Exkurs: Schneewittchen und die sieben Zwerge
Teil 10: Neid trägt viele Kleiderc
Teil 11: Aus der Sprachlosigkeit finden, wenn Neid die Stimmung trübt
Teil 12: Fragen zum eigenen Neid, die sich zu stellen lohnen
Teil 13: Produktiver Umgang mit Neid erwünscht
Teil 14: Neid in sozialen Beziehungen – kulturelle und psychologische Grundlagen
Diesen Gedanken auf eine Paarbeziehung anzuwenden, eröffnet interessante Einsichten. Das erklärt, warum sich vermeintliche Bewahrer (Hochzeit: Ja! Hausfrau: Ja!) und vermeintliche Veränderer (Hochzeit: Nein! Hausfrau: Nein!), wenn sie sich in einer Beziehung finden, so leicht gegenseitig blockieren können: Sie sind oft neidisch aufeinander, wissen es aber nicht, weil ihnen verschlossen bleibt, dass sie dem anderen jeweils das Bewahren oder das Verändern neiden.
Es erklärt aber auch, wie sich bei den Interviews im 4. Kapitel zeigen wird, weshalb genau jene Partnerschaften gut funktionieren, in denen beide sowohl bewahren als auch verändern. Zwar sind die Betroffenen hin und wieder von negativen Gefühlen erfüllt. Solange sich jedoch das Gleichgewicht zwischen ihnen wieder einstellt, bedroht der Neid die Beziehung nicht. Um allerdings einer Blockade zu entrinnen, ist entscheidend, dass sich das Verändern und Bewahren auf verschiedene Aspekte des gemeinsamen Lebens richtet. Um das bereits gewählte Beispiel zu variieren: Bewahrer (Hochzeit: Ja! Hausfrau: Ist mir egal!), Veränderer (Hochzeit: Ist mir egal! Hausfrau: Nein!).
Obwohl also dem Neid wichtige Funktionen zukommen, bleibt dennoch die Frage: Welchen Wert in unserem individuellen, emotionalen Spektrum hat ein Gefühl, dem niemand so richtig eine positive Seite abgewinnen kann oder will? Warum verschwindet der Neid nicht aus der menschlichen Kulturgeschichte? Warum bleibt er stattdessen, trotz seines schlechten Images, so weit verbreitet? Warum ist er jedem von uns so vertraut? Warum ist er nicht tot zu kriegen?
Für den Soziologen Schoeck handelt es sich beim Neid um eine „Kernfrage der sozialen Existenz, die vorgegeben ist, sobald sich zwei höhere Lebewesen miteinander vergleichen können“. Damit erkennt er im Neid eine Art Urinstinkt des höheren Lebewesens, der sich durch gesellschaftliche Ausgleichsmaßnahmen allenfalls eindämmen, aber niemals beseitigen lässt. Da es dem Neider prinzipiell gleichgültig ist, ob das begehrte Gut in großen Mengen zur Verfügung steht oder ob es rar ist, kann auch die fein justierte Gleichverteilung aller Güter an alle den Neid nicht abschaffen. Im Zweifelsfall fühlt sich der Beneidete mit dem Gut immer noch wohler als der Neider – selbst wenn dieser das Gut besäße. Und selbst wenn der Beneidete dem Neider das Gut überließe, wäre der Neider immer noch neidisch: nämlich auf die Großzügigkeit des Beneideten, der so einfach auf das Gut verzichten kann, das er selbst so heiß begehrt.
Den Neid aus der menschlichen Gemeinschaft zu verbannen, funktioniert also schon deswegen nicht, weil sich die Keimzelle des Neids, sein Ursprung nicht beseitigen lässt: der soziale Vergleich. Käme es nicht zu sozialen Vergleichen, so gäbe es keinen Neid zwischen den Menschen. Doch können wir ohne soziale Vergleiche leben?
Literatur: Schoeck, H.: Der Neid. Die Urgeschichte des Bo?sen, Mu?nchen/Wien: Herbig 1980
Teil 16: Der soziale Vergleich als Wurzel des Übels?
Teil 17: Sozialer Vergleich bildet Identität
Teil 18: Neid braucht Beziehung – und auch nicht