Die Ausgaben für die Vermarktung von Arzneimitteln sind immer mal wieder Anlass für Dispute zwischen den Medikamentenherstellern und deren Kritikern. Die Unternehmen behaupten, keineswegs gäben sie für das Marketing mehr aus als für Forschung und Entwicklung. Die Kritiker hingegen werfen der Industrie vor, alle direkten und indirekten Vermarktungskosten überstiegen die Forschungsetats sehr deutlich.
In einer frischen Bestandsaufnahme (Gagnon MA, Lexchin J (2008) The Cost of Pushing Pills: A New Estimate of Pharmaceutical Promotion Expenditures in the United States. PLoS Med 5(1): e1) unternehmen zwei kanadische Autoren den Versuch, die Arzneimittel-Vermarktungskosten in den USA für das Jahr 2004 zu schätzen. Sie vergleichen die Angaben zweier Marktforschungsunternehmen (IMS Health Care und CAM). Dabei befragt IMS Health vor allem die Hersteller, während die CAM-Daten auf einer Mischung basieren: Befragungen von Ärzten und interne Industrie-Daten.
Zu den Vermarktungskosten gehören verschenkte Medikamentenpackungen, die Gehälter und Provisionen der Pharmareferenten, Anzeigen- und Direktvertriebskosten, Tagungsunterstützungen, die Finanzierung von Anwendungsbeobachtungen. Die IMS-Zahl von rund 27,7 Mrd. US-Dollar Vermarktungskosten im Jahr 2004 ist die offizielle Zahl der Industrie. In dieser Höhe bewegt sich auch der Aufwand für Forschung und Entwicklung. Die Zahl stützt also das Argument, keineswegs würden mehr Ausgaben in die Vermarktung als in die Erforschung von Arzneimitteln gesteckt.
Die CAM-Zahl liegt bei etwa 33 Mrd. US-Dollar. Allerdings weist CAM auf so genannte „unmonitored promotion“ hin, deren Höhe auf weitere 14,4 Mrd. Dollar geschätzt wird. Dazu gehören ethisch bedenkliche Formen der Vermarktung wie der gezielte Hinweis auf einen möglichen Off-Label-Use, also die Empfehlung, das Medikament jenseits der Zulassungsindikation zu verwenden. Das wird ergänzt durch Vermarktung in Zeitschriften, die nicht von CAM erfasst werden, durch untertreibende Angaben der befragten Ärzte, durch Nichterfassung bestimmter Arzt-Gruppen. Die Autoren kommen zu dem Schluß, dass 2004 in den USA etwa 57,5 Mrd. US-Dollar in den Marketing-Budgets der Industrie drinsteckten – fast zweimal so viel wie in den Entwicklungsetats.
Insgesamt handelt es sich bei den Vermarktungskosten um eine schwer fassbare Größe. Aber der PLoS-Beitrag macht sehr anschaulich, welche Angaben unbedingt in eine solche Rechnung hinein gehören – und er unterläuft die Strategie der Hersteller, die tatsächlichen Vermarktungskosten gering zu rechnen oder ganz zu verschleiern.