Amerikas Urologen wenden sich gegen PSA-Screening

Endlich.

Die amerikanische Urologen-Fachgesellschaft wendet sich gegen das routinemäßige PSA-Screening von gesunden Männern zwischen 40 und 54 – und reagiert auf die in den letzten Jahren angehäufte Evidenz, dass die Risiken für körperliche Schäden durch nachfolgende Eingriffe auf der Basis des Screening-Tests weit höher sind als der vermeintliche Nutzen eines früh erkannten Tumors: 1 von 1000 Männern nutzt der Test, er schadet aber 36.

http://jama.jamanetwork.com/article.aspx?articleID=1696095

Nur 3,3% der Betroffenen, die nach dem PSA einen Prostata-Krebs diagnostiziert bekommen, sterben nicht am Krebs, der meist nur langsam in ihnen wächst. 96,7% der PSA-gescreenten Männer sterben an einer anderen Todesursache – haben aber eine massive Beeinträchtigung erleben müssen, weil der positive PSA-Test zu weiteren Tests, einer Biopsie und später dem direkten Entfernen oder zumindest dem teilweisen Entfernen der Prostata führt.

Ein Beitrag in ARD-Kontraste macht die Sinnlosigkeit, die Verwerflichkeit, das rein ökonomische Kalkül des Verfahrens deutlich: http://www.rbb-online.de/kontraste/archiv/kontraste_vom_16_05/frueherkennung_bei.html

 

Wissenschaft, menschliche Natur und Erkenntnis

Patrick Illinger, Leiter des Ressorts Wissen der Süddeutschen Zeitung, kommentiert in der Pfingstausgabe die Zubereitung embryonaler Stammzellen:

„Hat die Wissenschaft gelernt, mit der öffentlichen Befindlichkeit umzugehen? Eher nicht. Im wissenschaftlichen Alltag ist von Zurückhaltung nichts zu erkennen. Weltweit wird geforscht, was das Zeug hält, an Zellen, Embryonen und mutierten Viren. Auf der anderen Seite wird kritisiert, oft reflexartig und oft ohne angemessenen Sachverstand. Dazwischen liegt ein breites Feld der Verunsicherung.“

Trefflicher lässt sich das Unbehagen über die andauernde Verschiebung immer weiterer Grenzen durch den Wissenschaftsbetrieb nicht ausdrücken. Allerdings: Ist nicht die Grenzüberschreitung unmittelbar an den Erkenntnisgewinn gekoppelt? Schon Archimedes Ausruf „Heureka“ ist damit verbunden, dass der Grieche Grenzen überwand, als er mit seinem eigenen Körpergewicht einen Wasserbehälter zum Überlaufen brachte und daraus die Wasserverdrängung berechnen lernte. Wie das einfache Experiment mit dem eigenen Körper gehören bspw. grenzenüberwindende Reisen zum Methodenkanon der Wissenschaften: Über kontinentale Grenzen hinweg brachen Forscher zu anderen, neuen Ufern auf genauso wie sie mittels kosmischer Ausflüge in der jüngeren Menschenheitsgeschichte die Erde aus der Ferne betrachten konnten.

Das Überwinden von (Erkenntnis)-Grenzen ist grundlegend für wissenschaftliches Tun überhaupt, egal ob im Labor, mittels Raumschiff oder am Schreibtisch.

Die Forscher aus Oregon, die nun embryonale Stammzellen zubereitet haben, überwinden also zunächst einmal nur jene Grenzen, die der Erkenntnis im Wege stehen. Erkenntnis, die gewonnen werden kann, wird nicht unerkannt bleiben, früher oder später – und keine Moral, keine Ethik, kein Glaubenssystem oder keine Theologie wird die forschenden Geister daran hindern, die Dinge weiterzudenken und weitere Experimente zu wagen. Zu reizvoll und zu spektakulär ist die Aussicht, die grundlegenden Mechanismen des Leben zu verstehen und nachzubauen – und die Erkenntnisgrenzen weiter zu verschieben.

