Wahlrecht für Babys?!

Rechtzeitig vor der Nachrichten-armen Zeit hat eine fraktionsübergreifende Gruppe von Bundestagsabgeordneten wieder einmal die Ausweitung des Wahlalters auf die politische Agenda gehoben. Doch nicht wie in bisherigen Versuchen fordern die Abgeordneten eine Ausweitung der Wahlberechtigung auf die 14- oder 16-Jährigen.

Nein, laut Bundestagsdrucksache 16/9868 (pdf) soll allen (mehr als 14 Millionen) jungen Menschen unter 18 Jahren das Stimmrecht nicht länger vorenthalten werden. Denn das grundgesetzlich verbriefte Wahlrecht gelte eben für alle.

Bis die Kinder das selber in die Hand nehmen könnten, fungierten die Eltern als Treuhänder ihrer Säuglinge, Klein- und Vorschulkinder. In einer “gleitenden” Regelung könnten junge Menschen, “sobald sie selbst sich für beurteilungsfähig halten, das Recht erhalten, sich in eine Wahlliste eintragen zu lassen. Mit dieser Eintragung erlösche das Stellvertreterrecht der Eltern und der junge Mensch könnte nur noch selbst wählen.”

Hm. Das gäbe sicherlich interessante Verwerfungen in der Parteienlandschaft. Vor allem in der ersten Wahl mit plötzlich 75 Millionen Wahlberechtigten. Fast ein Viertel mehr an möglichen Stimmen. Familien-Parteien bekämen ein ganz neues Gewicht. Plötzlich wären die Eltern in diesem Land diejenigen, die bestimmen könnten, wohin die Reise geht.

Aber ist das alles wirklich durchdacht? Oder doch nur so ein Sommerloch-Versuchsballon? Oder hat die SPDCDUFDP-Allianz da gar ein Eigentor geschossen? Wer sagt denen denn, dass ausgerechnet ihre Parteien vom neuen Stimmenmehr profitieren?

PS.: Witzig in dem Zusammenhang die Meldung auf SPIEGEL ONLINE. Die Kollegen tun so, als hätten sie die Bundestagsdrucksache mit der Nummer 16/9868 vorab von einem Abgeordneten zugeschickt bekommen: Der “Antrag mit der Drucksachenummer 16/9868, der SPIEGEL ONLINE vorliegt“. Da haben sie wieder knallhart recherchiert! Echter Service wäre es ja wohl, den Link zum Dokument (pdf) zur Verfügung zu stellen.

Gewinne und Verluste bei Wahlen

Der Statistiker in mir rebelliert, wenn wieder einmal Wahlergebnisse öffentlich diskutiert werden. Zwar könnten es alle wissen, dennoch wird es ignoriert: Prozentzahlen hängen von ihrer Ausgangsgröße ab. Gewinne und Verluste bei einer Wahl können nur dann wirklich aufeinander bezogen werden, wenn die Wahlbeteiligung in etwa gleich bleibt.

Das war in Hessen der Fall. Wobei der Verlust von 12% fast beschönigend wirkt, wenn Herrn Koch in absoluten Stimmen tatsächlich ein Viertel seiner Wähler abhanden kommen: Statt 1,333 Millionen hat er diesmal nur 1,009 Millionen Stimmen erhalten.

Noch einmal anders liest sich das Ergebnis in Niedersachsen. Hier gingen 530000 Menschen weniger zur Wahl als 2003. Der „Wahlsieger“ Wulf alleine, der knapp 6 Relativprozente verliert, büßt fast eine halbe Million Stimmen ein (statt 1,925 Mio wie 2003 wählen ihn nur noch 1,455 Mio). Allerdings wandern die in die Nicht-Wählerschaft ab – und kommen anderen Parteien nicht zugute wie in Hessen.

Richtig paradox wird der Relativprozenteffekt bei der FDP und den Grünen. Beide freuen sich an (moderat) gestiegenen Prozentzahlen (FDP +0,1 auf 8,2%, Grüne +0,4 auf 8,0%). Faktisch haben beide deutliche Stimmenverluste zu verbuchen: Während die FDP rund 46000 Kreuzchen weniger auf sich vereinen konnte, verloren die Grünen 31000.

Leider bleibt diese Sicht auf die Zahlen in der Wahlberichterstattung außen vor. Kein Journalist nimmt das zum Anlass, aus den ewigen Siegerposen mal ein bisschen die Luft rauszulassen. Auch am Tag danach nicht. Schade eigentlich.

Volksentscheid verpasst sein Ziel

Immerhin 492.864 Hamburger Wahlberechtigte haben sich an der heutigen Volksabstimmung beteiligt. Leider hat das nicht gereicht, den Volksentscheid zu gewinnen. Mindestens 80% der 1,2 Millionen Wahlberechtigten hätten sich beteiligen müssen. Mindestens zwei Drittel hätten mit „Ja“ stimmen müssen, um zu gewinnen.

Ziel der Initiative „Stärkt den Volksentscheid“ war es, zukünftige Volksentscheide verbindlich für Bürgerschaft und Senat zu machen.

All das ist schade, aber vermutlich ein Pyrrhussieg der Mehrheitsfraktion in der Bürgerschaft und des Senates: Am 24. Februar 2008 sind Bürgerschaftswahlen.

