sie den Frauen bisher quasi-natürlich zugeschrieben haben.

Wie jede andere Veränderung führt also auch dieser Umbruch zunächst dazu, dass vertraute Ordnungen und Muster, an denen es sich so leicht orientieren lässt, verloren gehen, ohne dass sofort neue Orientierungsmöglichkeiten zur Hand sind. In einer solchen Übergangszeit entstehen insbesondere in jenen Bereichen Konflikte, in denen einer der Beteiligten gezwungen ist, die eigene Vorteilsnahme aufzugeben: Dies trifft die Männer in Beruf und Karriere und die Frauen im Hinblick auf Kinderbetreuung und -erziehung. Der in der Beziehung stattfindende Vergleich mündet schnell in Argwohn und Misstrauen, denn der Vorteil des einen erweist sich eben schnell als der Nachteil des anderen.

Teil 29: Wie umgehen mit den neuen Lebenswirklichkeiten in Partnerschaften?
Teil 30: Männlicher Neid auf Frauen
Teil 31: Gebärneid – Frauen können Leben geben
Teil 32: Sexuelle Macht und sexuelle Potenz
Teil 33: Weibliche Kommunikationskultur, Sozialkompetenz, Bindungsfähigkeit
Teil 34: Weiblicher Neid auf Männer
Teil 35: Neidisch auf die gesellschaftliche Macht der Männer?

Neid in Partnerschaften: Literatur

Liebe kann alte, innere Konflikte aktivieren

Teil 1: Neid und Konkurrenz bei Paaren

Die Liebesbeziehung schafft sowohl innere als auch zwischenmenschliche Konflikte, die in anderen Beziehungen kaum je eine Rolle spielen. So auch beim Neid: Die Erinnerungen an frühere Benachteiligungen können sich reaktivieren. Wir können uns genauso zu kurz gekommen fühlen wie früher oder genauso idealisiert. All den Neid, den wir zwischen den Eltern erlebt haben, den Neid zwischen den Geschwistern und den Neid aus allen anderen sozialen Beziehungen tragen wir auch in die Beziehung mit dem geliebten Menschen. Er wird unser Projektionsfeld. Wir werden an ihm unsere neidische Seite entwickeln. Oder wir werden ganz unbeabsichtigt seinen Neid auf uns zu wecken …

Welche Seite konkret in uns zum Schwingen gebracht wird, hängt sehr entscheidend von der Partnerwahl ab:

  • Verlieben wir uns in einen Partner, der unsere Entwicklung fördert?
  • Oder verlieben wir uns in einen Partner, der sich auf unsere Kosten profilieren möchte?
  • Suchen wir die Nähe zu einem Menschen, der in uns das Gefühl wiederauferstehen lässt, benachteiligt zu sein, zu kurz zu kommen?
  • Suchen wir die Nähe zu einem Menschen, der uns herausfordert?
  • Ermöglicht uns unser Partner, unsere Lebensentwürfe in die Partnerschaft einzubringen?

In Liebesbeziehungen kommen wir einander so nahe wie in keiner anderen Beziehung. Wir zeigen uns im konkreten und im übertragenen Sinne nackt. Sich dieser Offenheit hinzugeben, erfordert Mut und Vertrauen. Nicht immer ist uns schon bei der Partnerwahl klar, ob unser Mut und unser Vertrauen gerechtfertigt sein werden. Spätestens wenn im Laufe der Beziehungsentwicklung frühere Verletzungen aufbrechen und alte Erinnerungen wachgerufen werden, zeigt sich, wie berechtigt es anfänglich war, dem Partner einen Vertrauensvorschuss zu geben: Nutzt der andere unsere Schwächen zum eigenen Vorteil oder steht unser Partner auf unserer Seite?

Wie viel Vertrauen möglich ist, zeigt sich daran, wie interessiert unser Partner an unseren früheren Erfahrungen ist, wie ausgeprägt die gemeinsame Bereitschaft ist, sich über die eigene Vergangenheit mitzuteilen, und ob wir spüren, dass uns etwas verborgen beziehungsweise vorenthalten wird. Wenn es uns gelingt, die zwangsläufig in der Beziehungen auftauchenden, emotionsgeladenen Erinnerungen, Befürchtungen, Ängste und Unsicherheiten in das gemeinsame Erleben zu integrieren, schaffen wir auch die Voraussetzung dafür, mit unserem Neid und unserer Konkurrenz angemessen umzugehen.