So weit so verständlich aus Sicht der Forscher_innen. Doch die wissenschaftliche Erkenntnis ist nur eine Seite. Eine weitere sind die daran gekoppelten Heilsversprechen und die dadurch erzeugten Heilserwartungen. Hinzu kommen Fragen der kommerziellen Verwertbarkeit der Erkenntnisse, die Patente, die Kapitalinteressen und die Aussichten auf ewigen wissenschaftlichen Ruhm bspw. durch eine Nobelpreis-Ehrung, die ebenfalls Motive für derlei Grenzverschiebungen sein können.

Deswegen gebe ich mich keiner Illusion hin: So wie wir die menschliche Natur bereits seit tausenden Generationen verändern, nachbessern, sozialisieren, kultivieren, in diesem Sinne: verwissenschaftlichen – so wird auch zukünftige Erkenntnis zur weiteren Veränderung des Menschen beitragen. Das wird sich nicht aufhalten lassen, weil die Verschiebung der (Erkenntnis)-Grenzen selbst inzwischen Teil der menschlichen Natur geworden ist.

Die Verunsicherung von der Illinger schreibt ist dabei notwendiger Teil der Erkenntnis. Und wir müssen immer wieder neu bestimmen, wer wir sind, was unsere (jeweils aktuelle) Natur ist, welches Selbstverständnis wir von uns selbst haben.

Novartis verliert Patentschutzstreit in Indien

In einem wegweisenden Urteil hat der Oberste Gerichtshof Indiens eine Patentklage des Schweizer Arzneimittel-Herstellers Novartis zurückgewiesen. Damit ermöglicht das Gericht indischen Generika-Herstellern, das Medikament Glivec zu einem weit geringeren Preis zu vertreiben als das Original-Präparat – laut BBC News liegt der Unterschied zwischen $2600 für das Original und $175 für die Kopie.

Auch 175 Dollar (pro Monat) sind in Indien ein großer Haufen Geld – und Novartis behauptet tapfer in der eigenen Pressemitteilung als Reaktion auf das Urteil, über 9 von 10 Patienten mit entsprechender Indikation (bestimmte Leukämie-Formen) würden weiterhin im Rahmen eines speziellen Programms kostenfrei mit dem Medikament versorgt.

So sehr das Urteil ärmeren Patienten helfen mag, so sehr könnte es das Selbstverständnis der Industrie erschüttern: Hier wird nämlich ein Geschäftsmodell in seine Schranken gewiesen, das wegen seiner Scheininnovationen auch in Deutschland sehr umstritten ist. Das Patent für die Substanz, die Glivec zugrunde liegt (Imatinib), verlor 2005 den indischen Patentschutz. 2006 brachte Novartis das Medikament in kristalline Form und beanspruchte dafür ein neues Patent. Zugleich behauptete die Firma, die Substanz sei nun besser absorbierbar, ein Zusatznutzen sei erkennbar. Diese Behauptung wies das höchste indische Gericht in seiner ausführlichen Begründung zurück:

„There is, however, no material in the subject application or in the supporting affidavits to make any comparison of efficacy, or even solubility, between the beta crystalline form of Imatinib Mesylate and Imatinib Mesylate (non-crystalline).“

Dieses Urteil stärkt meine Hoffnung, dass auch die Zulassungsbehörden in Deutschland bzw. Europa mehr Interesse daran entwickeln, das Blendwerk der pharmazeutischen Industrie zu entlarven. Es muss das Bestreben der Kontrollbehörden werden, Scheininnovationen den Zugang in die solidarisch finanzierten Gesundheitskassen zu verwehren. Es ist nicht zu tolerieren, wenn das solidarische System der Krankenversicherung dazu missbraucht wird, die Renditeerwartungen der Pharma-Kapitalbesitzer zu erfüllen.

PS.: Laut Roter Liste kostet das Medikament in Deutschland gegenwärtig rund €3400 (nach aktuellem Kurs $4350).

Nachdenken über Wissenschaft und Schavan

Wahrscheinlich ist es gerechtfertigt, ein wenig Mitgefühl mit Frau Schavan zu haben.

