Ein Kind verschiebt den Blick auf Rituale, Mythen, auf zauberhafte Wesen und vorgestellte Welten: Ob Felix, der Hase, Lilifee oder Nikolaus, kindlicher Personenkult ist zugleich faszinierend und schwer erträglich. Dies als Erwachsener fördern zu sollen bzw. sich darauf einzulassen, zählt zu den großen elterlichen Herausforderungen. Zumal, wenn das bedeutet, den eigenen Rationalitätsreflex zu zähmen.
Das Zusammenleben mit dem Kind funktioniert jedoch nur so. Ich muss mich ohne zu zögern dieser kindlichen Wirklichkeit hingeben – oder ich habe verloren. Es vereinfacht ja das Leben auch ungemein, wenn ich nicht mehr zwischen lebendig und nicht lebendig unterscheiden muss. Nicht mehr zwischen vorgestellt und vorgefunden. Nicht mehr zwischen Wesen aus Fleisch und Blut und Fabelwesen.
Interessant dabei ist die Figur des Nikolaus‘ oder des Weihnachtsmannes: Die Erwachsenen inszenieren sie für die Kinder, um ihnen einen Beleg zu liefern, dass die Fabelwesen existieren – und um deren Wirkmächtigkeit zu steigern und zu verlängern. Wenn diese Figuren nie aufträten, kämen die Zweifel an deren Existenz wohl deutlich früher.
Womöglich entwickelt sich in diesen kindlichen Tagen Religiosität. Ein Bezugssystem entsteht, wichtige Bezugsgrößen wie der Weihnachtsmann, der Osterhase oder das Christkind werden in den kindlichen Horizont eingeführt – und immer wieder aufs Neue inszeniert. Dabei wird das menschliche Bedürfnis nach Transzendenz zugleich geschaffen und wieder gestillt. So geraten wir auf unsere andauernde Suche nach einem Mehr, das Sinn stiftet. Auf die Sinnsuche nach mehr als dem, was sich im Leben einfach vorfinden lässt.