Teil 28: Neid zwischen den Geschlechtern
Teil 29: Wie umgehen mit den neuen Lebenswirklichkeiten in Partnerschaften?
Teil 30: Männlicher Neid auf Frauen
Teil 31: Gebärneid – Frauen können Leben geben
Teil 32: Sexuelle Macht und sexuelle Potenz
Teil 33: Weibliche Kommunikationskultur, Sozialkompetenz, Bindungsfähigkeit
Teil 34: Weiblicher Neid auf Männer
Teil 35: Neidisch auf die gesellschaftliche Macht der Männer?

Neid in Partnerschaften: Literatur

Biographische Erfahrungen beeinflussen die Beziehung

Teil 1: Neid und Konkurrenz bei Paaren

Liebesbeziehungen bringen unsere guten und unsere schlechten Seiten zum Schwingen – ob wir wollen oder nicht. Anfänglich bemühen wir uns, nur unsere Schokoladenseite zu zeigen. Wir sind charmant, verführerisch, aufmerksam und zuvorkommend. Wir bewundern am anderen Schönheit, Klugheit, Liebreiz, Talente, Können oder beruflichen Erfolg, Lebensfreude und Genussfähigkeit. Sind wir verliebt, bekommen wir glänzende Augen, wenn wir unserem Partner begegnen – und umgekehrt. Beide versuchen wir, unsere Schwächen als möglichst unbedeutend darzustellen und lange einen positiven Eindruck zu hinterlassen.

Doch auf Dauer bleibt es nicht aus, dass wir uns auch einmal daneben benehmen, den anderen verletzen, von unserer eigenen Vergangenheit oder der des Partners eingeholt werden. Beide bringen wir nämlich unsere prall gefüllten sozialen Rucksäcke mit hinein in unsere Partnerschaft: Die Nähe zu einem Menschen, dem wir uns öffnen, dem wir Einblick in unser Innenleben gewähren, setzt Gefühle und Erinnerungen frei, die sich oft nicht mehr steuern lassen. Uns schießen Bilder vergangener Beziehungen durch den Kopf. Wir erinnern uns, was uns gefallen und was uns missfallen hat. Die alten Beziehungen fließen als subtile Maßstäbe in die Erwartungen an die neue Partnerschaft ein: Das, was gut war, wollen wir aktuell möglichst wiederholen. Das, was schlecht war, wollen wir aktuell möglichst vermeiden.

Leider handelt es sich dabei sehr häufig nicht um einen Prozess, dem wir uns aktiv stellen. Vielmehr scheinen die Dinge mit uns zu geschehen: Plötzlich wiederholen sich Situationen, in die wir geraten. Uns irritieren dieselben Komplimente, die wir bereits aus anderen Beziehungen kennen. Alte Erinnerungen kommen uns in die Quere. Wir fühlen uns geliebt wie früher. Oder wir fühlen uns abgelehnt wie früher. Wir sehen in unserem Partner plötzlich Züge des eigenen Vaters oder der eigenen Mutter. Die Nähe zu einem anderen Menschen sorgt auch dafür, dass Ängste vor Verlust, vor Nähe, vor Selbstaufgabe uns beschäftigen und manchmal auch belasten.

Neid in Partnerschaften: Literatur

Gleichberechtigte Beziehungen – neue Probleme

Teil 1: Neid und Konkurrenz bei Paaren

Verlieben wir uns in einen anderen Menschen, so werden wir nicht selten mit den beschriebenen Dilemmata konfrontiert: Konkurrierende Lebensentwürfe, widerstreitende Interessen und unausgesprochene Ängste können unser Beziehungserleben beeinflussen. All das regt uns dann zu dem Vergleich an, wer mehr von der Beziehung hat, wer mehr investiert, wer die Kosten trägt, wer mehr gewinnt. Gelingt es uns nicht, die gemeinsamen Interessen zu stärken und beiden die Möglichkeit zu geben, sich in der Beziehung zu entfalten, so entwickeln sich schnell Fluchttendenzen.

Und diese führen entweder zum frühzeitigen Ende der Beziehung, denn die Liebe beruht keineswegs mehr darauf, alles bedingungslos zu akzeptieren. Oder wir verstricken uns in einer selbstquälerischen Auseinandersetzung, in der wir erst mühsam offen legen müssen, was uns motiviert, was wir wollen, welchen gemeinsamen Weg wir sehen. Zwei kompromisslose Selbstverwirklicher jedenfalls verfangen sich im Stillstand und verlieren die Gefühle füreinander. Auf diese Weise an den eigenen Entwürfen festzuhalten, ausgelöst und immer wieder verführt durch die bunte Vielfalt der Lebensmöglichkeiten, blockiert den Weg zum eigentlichen Ziel: erfüllender Zweisamkeit. Zwar bleibt die Sehnsucht danach, doch unsere Selbstbezogenheit verhindert es, dass wir sie auch erreichen.