Volksentscheid in Hamburg

Am kommenden Sonntag, den 14.10.07, stimmt Hamburg in einem Volksentscheid darüber ab, welche Bedingungen für Volksentscheide zukünftig gelten. Die Initiative „Rettet-den-Volksentscheid“ ruft alle Hamburger und Hamburgerinnen dazu auf, sich diese Mitbestimmungschance nicht entgehen zu lassen.

„Ja“ heißt, mehr Einfluss durch Volksentscheide mit bindendem Charakter für die Entscheider in Senat, Verwaltung und Parlament.

„Nein“ heißt, der Politbetrieb wird allein schalten und walten – so wie beim Volksentscheid zum Verkauf der Landesbetriebe Krankenhäuser im Jahr 2004. Das Volk wollte nicht verkaufen, aber die Stadt hat sich über das Votum hinweg gesetzt.

Schäuble! Wegrollen!

Ist das Betreiben einer Webseite, die Schäuble! Wegtreten! heißt, eigentlich diskriminierend?

Wäre es nicht wahrhaftiger, „Schäuble! Wegrollen!“ zu sagen? Doch diese Webseite gibt es noch nicht…

Nach dem Aufwärmen des Atomschlagszenarios durch den Innenminister letzten Sonntag in der FAS ist es nun an der Zeit, ihm seinen Posten zu entziehen.

Warum?

Es ist nicht länger zu tolerieren, dass er seine Ängste auf diese Weise über uns ausgießt. Er will uns zum Teil seiner Angstwirklichkeit machen. Und das sollten wir uns verbeten! Er soll damit zum Therapeuten gehen, nicht zur Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

Er schüchtert uns damit ein. Wir sollen uns klein fühlen gegenüber den wahnsinnigen Mächten, die hier am Werk sind und von denen er weiß.

Schäuble sagt, wir sollten uns an den Engländern ein Beispiel nehmen – und tut selbst alles dafür, diese Versuche mit seinen Ausbrüchen den Erfolg zu versagen.

Untolerierbar! Gefährlich für das Land und seine Zukunft.
Deswegen: Abdanken und in Pension. Oder: Innenminister in einem Schurkenstaat seiner Wahl!

Amerikanischer Blogger aus Beugehaft entlassen

Josh Wolf, ein Videoblogger und Journalist aus San Francisco, ist nach sieben Monaten (226 Tage) aus der Beugehaft entlassen worden. Er sollte genötigt werden, ein Video an die Behörden zu übergeben, das er auf einer Anti-Globalisierungsdemo aufgenommen hatte.

In seinem ersten Statement nach seiner Entlassung weist er allerdings darauf hin, dass es nicht allein darum ging, dem Staat das Video auszuhändigen. Vielmehr sollte er gezwungen werden, vor Gericht als Zeuge auszusagen. Dagegen wehrte er sich. Schließlich handelte er den Kompromiss aus, das Video nach seiner Entlassung ungeschnitten online zu stellen und zwei Fragen des Gerichts zu beantworten. Beide beantwortete er (gekürzt, d.A.) mit „Nein.“

Ägyptischer Blogger zu vier Jahren Haft verurteilt

Blogger scheinen zunehmend unangenehm zu werden für Gesellschaften, die von oben herab bestimmen wollen, was richtig ist und was falsch.

Jetzt warnt die ägyptische Justiz alle aufmüpfigen Schreiberlinge im eigenen Land, indem sie einen Blogger für vier Jahre hinter Schloss und Riegel setzt, weil er den Staatspräsidenten Mubarak kritisiert und die Zustände in Ägypten für undemokratisch hält. Der Staatsanwalt: „Wenn wir solche wie ihn ohne Strafe davonkommen lassen, wird ein Flächenbrand ausbrechen, der alles verschlingt.“

Allerdings hoffen Bürgerrechtler genau auf diesen Flächenbrand wie die Süddeutsche Zeitung heute schreibt.

Gnade für Terroristen!

Die Republik redet sich heiß über das Für und Wider einer frühzeitigen Haftentlassung bzw. Begnadigung der beiden Terroristen Mohnhaupt und Klar, Führungsfiguren der 2. RAF-Generation.

Meine Antwort ist ziemlich staatstragend (und ich bemerke, was die Lebensjahre so anrichten können): Der Staat sollte gerade diejenigen begnadigen und entlassen, die ihn am meisten bekämpft haben. Nach zweieinhalb Jahrzehnten den Uneinsichtigen und wenig Reuemütigen Haftentlassung zu gewähren, beschämt die Betroffenen. Die wären nämlich nur dann wirklich knallhart und ohne innere Regung, wenn sie darauf beharrten, ihre durch diesen Staat verhängte Strafe auch bis zum letzten Tag auszukosten. Warum sollten sie sonst dem Staat entgegen kommen, der sich selbst mit dieser Geste im besten Licht erstrahlen lässt?

Keine Reue zu zeigen, sich nicht zu entschuldigen, ist die beste Voraussetzung für den Staat, im Gegenzug mild, vergebend und barmherzig zu reagieren. Diejenigen, die von Klar und Mohnhaupt Reue und Entschuldigung erwarten, sind auch jene, die einst von Erich Honecker erwartet haben, er könnte seinen Irrweg öffentlich bekennen. Solche Erwartungen hegen nur Leute, die nicht wissen, dass sie im Glashaus sitzen, während sie mit Steinen auf andere werfen.