Damals im Jahre 1980 existierten zwar auch schon allgemeinverbindliche Grundsätze des wissenschaftlichen Zitierens – aber wer konnte damals ahnen, dass ein Verstoss dagegen 33 Jahre später die eigene Karriere ruiniert? Zumal die Gutachter damals ja nichts zu beanstanden hatten.

Das Abgrenzungsbedürfnis, dass wir Wissenschaftler nun gegen jemanden wie Frau Schavan empfinden und öffentlich zum Ausdruck bringen, ist einerseits berechtigt und notwendig, aber auch gefährlich, denn die Grenzen zwischen redlich und unredlich sind in unserem Geschäft leider fließend…

Klar, sie hat betrogen. Sie hat eine Leistung vorgetäuscht, die sie nicht erbracht hat. Alle Studierenden, die betrügen (wissentlich/vorsätzlich oder nicht), kriegen auch von mir erstmal ein „nicht bestanden“. Bei Schavan geht der Fakultätsrat so weit zu sagen, „dass die damalige Doktorandin systematisch und vorsätzlich über die gesamte Dissertation verteilt gedankliche Leistungen vorgab, die sie in Wirklichkeit nicht selbst erbracht hatte„.

Das ist nicht zu rechtfertigen, nicht mit Naivität, nicht mit Unwissenheit, nicht mit Überlastung. Immerhin muss sie damals, als eine Tastatur mit den Kombinationen strg-c und strg-v nicht zum Standard-Inventar einer Studierenden gehörten, alles sehr mühselig abgetippt haben.

Deswegen lässt mich der Gedanke nicht mehr los, bei Frau Schavan sei es durch den Akt des Abtippens zu einer Art Überidentifikation mit dem geisteswissenschaftlichen Gedankengut gekommen, gerade so, als habe die Studentin die Gedanken durch das Abtippen so sehr inkorporiert, dass sie die Texte anschließend als ihre eigenen betrachten konnte.

Klar, wenn es so gewesen wäre, hätte die Studentin S. eine massives Psycho-Problem vorzuweisen gehabt – aber wäre das so selten? Uns in etwas hineinzuträumen, was einer Wirklichkeitsprüfung nicht standhält? Wissenschaft ist ja kein einfaches Geschäft, gerade in den so genannten Geisteswissenschaften nicht. Die Grenzen zwischen einem eigenen und einem fremden Gedanken sind manchmal schwer herauszuarbeiten – und immerzu die Wissenschaft mit einem neuen, eigenen Gedanken voran zu bringen, ist sicherlich deutlich schwerer, als das Bekannte zu paraphrasieren und dann die Fußnote bzw. das Zitat zu verdaddeln.

Ich wünschte mir ein (globales) Forschungsprojekt, in welchem Ausmaß im Alltagsgeschäft (Publish or Perish!) falsch zitiert, mangelhaft zitiert oder auch nur fehlerhaft Bezug genommen wird. In biomedizinischen Aufsätzen ist es üblich, durch die Aneinanderreihung von Literaturstellen die eigene Argumentation und die Begründung für den eigenen Aufsatz zu entwickeln. Der wissenschaftliche Kodex oder auch das Selbstverständnis geht davon aus, das an den zitierten Stellen auch genau das steht, worauf die Zitierenden sich berufen. Aber hat das schonmal jemand systematisch untersucht? Wie viel stille Post ist in der Wissenschaft unterwegs? Ich erinnere nur an die Sache mit dem Spinat, dem Eisen und den Kommastellen.

Wer hat all die Aufsätze gelesen, die in den eigenen Arbeiten zitiert werden? Bei wem reicht das Lesen kaum über die Abstracts hinaus? Wer hat genügend Zeit zu lesen?

Der Fall der Wissenschaftsministerin könnte auch eine wissenschaftsinterne Debatte darüber auslösen, was redlich ist und was nicht und ab welchem Moment wir als Wissenschaftler selber im Glashaus sitzen und nicht mehr mit Steinen werfen sollten… Das Blog Retraction Watch ist eine verdienstvolle Anstrengung, den Betrug in der Wissenschaft zu erfassen, zumindest hinsichtlich von Aufsätzen, die zurückgezogen wurden.

