Ach, Alice…

so weit ist es nun mit Ihnen gekommen. Sie verhelfen der BLÖD-Zeitung und deren an und für sich schon unsäglichen Kampagne („Jede Wahrheit braucht eine Mutige/einen Mutigen, die/der sie ausspricht.“) zu einem neuen, traurigen Höhepunkt.

So korrumpierbar und unanständig sind also auch Sie, Frau Schwarzer, dass Sie nicht davor zurückschrecken, von einem Verlag Kohle (Für einen guten Zweck, versteht sich!) und öffentliche Aufmerksamkeit (Für sich, Ihr neues Buch, Ihren Verlag, Ihr Geschäftsmodell) einzusacken, der vor Ihren Augen direkt und indirekt genau damit Geld verdient, wogegen Sie so heftig zu Felde ziehen: Prostitution, präziser, mit Werbeplatz für Prostitution, mit frauenverachtender Barbusigkeit, mit einem frauenerniedrigendem Sprachspiel und was sich sonst noch so an unanständigen, unmoralischen, unschönen und unrichtigen Darstellungen der Welt zusammentragen lässt.

Zu denken jedoch gibt mir Ihre Begründung: Neben Brandt, Einstein, Freud und Gandhi sollte auch mal eine Frau auftauchen. Ganz und gar selbstlos stellen Sie sich für die Frauen an die Seite dieser toten Männer. Doch die toten Männer können sich nicht mehr wehren gegen diese Einvernahme. Sie schon. Sie tun aber das Gegenteil und finden sich auch noch gut dabei. So viel schleimiger, sich selbst beweihräuchernder Narzißmus ward bisher noch selten öffentlich zur Schau gestellt. Für die mutige Verkündung dieser Wahrheit sei Ihnen sehr gedankt.

PS.: Der BLÖD-Leserreporter möge Sie ewig verfolgen…

Selbstbestimmung im Fernsehen?

Mika Brzezinski, Moderatorin im Frühstücksfernsehen des Senders MSNBC, wurde letztes Wochenende selbst Teil der Nachrichtenkreislaufs. In einem scheinbaren Anfall von Aufmüpfigkeit weigerte sie sich, den Nachrichtenblock mit einer Meldung über Paris Hilton zu eröffnen. Eingerahmt von zwei Komoderatoren, versuchte sie, das Manuskript zu verbrennen. Als ihr das nicht gelang, übergab sie den Text einem Schredder.

Ein guter Hack? Oder pure Hilflosigkeit? Höchster Ausdruck innerer Verzweiflung? Zwar verlautbarte Brzezinski, sie wolle zukünftig nur noch über Kinder, Brustkrebs und Multiple Sklerose reden, also Dinge, die ihr bedeutsam scheinen. Doch es ist nicht bekannt, dass die Moderatorin anschließend ihren (sicherlich außerordentlich gut dotierten) Job hingeschmissen hätte – weil der Fall Hilton nur die Zuspitzung einer krassen Verwahrlosung amerikanischer Nachrichtensendungen darstelle.

Ein Akt der Selbstbefreiung jedenfalls sähe anders aus. Bis jetzt ist die Geschichte ein Mosaiksteinchen im Selbstdiskurs des Mediums, das ohne Folgen bleibt und eben auch nur der Unterhaltung dient. Zumal das Videomaterial so aussieht, als sei alles vorab mit dem Chef vom Dienst abgesprochen und inszeniert. Die Kameraführung bei der Aktion wirkt ganz und gar nicht überrascht.

Dreamspace 2007

In der Cuxhavener Kugelbakehalle findet seit Freitag die Schwarzlichtausstellung „Dreamspace 2007“ statt. Großformatige Bilder, Skulpturen, Fadenobjekte, Airbrush-Kunstwerke, Lichtinstallationen und andere Exponate, die in UV-Licht ungewohnte visuelle Eindrücke erzeugen, sind bis 08.07.2007 in der Halle zu sehen. Ergänzt werden die Installationen durch Workshops, Schwarzlichttheater und verschiedene Kinderprogramme.

Wer gerade in der Nähe von Cuxhaven ist und seine Wahrnehmung für einen Moment verändern, verschieben, erweitern möchte, ohne dafür Drogen einzuwerfen, sollte sich das Ereignis nicht entgehen lassen.

Und warum werbe ich in meinem Weblog dafür? Weil ich zu den Sponsoren, zu den Unterstützern, zu den Partnern der Veranstaltung gehöre…

Kreationismus an deutschen Schulen

In der Debatte um die zunehmende Verbreitung kreationistischer Weltsichten, verbrämt als wissenschaftliche Theoriegebäude (Gott erschuf die Welt etc.), liefert die Süddeutsche Zeitung den perfekten Titel: Gott beweist: Darwin ist tot.

Sprachliche Verdichtung vom Allerfeinsten! Ein Bedeutungshof der von den Gottesbeweisen der Philosophie (Aristoteles, Thomas von Aquin) über Dorothee Sölle („Stellvertretung. Ein Kapitel Theologie nach dem Tode Gottes“) zu Friedrich Nietzsche („Gott ist tot“) reicht.

Köhler ohne Gnade

Der Bundespräsident hat heute das Gnadengesuch von Herrn Klar abschlägig beschieden. Mathias Richling parodiert Köhler bei ARD-Beckmann, und schildert gestelzt-gestanzt, wie es zur Entscheidung kam. Zunächst Mitleid: „Klar wollte zurück in eine Gesellschaft, die er hasst. Will er sich nachträglich selbst bestrafen?“ Das könne er, Köhler, nicht wollen und schon gar nicht zulassen. Er schützt den Terroristen vor sich selbst, indem er ihn nicht begnadigt.

Doch der parodierte Präsident erkennt auch die guten Seiten am Gesuch Klars: „Wer um Gnade bettelt, erkennt den Herrscher an. Also hat Herr Klar mich anerkannt, indem er mich anbettelt.“

Zum Schluß bittet Richling-Köhler selber um Gnade – für sich.

Dresden muss Brücke bauen

Der sächsische Verfassungsgerichtshof hat heute beschlossen, die Beschwerde der Stadt Dresden gegen den Entscheid des Oberverwaltungsgerichts zu verwerfen. Somit muss Dresden nun beginnen, Bauaufträge für die inzwischen mächtig umstrittene Waldschlösschenbrücke zu vergeben.

Letzte Woche noch verbreitete sich durch eine Entscheidung des Stadtrates die Hoffnung, Dresden könne eventuell über neue Architekten-Vorschläge den Welterbestatus retten. Wenn diese bis zum 23. Juni, dem Sitzungstag des Welterbe-Komitees, vorlägen, stimmte das vielleicht die UNESCO-Entscheider milder.

Das Verfassungsgericht erteilt dieser Strategie heute eine Absage – oder ist es möglich, quasi on the fly, von einem Brückenbauplan zu einem anderen zu wechseln? Unklar bleibt, wie die Geldgeber, Bund und Land, reagieren. Das Land hat zumindest einmal 96 Millionen für den Bau vorgesehene Euro eingefroren.

Chronologie der Debatte (Quelle: SPIEGEL Online)

Erinnerung = Paradies?

Jean Paul, der Glückliche, konnte einst, in einer Zeit als die durchschnittliche Lebenserwartung noch unter 60 Jahren lag, das Bonmot verkünden: „Die Erinnerung ist das einzige Paradies, aus dem wir nicht vertrieben werden können.“

Hunderttausende Alzheimer-Kranke belegen heute, wie vergänglich Aphorismen sind, auch wenn sie manchmal nach Zeit überdauernder, tief schürfender Einsicht klingen.