Wahlstift und die SPD –

ein Rückzug auf Raten…

Erst hat die GAL in Hamburg sich als lernfähig erwiesen. Sie fordert inzwischen, dass bei der nächsten Bürgerschaftswahl die papiere Stimme die entscheidende ist. Dem digitalen Wahlstift billigt sie allenfalls noch experimentellen Charakter zu. Eine Rolle rückwärts aus Einsicht – nachdem die GAL gemeinsam mit SPD und CDU den Wahlstift als Antwort auf das neue Wahlrecht hatte einführen wollen. Nunmehr kommt auch die SPD in Bewegung und bestimmt schon mal die Rückzugslinien.

Heute hat der Fraktionschef Michael Neumann in einer Antwort auf die Frage einer Leserin bei abgeordnetenwatch.de folgende Sätze aufgeschrieben:

„Wenn Fragen offen bleiben, gibt es diese Technik nicht. Deshalb wird der Verfassungsausschuss eine entsprechende Expertenanhörung durchführen. Vom Ergebnis dieser Anhörung werden es meine Fraktion und ich abhängig machen, wie wir uns entscheiden. Wenn es Unsicherheiten gibt, wird es aber keinen Digitalen Wahlstift geben.“

Eines kann ich Herrn Neumann schon mal garantieren: Die Unsicherheiten werden bestehen bleiben!

Wahlstift-Nachrichten 4

Die gestrige Demonstration des Chaos Computer Club, wie leicht angreifbar der Hamburger Wahlstift ist, hat anstehende Entscheidungen zunächst einmal verzögert. Vorgesehen war gestern, dass sich der Verfassungsausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft trifft, um das endgültige Prozedere des Wahlablaufs und des Zählens festzulegen.

Daraus ist nichts geworden. Vielmehr stimmten die pro-Wahlstift argumentierenden SPD-CDU-Ausschussmitglieder einer Anhörung zu. Die wird am 09. November als Sondersitzung des Verfassungsausschusses stattfinden.

Etwas irritiert mich an der gestrigen Zusammenkunft: Es hätte nämlich eine Wahlstift-Entscheidung herbeigeführt werden sollen, bevor die Physikalisch-Technische Bundesanstalt in Braunschweig den Stift als Wahlgerät zugelassen hat – eine Minimalvoraussetzung, um dessen Einsatz bei den Bürgerschaftswahlen zuzustimmen. Allerdings lässt die Zulassung auf sich warten. Das wiederum scheint manche Mitglieder des Verfassungsausschusses unruhig und ungeduldig zu machen. Durch die CCC-Aktion darf ab sofort verstärkt über Zählalternativen nachgedacht werden.

Bisherige Beiträge zum Thema:

Wahlstift-Nachrichten 3
Wahlstift: Verfassungskonform?
Wahlstift-Nachrichten 2
Wahlstift-Nachrichten
Hamburger Wahlstift

Chaos Computer Club hackt Wahlstift

Am 24. Februar 2008 soll in Hamburg mit einem digitalen Wahlstift die neue Bürgerschaft gewählt werden. Der Chaos Computer Club teilt nun mit, dass es gelungen sei, den Hamburger Wahlstift zu kompromittieren:

Zitat aus der Erklärung des CCC:

„Obwohl der Chaos Computer Club vom Hamburger Wahlleiter kein komplettes System für eine Analyse erhalten hat, konnten anhand der verfügbaren Informationen und durch Untersuchung der Basistechnologie des Wahlstifts, dem Anoto-Digitalstiftsystem, eine Reihe von schwerwiegenden prinzipiellen Mängeln identifiziert werden. Dabei wurde das grundlegende Problem computergestützter Wahlen – die mangelnde Überprüfbarkeit durch den Wähler – überdeutlich.

Der CCC hat zur beispielhaften Illustration der vielfältigen Angriffsmöglichkeiten gegen den Wahlstift für die Hamburger Bürgerschaft einen trojanischen Wahlstift entwickelt, der äußerlich nicht als solcher erkennbar ist. Solch ein Stift kann sowohl von Wählern als auch von an der Wahlvorbereitung und -durchführung beteiligten Personen unbemerkt ins Wahllokal mitgebracht und statt dem echten Wahlstift in die Auslesestation gesteckt werden. Der manipulierte Stift überträgt dann nicht nur digitale Stimmkreuze zum Auswertungscomputer, sondern agiert als ein sogenanntes Trojanisches Pferd zum Einschleusen von Schadsoftware. Sobald der Stift in die Auslesestation gesteckt wird, aktiviert sich ein Manipulationsprogramm, welches automatisch auf das Zielsystem übertragen und dort ohne Zutun des Bedieners ausgeführt wird. Das Programm kann nun problemlos Manipulationen auf dem Auswertungslaptop vornehmen, indem es z. B. die Position der digital gespeicherten Stimmkreuze verändert, das Endergebnis verfälscht, speichert und ausgibt.“

Damit dürfte der Wahlstift tot sein. Die Hamburgische Bürgerschaft wird sich gezwungen sehen, nach Alternativen zur Stimmerfassung zu suchen – oder zur Not mit der Hand auszuzählen.