Dass die Ministerin Schavan nun so verrückt zu sein scheint, im Amt bleiben zu wollen, schreibe ich allerdings ihrer oben schon vermuteten Psycho-Macke zu, diesmal als letzten Halt vor dem inneren Nichts, das sie sich ansonsten eingestehen müsste. Sie muss an ihre eigene Redlichkeit glauben, sonst wäre sie psychisch zerstört. Ihre ganze mühsehlige Abtipperei vor 33 Jahren wäre umsonst gewesen.

Eine bittere Bilanz.

Pflegegesetz 2013 tritt in Kraft, Teil 3

  • Belange pflegender Angehöriger
  • In § 44 SGB XI ist nun geregelt, welche Pflegezeit (14 Stunden wöchentlich) der Gesetzgeber erwartet, um der Pflegeperson Beiträge für die Rentenversicherung anzurechnen. Falls die 14 Stunden unterschritten werden, können die Ansprüche auch durch die Pflege mehrerer Bedürftiger erworben werden.

    In den § 42 wurde ein Absatz eingefügt, der es nun ermöglicht, dass ein Pflegebedürftiger, dessen Pflegeperson selbst eine stationäre Maßnahme zur medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation in Anspruch nimmt, Anspruch auf Kurzzeitpflegegeld für diese statioäre Einrichtung hat, wenn eine gleichzeitige Unterbringung erforderlich ist.

  • § 45d Förderung ehrenamtlicher Strukturen sowie der Selbsthilfe
  • „Je Versicherten werden 0,10 Euro je Kalenderjahr verwendet zur Förderung und zum Auf- und Ausbau von Selbsthilfegruppen, -organisationen und -kontaktstellen, die sich die Unterstützung von Pflegebedürftigen, von Personen mit erheblichem allgemeinem Betreuungsbedarf sowie deren Angehörigen zum Ziel gesetzt haben.“

  • Modellvorhaben zur Erprobung von Leistungen der häuslichen Betreuung durch Betreuungsdienste
  • Die Pflegekassen können 2013/14 Modellvorhaben unterstützen, die Leistungen für Demenzkranke erproben, die von Betreuungsdiensten erbracht werden. Die jeweiligen Modellvorhaben sollen prüfen, wie gut der Betreuungsdienst hinsichtlich Wirtschaftlichkeit, Qualität, Inhalt der erbrachten Leistungen, Akzeptanz bei den Pflegebedürftigen abschneidet. Die Modellvorhaben müssen wissenschaftliche evaluiert werden. Dafür stellen die Pflegekassen bis zu € 5 Mio zur Verfügung.

    Für teilnehmende Betreuungsdienste gelten dieselben Vorschriften des SGB XI wie für die Pflegedienste.

  • Neue Vergütungsregelungen
  • „Die Vergütungen sind mit Wirkung ab dem 1. Januar 2013 nach Zeitaufwand und unabhängig vom Zeitaufwand nach dem Leistungsinhalt des jeweiligen Pflegeeinsatzes, nach Komplexleistungen oder in Ausnahmefällen auch nach Einzelleistungen je nach Art und Umfang der Pflegeleistung zu bemessen; sonstige Leistungen wie hauswirtschaftliche Versorgung, Behördengänge oder Fahrkosten können auch mit Pauschalen vergütet werden.“

    Nach Zeit oder unabhängig von Zeit? Diese Frage hat Auswirkungen auf den Pflegevertrag. Der Pflegedienst muss nun – am besten tabellarisch nebeneinander gestellt – Vergleiche der Vergütungsformen ermöglichen. Der Versicherte kann entscheiden, welchen Vergütungsmix er in den Vertrag mit dem Pflegedienst aufnehmen möchte. Im Vertrag wird diese Entscheidung dokumentiert.

    Der Pflegevertrag kann im übrigen jederzeit und ohne Frist durch den Pflegebedürftigen gekündigt werden.