Wir schaffen den Nährboden für neidische Gefühle, für Rivalität und das Aufrechnen von Verdiensten, wenn es uns nicht gelingt,

  • dafür zu sorgen, dass beide Partner die Chance haben, ihre eigenen Entwürfe in die Beziehung einzubringen und einen Teil davon umzusetzen;
  • zu akzeptieren, dass es unmöglich ist, in der Zweierbeziehung alle eigenen Ideen, Entwürfe und Pläne umzusetzen;
  • uns kompromissfähig und versöhnlich zu verhalten;
  • zwischenzeitliche Ungleichheiten, die sich nicht verhindern lassen, durch langfristige Pläne, Überlegungen und Strategien auszugleichen;
  • die Bedürfnisse des anderen ähnlich schätzen zu lernen wie die eigenen Bedürfnisse;
  • uns regelmäßig darüber auszutauschen, wie wir den anderen dabei unterstützen können, die eigenen Bedürfnisse zu erfüllen.

Wir machen es uns nicht leicht, wenn wir versuchen, dem Spannungsbogen zwischen Selbstverwirklichung und Selbstaufgabe zugleich gerecht zu werden. Wahrscheinlich haben wir aber keine andere Wahl. Diesen Ansprüchen zu genügen, erfordert die Fähigkeit zum Kompromiss, die Bereitschaft zu verzichten und den Mut zur Flexibilität. Und sie erfordert die Einsicht, dass Liebe und Partnerschaft nur dem gelingen, der

  • die Verschiedenheit des anderen anerkennt,
  • dessen Lebensentwürfe genauso ernst nimmt wie die eigenen,
  • einen eigenen Beitrag leistet, dass die Lebensentwürfe des anderen gelingen,?
  • es zudem aushält, dass die Zeit-, Genuss- und Entwicklungsbudgets nicht zu allen Zeiten der Beziehung gerecht und gleich verteilt sind.

Neid in Partnerschaften: Literatur

Paar-Vignette 4: Bindung und Freiheit

Teil 1: Neid und Konkurrenz bei Paaren

Teil 21: Wie kommt der Neid in die Liebesbeziehung?
Teil 22: Die neue Konkurrenz zwischen den Geschlechtern
Teil 23: So haben sich Liebesbeziehungen gewandelt
Teil 24: Frauen haben ein neues Rollenverständnis in der Liebesbeziehung
Paar-Vignette 1: Egoismus und Altruismus
Paar-Vignette 2: Selbstbehauptung und Rücksichtnahme
Paar-Vignette 3: Kooperation und Abgrenzung

Bindung und Freiheit

In diesem Dilemma wirkt die Spannung, wie unabhängig wir in der Beziehung bleiben möchten und wie viel Abhängigkeit wir zuzulassen bereit sind. Das Paar setzt sich dabei der Frage aus, wie verbindlich die gemeinsam geschaffene Welt ist. Lassen wir uns darauf ein, tatsächlich eine gemeinsame Welt zu bauen, und verwirklichen uns darin? Oder errichten wir zwei Teilwelten, die sich nur an wenigen Stellen berühren, aber ansonsten ihre eigenen Kreise ziehen? Sind in diesem Dilemma die Gewichte sehr unterschiedlich verteilt, so liegt darin ein großes Konfliktpotenzial.

Vignette 4: Ein Paar, seit sechs Jahren zusammen, kein Kind, sie Bauzeichnerin, er Architekt; beide wollen ein Kind, sie ist dennoch hin und her gerissen.

Er: „Ich möchte endlich ein Kind.“
Sie: „Ich ja auch, aber ich finde, wir sollten erst einmal zusammenziehen.“
Er: „Dann lass uns endlich eine Wohnung suchen.“
Sie: „Das sollten wir, aber das löst nicht alle Probleme.“
Er: „Was heißt das?“
Sie: „Mir geht es manchmal nicht gut bei dem Gedanken, mein jetziges Leben aufzugeben.“
Er: „Denkst du denn nie daran, was du dadurch auch gewinnst?“
Sie: „Kurzfristig fallen für mich nur Verluste an. Das ist nicht fair.“

Sie fürchtet, massiv benachteiligt zu werden, ihre berufliche Anbindung zu verlieren, sich von ihm abhängig zu machen, ihre Eigenständigkeit zu verlieren. Sie sieht realistisch, dass sie weit mehr investieren muss als er, obwohl beide ein Kind haben wollen. Der eventuelle Gewinn durch das Kind liegt noch in der Zukunft, der Abschied vom vertrauten Leben jedoch ist unmittelbar spürbar. Deswegen zögert sie. Deswegen behagt ihr die die Aussicht nicht, in die Mutterrolle gedrängt zu werden: Sie sieht sich zwangsläufig an das Kind gebunden, während er weiterhin die meisten Freiheiten genießen kann. Allein diese Rollenungleichheit macht sie neidisch auf ihn und die Männer an und für sich: Die Biologie erspart es ihnen, sich diese existenziellen Fragen stellen zu müssen.

