Zettmanns Weblog – eine Bilanz

Vor einem Jahr habe ich Zettmanns Weblog eröffnet. Die Bilanz ist gut. Ich mache weiter. Ein paar Gründe dafür:

Ich nehme mir die Zeit, mir über das eine oder andere Thema mehr Gedanken zu machen, mich intensiver damit zu beschäftigen.

Ich will schreiben – und nehme mir die Zeit dazu.

Weil ich für ein (häufig unbekanntes) Publikum schreibe, überlege ich mir sehr genau, was ich wie schreibe. Mein Qualitätsanspruch ist deutlich höher als in einem privaten Tagebuch.

Die Schreibroutine tut dem Schreiben gut.

Der Zwang, Texte von überschaubarer Länge zu fertigen, zwingt mich, meine Gedanken entsprechend zu ordnen, um ans Ziel zu gelangen.

PS.: Allen Leserinnen und Lesern (bekannten und unbekannten) ein feines, unterhaltsames, nie von schlechten Texten getrübtes Jahr 2008.

Kindliches Sprachspiel 2

Unser Sohn kommentiert häufig das eigene Verhalten.

Eine Auswahl:
„Ich geh‘ rück“, wenn er rückwärts läuft.
Er liegt im Bett, mit den Füßen am Kopfende: „Ich bin andersrum.“
„Ich tanzt“, wenn er sich im Kreis dreht, die Arme in die Höhe gereckt.
Er setzt sich ein Tambourin auf den Kopf und sagt: „Ich bin ein Bauarbeiter.“

Weihnachtsgedanken

Ein Kind verschiebt den Blick auf Rituale, Mythen, auf zauberhafte Wesen und vorgestellte Welten: Ob Felix, der Hase, Lilifee oder Nikolaus, kindlicher Personenkult ist zugleich faszinierend und schwer erträglich. Dies als Erwachsener fördern zu sollen bzw. sich darauf einzulassen, zählt zu den großen elterlichen Herausforderungen. Zumal, wenn das bedeutet, den eigenen Rationalitätsreflex zu zähmen.

Das Zusammenleben mit dem Kind funktioniert jedoch nur so. Ich muss mich ohne zu zögern dieser kindlichen Wirklichkeit hingeben – oder ich habe verloren. Es vereinfacht ja das Leben auch ungemein, wenn ich nicht mehr zwischen lebendig und nicht lebendig unterscheiden muss. Nicht mehr zwischen vorgestellt und vorgefunden. Nicht mehr zwischen Wesen aus Fleisch und Blut und Fabelwesen.

Interessant dabei ist die Figur des Nikolaus‘ oder des Weihnachtsmannes: Die Erwachsenen inszenieren sie für die Kinder, um ihnen einen Beleg zu liefern, dass die Fabelwesen existieren – und um deren Wirkmächtigkeit zu steigern und zu verlängern. Wenn diese Figuren nie aufträten, kämen die Zweifel an deren Existenz wohl deutlich früher.

Womöglich entwickelt sich in diesen kindlichen Tagen Religiosität. Ein Bezugssystem entsteht, wichtige Bezugsgrößen wie der Weihnachtsmann, der Osterhase oder das Christkind werden in den kindlichen Horizont eingeführt – und immer wieder aufs Neue inszeniert. Dabei wird das menschliche Bedürfnis nach Transzendenz zugleich geschaffen und wieder gestillt. So geraten wir auf unsere andauernde Suche nach einem Mehr, das Sinn stiftet. Auf die Sinnsuche nach mehr als dem, was sich im Leben einfach vorfinden lässt.

Kinder, Krebs und Kernkraft

Mein Kollege am Institut für Allgemeinmedizin, Hans-Hermann Dubben, hat die Studie zum kindlichen Leukämierisiko im Umfeld von Atomkraftwerken kritisiert und deren Aussagekraft angezweifelt. Er schaute sich die veröffentlichten Daten an und findet: „Laut Studie leben die Kranken im Schnitt 20,8 Kilometer vom Kraftwerk entfernt, die Gesunden leben nur 300 Meter weiter, nämlich 21,1 Kilometer. 300 Meter, die über Krebs entscheiden sollen? Das erscheint absurd.

Ein weiteres Ergebnis maximiert die Absurdität: Die Leukämierate ist auch rund um geplante Atom-Standorte erhöht, an denen die Anlagen niemals gebaut wurden.

Wer hat sonst noch Fragen an die Wissenschaft?

Backen und kochen…

…stehen bei unserem Sohn gerade hoch im Kurs. Aus der Kita wurde neulich diese Geschichte erzählt: Das Kind nimmt Bestellungen auf (Spiegelei, Suppe, Kekse, Kuchen, Wurst), geht in die Kinderküche/Backstube und arbeitet die Bestellungen ab. Dann bekommen die Besteller geliefert, Spiegelei, Suppe, usw.

Mit einer Ausnahme: Eine der Betreuerinnen bekommt immer Kuchen. Egal, ob sie Ei oder Wurst bestellt hat, das Kind liefert ihr Kuchen aus.

Goldig. Ich tippe mal, er nutzt die Gelegenheit, ihr etwas Gutes zu geben, weil sie ihn auch immer bedenkt, wenn eine Leckerei verteilt wird… Oder?