HH-Bürgerschaft wirbt für Wahl

Die Hamburger Bürgerschaft startet dieser Tage eine Informationskampagne. Sie soll dazu motivieren, am 24. Februar wählen zu gehen, soll dem Volk das neue Wahlrecht erklären und für Vertrauen in den digitalen Wahlstift werben.

Letzteres mag vielleicht löblich sein, ist langfristig aber zum Scheitern verurteilt.

Wahlstift-Nachrichten 3

Laut NDR suchen die Hamburger Bürgerschaftsparteien nach einem Kompromiss beim digitalen Wahlstift. Gerade der notorische Wahlstiftverfechter von der CDU, Kai Voet van Vormizeele, wird mit den Worten wiedergegeben: Sollte sich die gesamte Opposition dagegen stellen, könne man das Ding einstampfen.

Gut so. Schnelligkeit und Effektivität der Auszählung sind kein Kriterium von Verfassungsrang. Aber die gleiche und die geheime Wahl sind Verfassungsrechte – und die sind durch die Wahlstiftgesetzgebung in Hamburg ernsthaft bedroht!

Auch die Welt Online berichtet von der Suche nach einem Kompromiss: Zukunft des digitalen Wahlstiftes ungewiss.

Volksentscheid verpasst sein Ziel

Immerhin 492.864 Hamburger Wahlberechtigte haben sich an der heutigen Volksabstimmung beteiligt. Leider hat das nicht gereicht, den Volksentscheid zu gewinnen. Mindestens 80% der 1,2 Millionen Wahlberechtigten hätten sich beteiligen müssen. Mindestens zwei Drittel hätten mit „Ja“ stimmen müssen, um zu gewinnen.

Ziel der Initiative „Stärkt den Volksentscheid“ war es, zukünftige Volksentscheide verbindlich für Bürgerschaft und Senat zu machen.

All das ist schade, aber vermutlich ein Pyrrhussieg der Mehrheitsfraktion in der Bürgerschaft und des Senates: Am 24. Februar 2008 sind Bürgerschaftswahlen.

BigBrotherAwards 2007

Heute fand in Bielefeld die feierliche Gala zur Verleihung der BigBrotherAwards statt. Sie werden in Deutschland vom „Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs e.V.“ (FoeBuD e.V.) vergeben.

Zu den Gewinnern gehören u.a. Datenkraken wie die Firma Novartis (Bespitzelung der im Unternehmen beschäftigten Arbeiter und Angestellten, Kategorie: Arbeitswelt), die Hyatt-Hotelkette (Sammeln von Kundendaten ohne deren Wissen, Kategorie: Verbraucherschutz) oder Bundesfinanzminister Steinbrück (Einführung einer lebenslangen Steuer-Identifikationsnummer für alle Bundesbürger, Kategorie: Politik).

Auch die Hamburger Schulbehörde griff einen Preis ab:

„Der BigBrotherAward 2007 in der Kategorie „Regional“ geht an die Behörde für Bildung und Sport der Freien und Hansestadt Hamburg, vertreten durch Alexandra Dinges-Dierig, Senatorin für Bildung und Sport, für die Einrichtung eines Schülerzentralregisters mit dem (Neben-) Zweck, ausländische Familien ohne Aufenthaltserlaubnis aufzuspüren.“

Alle diesjährigen Preisträger auf einen Blick

Volksentscheid in Hamburg

Am kommenden Sonntag, den 14.10.07, stimmt Hamburg in einem Volksentscheid darüber ab, welche Bedingungen für Volksentscheide zukünftig gelten. Die Initiative „Rettet-den-Volksentscheid“ ruft alle Hamburger und Hamburgerinnen dazu auf, sich diese Mitbestimmungschance nicht entgehen zu lassen.

„Ja“ heißt, mehr Einfluss durch Volksentscheide mit bindendem Charakter für die Entscheider in Senat, Verwaltung und Parlament.

„Nein“ heißt, der Politbetrieb wird allein schalten und walten – so wie beim Volksentscheid zum Verkauf der Landesbetriebe Krankenhäuser im Jahr 2004. Das Volk wollte nicht verkaufen, aber die Stadt hat sich über das Votum hinweg gesetzt.

Wahlstift: Verfassungskonform?

Heute beginnt die angekündigte kleine Serie zum Hamburger Wahlstift. Am Anfang steht die Frage nach der Verfassungsverträglichkeit.