Sie vermag dem Dilemma nur zu entkommen, indem sie sich von dem Vergleich mit ihm abkoppelt. Sie muss für sich entscheiden, was sie will – unabhängig davon, dass sie mit ihrem weiblichen Schicksal hadert, das Kind austragen zu müssen. Dazu gibt es schlicht keine Alternative – außer auf den Kinderwunsch zu verzichten. Er kann nichts dafür, dass sie eine Frau ist. Ihr bleibt die Möglichkeit, mit ihm verbindliche Arrangements treffen, wie sich ihr gemeinsames Leben gestaltet, wenn das Kind da ist. Nur auf diese Weise versetzt sie sich in die Lage, die eigenen Freiheiten wieder auszuweiten – und verringert ihren Neid auf seine privilegierte Stellung in der Welt.

Neid in Partnerschaften: Literatur

Paar-Vignette 3: Kooperation und Abgrenzung

Teil 1: Neid und Konkurrenz bei Paaren

Teil 21: Wie kommt der Neid in die Liebesbeziehung?
Teil 22: Die neue Konkurrenz zwischen den Geschlechtern
Teil 23: So haben sich Liebesbeziehungen gewandelt
Teil 24: Frauen haben ein neues Rollenverständnis in der Liebesbeziehung
Paar-Vignette 1: Egoismus und Altruismus
Paar-Vignette 2: Selbstbehauptung und Rücksichtnahme

Kooperation und Abgrenzung

Dieses Dilemma entzündet sich an der Frage, ob sich das eigene Potenzial besser mit oder besser ohne den Partner verwirklichen lässt. Kooperation bringt dabei mehr Vor- als Nachteile, wenn das Paar sowieso gemeinsame Ziele anstrebt. Das Paar bewältigt so viele Aufgaben, dass es müßig wäre, ständig die jeweiligen Kosten und Verdienste gegenzurechnen. Beginnt einer, sich übervorteilt zu fühlen, so droht das Gleichgewicht zu kippen. Willi (2002, S.40): „Das Übervorteilen bringt zwar einen Anfangserfolg, sekundär schädigt es beide, weil die subtile Vertrauensbasis der Kooperation zusammenbricht.“

Vignette 3: Ein Paar, seit fünf Jahren zusammen, kein Kind, sie Fotografin, er arbeitsloser Physiker.

Sie: „Könntest du demnächst mal die Fensterrahmen im Bad streichen?“
Er: „Manchmal komme ich mir vor wie dein Angestellter.“
Sie: „Dir wird doch kein Zacken aus der Krone fallen, wenn du deine viele Freizeit in unsere Wohnung investierst.“
Er: „Und was habe ich davon?“
Sie: „Soll ich dich auch noch dafür bezahlen? Soweit kommt es noch!“
Er: „So habe ich das nicht gemeint. Aber irgendwie nervt es, dass du mich immer wieder für deine Zwecke einspannst. Ich finde nicht, dass das Badfenster gestrichen werden muss.“

Die Arbeitslosigkeit nagt sehr an seinem Selbstwertgefühl und verschiebt das Gleichgewicht innerhalb der Beziehung. Sie sieht für sich die Chance, seine freien Ressourcen anzuzapfen – während er sich unterlegen fühlt und mit neidischem Blick ihre Selbstständigkeit, ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit beäugt. Sie ist sich sicher, ihn zu unterstützen, damit er nicht versauert, während sie unbeirrt ihre Kreise zieht. So bemerkt sie nicht, wie sehr sie sich nach und nach von ihm entfernt. Eine Lösung gibt es nur, wenn es ihm gelingt, sein Leben wieder in die eigene Hand zu nehmen. Sich passiv gegen ihre Übermacht zu wehren, verstärkt die aufkommende Krise nur weiter. Er muss den Zirkel der Forderungen und der Forderungsabwehr durchbrechen – eben damit, dass er selbst wieder von sich fordert, eigene Ziele und einen Weg für sich zu suchen.

Paar-Vignette 4: Bindung und Freiheit

Neid in Partnerschaften: Literatur