Neues Pflegegesetz 2013 Teil 1
Neues Pflegegesetz 2013 Teil 2

CDU-Spahn offensiv gegen Korruption in der ambulanten Versorgung

Manchmal sind mir selbst die Unionschrstlichen sympathisch. Im Gegensatz zu den Sozen, die schwer damit beschäftigt sind, ihren Steinbrück zu kontrollieren, steigt die CDU gleich mal mit einem deftigen wie-reize-ich-die-FDP-Thema ins Wahljahr ein: Korruption bei Vertragsärzten in der ambulanten Versorgung.

Das nenne ich mal frisch voran und mutig ausgeteilt, wenn die F.A.Z. den jungen Wilden Jens Spahn sprechen lässt: „Spahn sagte, wahrscheinlich müsste erst mal fünf bis zehn Ärzten die Berufserlaubnis entzogen werden, bis bei allen die nötige Sensibilität einkehrt.

Klar, auch die SPD hatte im Zug des Urteils durch den Bundesgerichtshof vorgeschlagen, Bestechlichkeit unter Strafe zu stellen. Der BGH hatte zugunsten eines Vertragsarztes den Beschluss einer Vorinstanz ungültig erklärt: Ein Vertragsarzt sei weder Amtsträger noch Beauftragter der Krankenkassen. Deswegen könne er auch nicht wegen „Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr“ (StGB §299) verurteilt werden.

Die SPD unterschlug allerdings, dass die Hebel für die Bestrafung von Bestechlichkeit bereits in den Händen der Selbstverwaltung und der ärztlichen Standesorganisationen liegen, Stichwort Berufsrecht.

Da bisher allerdings nix passiert ist, berufsrechtlich bzw. von Seiten der Standesorganisationen, geht nun Jens Spahn in die Offensive. Die FDP wird das sicherlich nicht freuen. Das Publikum wird gespannt verfolgen, ob die Spahn’sche Attackelust beim Thema Korruption in der ambulanten Versorgung die Bundestagswahl überdauert.

Pflegegesetz 2013 tritt in Kraft, Teil 2

Zu den wesentlichen Elementen des Pflege-Neuausrichtungs-Gesetzes zählen eine Reihe von Leistungsverbesserungen, die vor allem Demenzkranken zu Gute kommen sollen. Zudem legt der Gesetzgeber ein „Initiativprogramm zur Förderung neuer Wohnformen“ auf.

  • Zusätzliche Leistungen für Pflegebedürftige in ambulant betreuten Wohngruppen
  • Pflegebedürftige, die in einer gemeinsamen Wohnung mit häuslicher pflegerischer Versorgung (ambulant betreute Wohngruppen) leben, erhalten eine Pauschale von € 200 im Monat, wenn sie eine Sachleistung, Pflegegeld oder eine Kombination von beidem bekommen.

    Dazu muss in der Wohngruppe eine Pflegekraft tätig ist, „die organisatorische, verwaltende oder pflegerische Tätigkeiten verrichtet„. Außerdem müssen mindestens drei Pflegebedürftige gemeinschaftlich Wohnen und die freie Wählbarkeit der Pflege- und Betreuungsleistungen muss gewährleistet sein. Die Pauschale gibt es also in einem Pflegeheim nicht.

  • verbesserte Pflegeleistungen für Menschen mit eingeschränkter Alltagskompetenz
  • Demenzkranke, die bisher € 100 Betreuungsgeld bekommen haben (erhöhter Bedarf: € 200), erhalten ab sofort €120 zusätzlich von der Pflegekasse, wenn sie von ihren Angehörigen betreut werden. Nimmt sich ein Pflegedienst dieser Patienten an, stehen nunmehr € 225 Pflegegeld zur Verfügung. Dies ist als Übergangsregelung im Gesetz verankert – bis ein neuer Pflegebedürftigkeitesbegriff in einem weiteren Gesetz bestimmt wird.

    Und weiter steht im Gesetz:
    Pflegebedürftige mit Pflegestufe I bekommen € 70 mehr Pflegegeld (also € 305) oder aber bis zu € 215 mehr (zusammen bis zu € 685), wenn Sachleistungen, also ein ambulanter Pflegedienst, in Anspruch genommen werden.
    Pflegebedürftige der Pflegestufe II bekommen € 85 mehr Pflegegeld (also € 525) oder aber bis zu € 150 mehr (zusammen bis zu € 1250), wenn Sachleistungen, also ein ambulanter Pflegedienst, in Anspruch genommen werden.