Hamburger Verfassungsrechtler halten den digitalen Wahlstift für nicht verfassungskompatibel (Experten warnen: Digitaler Wahlstift verfassungswidrig). Der Wahlstift gefährde jene Grundsätze des Demokratieprinzips, nach denen Wahlen allgemein, unmittelbar, frei, gleich und geheim zu sein haben.

Diese fünf Grundsätze und deren (Spannungs)-Verhältnis zum digitalen Wahlstift erläuterte Stephanie Schiedermair, Juristin an der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer, in ihrem Vortrag auf der Veranstaltung der Patriotischen Gesellschaft (Wie sicher ist elektronisches Wählen):

Allgemeinheit und Unmittelbarkeit der Wahl: Ist das Wahlgerät so einfach zu bedienen, wie das Ausfüllen des Wahlzettels leicht ist, steht dem Grundsatz der Allgemeinheit nichts im Wege. Auch die Unmittelbarkeit (keine Instanz zwischen Stimmabgabe und Ergebnis, die das Ergebnis verfälschen könnte) ist nicht bedroht, so lange die Wahlgeräte ordnungsgemäß arbeiten – und niemand versucht, das Wahlgerät zu manipulieren.

Die freie Wahl: Die ist selbst durch gezielte Manipulation des Wahlgerätes nicht bedroht. So lange die Entscheidung, die Stimme für diesen oder jenen abzugeben, nicht eingeschränkt wird, ist die Freiheit der Wahl unangetastet. Manipulationen am Wahlgerät verändern eine Entscheidung im Nachhinein, nicht bereits im Vorfeld.

Die gleiche Wahl: Aus diesem Grundsatz leitet das Bundesverfassungsgericht „die Pflicht des Gesetzgebers ab, ein Verfahren zu schaffen, bei dem Zweifel an der Richtigkeit der Stimmauszählung überprüft und das Ergebnis gegebenenfalls korrigiert werden können“. Der Hamburger Wahlstift erfüllt diese Vorgabe des Demokratieprinzips genau dann nicht, wenn nur die digitalen Stimmen zählen – wie aktuell in Hamburg vorgesehen. Die (noch vorhandenen) Papierstimmen sind wertlos, wenn ein Nachzählen dieser Stimmen das Endergebnis nicht mehr korrigieren kann.

Die geheime Wahl: Dieser Grundsatz bedeutet, dass das Abstimmungsverhalten vor Dritten verborgen bleibt. Die Briefwahl verletzt diesen Aspekt des Wahlgeschehens deutlich, wird aber vom BVerfG als kleineres Übel hingenommen. Durch die Briefwahl nehmen mehr Stimmberechtigte am Wahlverfahren teil. Das stärkt die Allgemeinheit der Wahl – und das rechtfertigt eine mögliche Verletzung der geheimen Wahl. Allerdings vergrößert der Wahlstift durch seine Manipulationsanfälligkeit das Risiko, die geheime Wahl zu gefährden. Kostenersparnis und schnelle Verfügbarkeit eines Wahlergebnisses rechtfertigen den Einsatz eines digitalen Wahlgerätes jedoch nicht: „Sie bilden (im Gegensatz zur Briefwahl, Anm. durch Z.) keine tragfähigen verfassungsrechtlichen Gründe, die bei einer Abwägung der Gefährdung der geheimen Wahl gegenübergestellt werden könnten.“

Zusammengefasst heißt das: Zwei Grundsätze einer demokratischen Wahl (gleich, geheim) sind durch den Hamburger Wahlstift akut gefährdet. Deswegen ist das ganze System aus verfassungsrechtlicher Perspektive abzulehnen.

Zitiert ist das aus und nachzulesen ist all das ausführlich in der Juristenzeitung (JZ 4/2007, 162-171).

Hamburger Innenbehörde gehackt?

Diese Seite der Hamburger Bürgerschaft zur Landtagswahl am 24. Februar 2008 behauptet, die Hamburger vertrauen dem digitalen Wahlstift. Aber kann man den Autoren dieses Angebots vertrauen, wenn Sie am Ende Ihrer Seite einen Link (http://www.innenbehoerde.de) platzieren, der zu einer obskuren Seite führt (Domaininhaber laut Denic: Philippe M. aus Wentorf bei Hamburg), aber nicht zur Hamburger Innenbehörde.

Der Link liefert heute diese Meldung:

Hamburger Innenbehoerde gehackt

Das Weblog Magerfettstufe nahm den Link ernst und hat nun den Verdacht, die Seite der Innenbehörde sei gehackt worden. Da sämtliche Angebote der Stadt unter der Domain hamburg.de geführt werden, hätte sich der Blogger überzeugen können, dass die Seite der Innenbehörde durchaus erreichbar ist…

Den seltsamen Link auf der Bürgerschaftswebseite müssen deren Verantwortliche erklären. Oder ist denen der Link in einem Hack untergejubelt worden? Eine Bundestrojaner?