Gestern habe ich im Weblog des Carl-Auer-Verlages auf einen Beitrag reagiert, der sich über sprachliche Nachlässigkeiten, Ablenkungsmanöver und über beschönigende Wortwahl ausläßt. U.a. nimmt sich der Auer-Blogger der Akronyme (ALG 2, fMRT) an. Die nennt er einen heute beliebten Trick bei der Formulierung unangenehmer Sachverhalte. Dem kann ich nicht folgen, da Akronyme nicht erst heute Sprache verdichten, sondern schon zu Kaisers Zeiten. Und das keineswegs nur, um zu verschleiern.
Prompt lerne ich heute durch einen Artikel auf der SZ-Wissenschaftsseite ein neues Akronym kennen: CCD – colony collapse disorder. Bienenforscher nennen so den unerwarteten (und heute offenbar noch unerklärlichen) Zusammenbruch eines Bienenvolkes. Dieses Akronym lenkt nicht ab und verschleiert nicht. Die Störung ist eine ernsthafte Bedrohung des ökologischen Gleichgewichtes. Schon die FAZ berichtete 2004 aus Frankreich von einem mysteriösen Bienenvolksterben. Die französischen Bauern machten die deutsche Chemie-Industrie und deren Pestizide dafür verantwortlich.
So nahe liegend es ist, an Chemie (Pestizde, Insektizide) und GMO (Genetically Modified Organism; bspw. Genmais) zu denken, um das Bienenvolksterben zu erklären, so einfach ist es nicht. Die Antworten auf häufig gestellte Fragen einer CCD-Arbeitsgruppe im mittleren Westen der USA belegen das.
Momentan intensiver untersuchte Hypothesen sind:
- chemische Rückstände im Wachs, den Nahrungslagern, im Körper der Bienen
- bekannte und unbekannte Krankheitserreger
- Parasitenbefall
- Ernährungszustand der erwachsenen Bienen
- erhöhtes Stressniveau der erwachsenen Bienen
- eingeschränkte genetische Vielfalt
Und warum ist das alles so bedeutsam, ja vermeintlich bedrohlich? Die Bienen sind ein zentrales Glied in der Kette der Nahrungsproduktion. Bienen befruchten in den USA Pflanzen im Wert von geschätzten rund 18 Milliarden Dollar. In Europa gehen laut Süddeutscher Zeitung 5 Milliarden Euro Wertschöpfung in der Landwirtschaft auf die Bienen-Bestäubung zurück.
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Lieber Herr Zimmermann,
auch wenn schon einige Zeit darüber ins Land gegangen ist, möchte ich mich heute bei Ihnen direkt melden als derjenige, der im Auer-Blog mit dem Finger auf die sich so rasant verbreitenden Akronyme gezeigt hat. Ich bleibe schon dabei zu behaupten, dass der Ausdruck ALG II im Vergleich zum Begriff Arbeitslosengeld II unsinnlich und kalt ist. Akronyme schaffen Distanz, und das ist wohl beabsichtigt. Das gilt für die Medizin, ganz besonders aber für die Technik. Ihre Verwendung entwickelt sich, wie ich meine, zu einem oft nur noch für Insider durchschaubaren Kauderwelsch, wie die Berichte von der Cebit gezeigt haben. Die Diskussion zum Thema im Auer-Blog (11.03.07) ging weiter. Vielleicht interessiert es Sie.
Freundliche Grüße nach Hamburg,
Horst Kasper