Neue Väter hat das Land

Die offiziellen Elterngeld-Zahlen weisen den Trend aus: Es gibt sie, die neuen Väter – zu beobachten beim Baby-Schwimmen, auf Spielplätzen, in Pekip-Gruppen. Noch ist es nicht die Hälfte der Elterngeldanträge, die von Männern gestellt werden. Aber die Väter holen auf. Und werden zu Experten.

Experten für Körpercremes: Shea Butter? Olivenöl? Budnikowsky chemiefrei?
Wunde Hintern heilen: Mit Extrakt vom schwarzen Tee? Durch frische Luft? Beides? Erdöl-basiert?
Essen: Nur selbst zubereitet? Wie viel Soja ist verträglich? Milch homogenisiert? Oder nicht? Alles nur Bio? Oder Aldibiomix?

Hinzu kommt: Väter reden mit ihren Kindern, auch mit den sehr kleinen, die selber noch gar keinen Text zurück geben können. Erklären, was sie gerade tun und warum. Väter tun also vieles, was ihnen qua Vorurteil häufig gar nicht zugetraut wird.

In solchen Zeiten bräuchten sich nur noch jene Männer ein Herz zu fassen, die immer noch behaupten, ihr Arbeitgeber würde sie schräg anschauen, wenn sie sich stärker um die Kinder kümmerten. Demnächst werden nämlich solche Arbeitgeber schräg angeschaut… Aber manchmal sind es ja auch Frauen, die gar nicht wollen und aktiv verhindern, dass ihre Männer aufholen in den Kinder-Versorgungs-und-Betreuungs-Kompetenzen.

Kindersprech – anspruchsvoll

Morgens, ins Müsli, bekommt unser Sohn ab und an Rosinen. Wenn er danach verlangt, klingt das phonetisch umschrieben etwa so: „Ro! Si! Nen! Ro! Si! Nen!“ Dabei kann es sein, dass er die Fingerkuppen fordernd auf den Tisch schlägt.

Heute verstärkte das Kind den üblichen Befehlston mit dieser köstlichen Wendung, wo auch immer er sie aufgeschnappt hat: „Ich muss das mal haben!“

Als Schweriner Oberbürgermeister…

… erweisen Sie sich, Herr Norbert Claussen (CDU), gerade als vorbildhaft loyaler und damit schätzenswerter Dienstherr Ihrer Verwaltungsangestellten.

So löblich dies aus Sicht der Mitarbeiter sein mag, so merkwürdig muten doch die Sätze an, die wir gerade öffentlich vernehmen: „Aus den Gesamtumständen ergab sich für den Sozialarbeiter kein Hinweis auf eine Kindeswohlgefährdung.“ Zumal die Sozialarbeiter ja auch alle Vorschriften genau eingehalten haben. So loyal Sie als Dienstherr sind, so sehr sind Ihnen Mitarbeiter zu wünschen, die im Zweifelsfall die Vorschriften übertreten.

Doch so richtig derbe bagatellisieren Sie die Verantwortung der städtischen Behörden, wenn Sie das Schicksal bemühen: „Es hätte in jeder anderen Stadt passieren können, und der, dem es passiert ist, hat in diesem Fall Pech gehabt.“ Vorschriften eingehalten und Pech gehabt = totes Kind. Kann überall passieren. Kommt alle Tage vor (Kevin, Bremen; Jessica, Hamburg – um die bekanntesten Namen aufzuzählen) – und: Wenn es den anderen auch so geht, kann am Ende keiner etwas dafür!?

Herr Claussen, sind Sie tatsächlich Jura-Studienabrecher und dann 1990 im Osten zu einer neuen Karriere gestolpert? Das erklärt manches: In der Krise lässt sich Unvermögen nicht länger verheimlichen. Möge auf soviel Hochmut, Selbstgerechtigkeit und Eiseskälte alsbald Ihr Sturz folgen!

Wünscht sich der Zettmann.

Kindersprech – die erste Simulation

Unser Sohn sitzt auf dem Kinderstuhl, hebt die Arme und sagt: „Ich weint.“ – Dann fängt er an zu weinen bzw. er tut so, als sei er ein weinendes Kind. Am Ende der schauspielerischen Einlage geht das Wimmern und Greinen in Lachen über, in wissendes Lachen: Er weiß um die Inszenierung.

Ein erstaunliches Repertoire für ein Kind, das noch keine zwei Jahre alt ist. Faszinierend.

Kind und Zähne putzen, update 3

Der sprachliche Variantenreichtum des Kindes nimmt stetig zu, mit teilweise verblüffenden Effekten. Seit kurzem verwendet der Kleine bspw. zeitliche Bezüge. Und setzte sie nun erstmals bei der immer noch problematischen Kommunikation rund ums Zähneputzen ein. (Soll heißen: Singen hilft nicht, Buch angucken hilft nicht…)

Ich: „Du mußt noch Zähne putzen!“
Er: „Heute nicht. Nein, nein, nein.“

Wie Diskussion ausging? Er schleckt die Bürste ab – weigert sich, zu bürsten. Ich versuche noch zweimal die Bürste hin und her zu ziehen – und gebe dann auf.

Beruhigend ist: Morgens, wenn Kindchen ausgeschlafen ist, funktioniert das Zähneputzen deutlich besser als abends, wenn die Müdigkeit sich schon seiner bemächtigt hat. Beunruhigend ist: Abends ist die Zahnreinigung bekanntermaßen deutlich wichtiger.