  • Häusliche Betreuung
  • Eine weitere Übergangsregelung sind erweiterte Betreuungsleistungen insbesondere für Demenzkranke, die von ambulanten Pflegediensten angeboten werden können. Diese zusätzlichen Leistungen (neben Grundpflege und Hauswirtschaftshilfe) umfassen endlich die lange vernachlässigte Kommunikation, ja sogar die Aufrechterhaltung sozialer Kontakte. Außerdem geht es darum, die Patienten bei der Gestaltung des häuslichen Alltags zu unterstützen. Sie können nun von den Pflegekassen finanzierte Hilfe bei der Strukturierung des Tages bekommen und können bei Beschäftigungen angeleitet werden. Angebote zur Einhaltung eines Tag-/Nacht-Rhythmus gehören ebenfalls in dieses Leistungsspektrum.

    Diese Regelung gilt für alle Pflegestufen: Von O (eingeschränkte Alltagskompetenz, Menschen mit Demenz) bis zu den bekannten Stufen 1-3. Alle Bedürftigen können von dieser Betreuungsregelung profitieren.

  • „Pflege-Bahr“ – Pflegevorsorgezulage
  • Jeder Versicherte, der eine zusätzliche private Pflegeversicherung in einer Höhe von mindestens € 10 abschließt, erhält € 5 als Zuschuss on top.

    Gilt Kritikern weithin als Beleg für versicherungsrechtliche Klientelpolitik. Die Unternehmen wird es freuen, wenn ihnen durch die Gesetzeslage viele Kunden an die Ufer gespült werden.

Neues Pflegegesetz 2013 Teil 1
Neues Pflegegesetz 2013 Teil 3

Pflegegesetz 2013 tritt in Kraft

Nachdem erste Teile der Pflegereform bereits im Herbst 2012 in Kraft traten, wird nun zum 01.01.2013 das gesamte „Gesetz zur Neuausrichtung der Pflegeversicherung“ wirksam.
Das Gesetz verändert im Wesentlichen das 11. Buch des Sozialversicherungsgesetzes (SGB XI).

  • Beitragssatz
  • Zum 01.01.2013 steigt der Beitragssatz für Versicherte mit Kindern von 1,95% des Bruttoeinkommens auf 2,05% (Grenze der Bemessung 2013: 3937,50 Euro). Versicherten ohne Kinder wird der Beitragssatz ebenfalls um 0,1% angehoben. Sie zahlen nun 2,3%.

  • Beratungsgutscheine
  • Die Pflegekassen müssen sicherstellen, dass innerhalb von zwei Wochen nach Antragstellung ein Beratungstermin vereinbart werden kann. Falls die Versicherung dazu nicht in der Lage sein sollte, muss Sie Beratungsgutscheine ausgeben, damit ein externer Anbieter hier zum Zuge kommen kann. Schafft es die Pflegekasse nicht, dem Versicherten innerhalb einer Frist von fünf Wochen einen Bescheid auszuhändigen, wird die Pflegekasse mit einer Strafzahlung von € 70 an den Versicherten pro angefangener Woche belegt.

  • Begutachtung durch unabhängige Gutachter
  • Neben dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK), die bisher allein die Pflegebedürftigkeit einschätzen konnten und damit quasi ein Monopol innehatten, müssen die Kassen nun auch mit unabhängigen Anbietern kooperieren. Diese müssen selbstverständlich entsprechende Qualifikationen nachweisen – was wiederum von den Pflegekassen geprüft wird…

    Konkret ist hier beabsichtigt, die Pflegekassen unter Druck zu setzen. Wenn es den Kassen ab dem 01.06.2013 nicht gelingt, innerhalb von vier Wochen nach Antragstellung eine Begutachtung durchzuführen, müssen dem Versicherten mindestens drei unabhängige Gutachter genannt werden.

  • Berichtspflicht
  • Der Antragssteller hat Anspruch auf den Bericht des MDK oder des begutachtenden Dienstleisters – und ist darüber vorab zu informieren. Außerdem ist die Pflegekasse verpflichtet, den Patienten darüber zu informieren, wenn bei der Begutachtung erkennbar wird, dass eine Rehabilitationsmaßnahme (nach SGB IX) notwendig ist. Motto hier: Reha vor Pflege.

  • Anschubfinanzierung zur Gründung von ambulant betreuten Wohngruppen
  • Wenn die Voraussetzung erfüllt ist, dass mindestens drei Pflegebedürftige versorgt werden, haben ambulante Wohngruppen Anspruch auf eine einmaligen Zuschuss zur Verbesserung des Wohnumfeldes in Höhe von € 2500 pro Versichertem, maximal aber in einer Höhe von € 10000. Dafür stellen die Pflegekassen 30 Millionen Euro zur Verfügung. Es können also ungefähr 3000 ambulant betreute Wohngruppen damit gefördert werden.

  • Wohnumfeldverbessernde Maßnahmen
  • Schon jetzt kann die Pflegekasse einen Zuschuss für die Verbesserung des häusliches Wohnumfeldes gewähren (bis zu € 2557), um die Pflege zu erleichtern oder die selbständige Lebensführung zu erhalten. Ab sofort können auch ambulant betreute Wohngruppen diesen Zuschuss erhalten, maximal bis € 10228. Werden mehr als vier Pflegebedürftige betreut, werden die Kosten anteilig aufgeteilt.

Neues Pflegegesetz 2013 Teil 2
Neues Pflegegesetz 2013 Teil 3

2. Tag der Allgemeinmedizin in Hamburg

Morgen, am 10. November 2012 findet in Hamburg das zweite Mal der „Tag der Allgemeinmedizin“ (TdA) statt.

Der Klick auf den Plakat-Link führt zu weiteren Informationen vom Institut für Allgemeinmedizin am UKE. Das Institut veranstaltet den TdA, der dieses Jahr auch noch in München, Jena und Göttingen stattfindet.

Der Tag der Allgemeinmedizin ist eine bundesweit etablierte Veranstaltung der „Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin“ (DEGAM) und der universitären Institute für Allgemeinmedizin. Im Kern geht es darum, niedergelassene Hausärzte und Hausärztinnen sowie deren Medizinische Fachangestellte einen Tag lang zu praxisorientierten, interaktiv ausgelegten Workshops einzuladen, sich zu vernetzen, Forschungsideen und Erfahrungen auszutauschen.

Einen guten Überblick über das Konzept gibt der Artikel (pdf) von Szecsenyi J, Wiesemann A, Stutzke O, Mahler C. „Tag der Allgemeinmedizin“ – Ein Beitrag zur Entwicklung einer gemeinsamen regionalen Plattform zwischen Hausarztpraxen und einer Universitätsabteilung. Z Allg Med 2006; 86: 449-455.

Filmbuch zu virtuellen Welten und Wesen

Frisch zur Buchmesse veröffentlicht ein Exkurs in virtuelle Welten, die einem manchmal ganz schön nah kommen können: Blade Runner, Matrix und Avatare: Psychoanalytische Betrachtungen virtueller Wesen und Welten im Film, Herausgeber: Parfen Laszig

Cover Filmbuch

Darin ein eigener Beitrag, den ich zusammen mit der Heidelberger Analytikerin Lily Gramatikov geschrieben habe: „Die Matrix“ und die Frage: Kann es doch ein richtiges Leben im Falschen geben? In: Laszig P. (2013, Hg.) Psychoanalytische Betrachtungen virtueller Wesen und Welten im Film. Springer-Verlag, Heidelberg New York, 285-302.

Ein spannendes Buch-Projekt, das 30 Filme zusammenbringt und sie psychoanalytisch sieht, liest, interpretiert.

Unser Matrix-Beitrag analysiert erstmals die komplette Trilogie. Wir zeichnen Neos Weg bis zum finalen Kampf mit den Maschinen und der (erneuten) Rettung von Zion nach. Und wir stellen uns der Frage, die unserem Text den Titel gab: „Kann es ein richtiges Leben im Falschen geben?“